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Nach Stilllegung 2011 wird "Varioboard" nun demontiert. Verpackt: Holzplattenwerk reist per Lkw nach Minsk

Von Oliver Schlicht 25.04.2012, 05:19

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr stellte das Holzfaserplattenwerk "Varioboard" in Magdeburg aus Kostengründen seinen Betrieb ein. Nun begann die Demontage. Das Werk wurde komplett nach Minsk in Weißrussland verkauft.

Magdeburg l Auf dem Betriebsgelände von "Varioboard" im Magdeburger Hafen herrscht wieder emsiges Treiben. Ein Völkergemisch aus Slowaken, Tschechen, Rumänen und einigen Deutschen schraubt, brennt und bricht die technischen Anlagen des gesamten Werkes auseinander. Dazu gehören zum Beispiel eine Waschtrommel für Baumstämme, Silos, thermische Holzspäne-Mischanlagen und vor allem die fünf Meter hohe Maschinenstrecke der Fertigung in einer knapp 200 Meter langen Produktionshalle.

Es kommt schwere Technik zum Einsatz. Autokräne mit 50 Meter hohen Auslegern heben Stahlträger aus der Anlage. Auf dem Betonboden haben Arbeiter Haufen aus Röhren und Kesselteilen zusammengetragen. Keine Schraube soll bei dieser Demontage verloren gehen. Kaum zu glauben, dass jemand dieses Puzzle wieder zusammensetzen kann.

Die Betriebsamkeit erinnert an die Zeit, als 180 Beschäftigte auf dem weiträumigen Betriebsgelände Holzfaserplatten für die Möbelindustrie fertigten. Das ist erst ein Jahr her. Im Frühjahr 2011 musste das Werk nach zwölf Produktionsjahren seine Tore schließen. "Die gesetzliche Förderung von Holzbrennstoffheizungen hat den Holzpreis in die Höhe schießen lassen. Eine Holzfaserplattenproduktion war so nicht mehr aufrecht zu erhalten", sagt "Varioboard"-Geschäftsführer Wilhelm Taubert. Der Geschäftsmann führt inzwischen ein Anlagenbau-Unternehmen in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Er sieht Parallelen zur aktuellen Krise der Solarindustrie. Taubert: "In ganz ähnlicher Weise steht da jetzt eine Branche unter Druck, weil sich Politiker an der Preisregulierung beteiligen wollen."

Zweckbindung für die Fördermittel ist abgelaufen

Etwa 50 Millionen Euro privater und öffentlicher Mittel waren ab 1997 in Bau und Erweiterung von "Varioboard" investiert worden. Nach zwölf Jahren Produktionszeit ist für die damals gezahlten Fördermittel die Zweckbindung seit langem abgelaufen, so das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage. Nach der Werkschließung im April 2011 blieb es also dem Inhaber überlassen, was aus "Varioboard" wird. Ein Jahr lang tat sich nichts. Wilhelm Taubert: "Es war nicht ganz einfach, einen Käufer für die Maschinen zu finden. Das ist nun über einen Zwischenhändler sogar für das komplette Werk gelungen." Ein Kunde in Minsk will die Holzfaserplattenfertigung dort wieder neu aufbauen.

In den nächsten drei Monaten wird "Varioboard" demontiert. Noch einmal drei Monate später soll der Abtransport abgeschlossen sein. "Auf dem Grundstück im Magdeburger Hafen bleiben aber alle Medien wie Strom- und Wasseranschlüsse und auch einige Hochbauten erhalten." Taubert hofft, das verkehrsgünstig direkt am Hafenbecken gelegene Grundstück mit Bahnanschluss schnell verkaufen zu können.

Mit der Demontage ist als Generalunternehmer für Krane, Transport und Zugangstechnik die Firma Engel-Krane aus Burg beauftragt. Wer das Werk in Weißrussland wieder zusammenbauen wird, weiß Engel-Krane-Projektleiter Matthias Güttler nicht. "Das entscheidet der Käufer. Hier vor Ort sind tschechische Firmen damit beschäftigt, alles zu kennzeichnen, zu verpacken und per Lkw nach Osteuropa zu schaffen." Selbst die 35 Meter hohen Silotürme sollen zerteilt und auf dem Straßenweg transportiert werden. Unklar ist noch, ob auch die drei großen Produktions- und Lagerhallen auf den Weg nach Osten gehen. Matthias Güttler: "Das Dach und die Seitenwände sind kein Problem. Aber die tragenden Betonpfeiler sind tief in der Erde verbaut. Das wird schwierig."

Seit zwölf Tagen wird das Werk demontiert

Die Demontagearbeiten haben vor zwölf Tagen begonnen. Die Arbeiten finden sowohl unter freiem Himmel als auch in den drei Hallen statt - zwei der Hallen sind über 20000 Quadratmeter groß. Ein Spezialunternehmen aus Nürnberg zerlegt in der Produktionshalle die gewaltige Fertigungsstrecke, wo früher die Holzfaserplatten entstanden. "Das fachgerechte Auseinanderbauen der früher teils robotergesteuerten Produktionsmaschinen wollte der Käufer wohl doch lieber einer deutschen Fachfirma überlassen", vermutet Güttler.

Die logistisch größte Herausforderung ist aber der Rückbau einer etwa 20 Meter langen, fünf Meter hohen Stahltrommel. Diese "Waschanlage" für Baumstämme war bereits beim Bau des Werkes von der Firma Engel-Krane in die damals noch dachlose Halle gehoben worden. 120 Tonnen wiegt das Ungetüm. Inzwischen hat die Halle ein massives Betondach. "Wir werden eine Wand aufbrechen müssen und die Trommel in drei Teile zerschneiden, damit wir sie aus der Halle herausbekommen." In Minsk muss die Trommel dann wieder zusammengeschweißt werden. Güttler schmunzelt: "Eine TÜV-Abnahme wäre dann wohl nicht ganz einfach." Aber in Weißrussland gibt es ja keinen TÜV.