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Waldsterben Sachsen-Anhalts Waldbesitzer suchen Hilfe

Wer einen Waldspaziergang im Harz macht, erschrickt womöglich. Denn der Wald verändert sich massiv. Die Waldbesitzer fordern Lösungen.

20.09.2020, 12:44

Magdeburg (dpa) l Die Waldbesitzer in Sachsen-Anhalt suchen Hilfe gegen das Waldsterben und die Folgen. "Es wird nicht mehr lange dauern, da gibt es keine Fichten mehr", sagte der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbands Sachsen-Anhalt, Ehlert Natzke, in Magdeburg. Die Wälder seien teilweise stark geschwächt. Ihnen setzten Trockenheit und Stürme zu. Dadurch habe der Borkenkäfer, der es auf Fichten abgesehen habe, leichtes Spiel. Denn der Käfer befalle in der Regel alte und geschwächte Bäume. Die Folge: Das Massensterben der Wälder schreitet nach Verbandsangaben voran. Viele Privatbesitzer fühlen sich mit den Folgen im Stich gelassen.

Das Umweltministerium hat das Problem erkannt und Millionen-Hilfen zugesagt. "Die Auswirkungen der Stürme, der Dürre und nachfolgend der massive Befall mit Schadinsekten in unseren Wäldern ist dramatisch. Unsere Wälder sind das erste Opfer der Klimakrise", erklärte Ministerin Claudia Dalbert (Grüne). "Deshalb unterstützen wir die privaten Waldbesitzenden mit umfangreichen Maßnahmen, unter anderem mit Fördergeldern, um das Schadholz schnell aus dem Wald zu bekommen. Danach ist das Wiederaufforsten dran."

Das Ministerium teilte mit, für das laufende Jahr stünden rund 17 Millionen Euro zur Unterstützung der privaten Waldbesitzer bereit. Hilfe gebe es für das Wegräumen und die Lagerung des Schadholzes, den Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern und den Ausbau forstlicher Wege. Allein für die ersten beiden Punkte seien bis September knapp sechs Millionen Euro für 266 Anträge bewilligt worden, fast fünf Millionen seien ausgezahlt. Für den Aufbau der Mischwälder seien schon knapp 1,9 Millionen Euro ausgezahlt.

Üblicherweise werde ein Wald rund 100 Jahre lang sukzessive genutzt. "Aber jetzt geht es schneller", sagte Natzke. Die Wälder seien wegen der Wetterextreme und wegen des Käfers geschwächt. Überall liege Totholz. "Da schmerzt einem das Herz", so der Geschäftsführer des Landesverbands.

Mit dem Holz lasse sich jedoch kein Geld verdienen. "Der Markt ist komplett eingebrochen", erklärte Natzke. Die Waldbesitzer schauten somit meist tatenlos zu, wie das Holz verfaule. Das sei wiederum für das Klima katastrophal. Denn beim Verfaulen werde Kohlenstoffdioxid freigesetzt, erklärte Natzke. Die Wälder zu verkaufen, sei für viele Besitzer aber auch keine Lösung. "Die sind eng mit den Wäldern verbunden", so Natzke.

Oft sei der Besitz seit Generationen in Familienhand. Doch die Walderhaltung sei kostspielig. Zwar gebe es staatliche Förderprogramme. Aber das reiche oft nicht, so der Geschäftsführer des Landesverbands. Die Aufforstung eines Hektar Eichenwaldes beispielsweise koste rund 10.000 Euro. Im Schnitt würden die Waldbesitzer fünf Hektar Fläche ihr Eigen nennen.

Nach Angaben des Umweltministeriums des Landes ist mehr als die Hälfte der Waldfläche in Sachsen-Anhalt in Privatbesitz. Ein Viertel der Fläche gehört dem Land. Der Rest verteilt sich den Angaben nach auf den Bund und auf Körperschaften. Insgesamt beträgt die Waldfläche in Sachsen-Anhalt mehr als 530.000 Hektar. Nach Verbandsangaben gibt es in Sachsen-Anhalt derzeit rund 52.000 Waldbesitzer.

Nicht nur den Wäldern der privaten Besitzer gehe es schlecht. Auch anderen Wäldern wie dem geschützten Forst im Harz setzten Trockenheit, Stürme und Insekten zu, wie Friedhart Knolle von der Nationalparkverwaltung Harz in Wernigerode erklärte. In den Hochlagen des Gebirges schüttelten mehrere Orkane und Stürme die Bäume in diesem Jahr kräftig durcheinander und richteten große Schäden an. Das Totholz im Schutzgebiet bleibe in der Regel liegen, da es Schutz und Nahrung für viele Tiere und junge Gewächse biete, so der Experte. Der Borkenkäfer nutze es aber auch und vermehre sich dadurch weiter.

Für das Naturschutzgebiet habe das Folgen. "Der Käfer ist jetzt überall", so Knolle. Normalerweise bleiben nach Angaben der Nationalparkverwaltung rund 60 Prozent der Waldes im Schutzgebiet sich selbst überlassen. Der Borkenkäfer, der den in den höheren Lagen fast ausschließlich aus Fichten bestehenden Nationalpark angreife, müsse jedoch bekämpft werden. Unter anderem seien in einem rund 500 Meter breiten Sicherheitsstreifen um den Nationalpark die Käfer unerwünscht. Die Tiere werden den Angaben nach mechanisch bekämpft – sprich ohne Chemikalien und Giftstoffe, sondern mit der Säge.

Auf der Jahreshauptversammlung des Waldbesitzerverbands am Samstag wollten Experten über den Zustand der Wälder und mögliche Lösungen beraten. Eine Option sei, die Anpflanzung strapazierfähiger Arten wie etwa der Douglasie zu fördern. Eine andere Möglichkeit sei, zumindest das Herausbringen des Totholzes aus den Wäldern zu unterstützen. Die abgestorbenen Bäume könnten in Holzheizanlagen, in denen bislang nur Kohle verbrannt wurde, geworfen werden. Auf diese Weise könne Energie gewonnen werden, so Natzke. Zudem gebe es Ideen, das tote Holz mit modernen Methoden chemisch zu verwerten.