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sprache Gendern auf Befehl spaltet - Warum die Volksstimme keine Gendersternchen einführt

Binnen-I, Gender-Gap oder Sterne: kleine Zeichen mit großer Sprengkraft. Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters erklärt, wie er mit dem "Gendern" der Sprache umgeht. 

Von Alois Kösters Aktualisiert: 12.4.2021, 13:44
Gendergerechte Sprache ist ein vieldiskutiertes Thema.
Gendergerechte Sprache ist ein vieldiskutiertes Thema. Symbolbild: dpa


Magdeburg. Allem voran: Es funktioniert nicht. Nur um das allumfassende generische Maskulinum in der deutschen Sprache abzulösen, kursieren sicherlich ein dutzend Lösungen. Es wird aber noch komplizierter. Gender-Gerechtigkeit ist nur ein Anliegen, dass zurzeit an Sprache und Schrift herangetragen wird. Wie sollen Personengruppen bezeichnet werden, die nicht „weiß" sind oder „heterosexuell"? Hier können sich nicht einmal die Betroffenen einig werden. Aber die Tendenz geht hin zu immer weiterer Differenzierung und die zeitweise akzeptierten Begriffe haben eine immer kürzere Geltungsdauer. Jüngst hat sogar die Tierschutzorganisation Peta ihre Änderungsanträge an die 130 Millionen deutsch sprechenden Menschen eingereicht. Unsere Sprache sei auch tierfeindlich. Das überfordert die Sprachgemeinschaft.

Vor einigen Wochen hörte man im Deutschlandfunk: „... lange Wartezeiten für polnische LKW-Fahrerinnen an der Grenze". Es ist gar nicht so leicht diese winzige Pause zu intonieren, die Linguisten „Glottisschlag" nennen. Was schriftlich als „LKW-Fahrer_innen" noch funktioniert, war mündlich eine Falschmeldung. Blinde, die Vorlese-Software nutzen, sind genervt. Sie hören: „Polnische Lkw-Fahrerunterstrichinnen". Es gibt andere Vorschläge die Sprache gerechter zu machen. Das LKW-Fahry, plural LKW-Fahrys würde auch mündlich funktionieren. Aber das Beispiel zeigt nur, wie groß die Schwierigkeiten sein würden, das generische Maskulinum in der gesprochenen Sprache durch eine echte zusätzliche Kategorie abzulösen.

Es nützt nicht

Es nützt nicht, weil Sprachlenker von falschen Voraussetzungen ausgehen. Es kann sprachphilosophisch interessant sein, anzunehmen, dass sich unsere Wirklichkeit über Sprache konstituiert. Und es ist sicher kein Zufall, dass diejenigen, die Sprache besonders gut beherrschen, sie zu einem möglichst mächtigen Werkzeug machen wollen. Wenn also ein sprachfreies Erkennen der Welt nicht möglich ist, dann muss man nur die Sprache verändern, um eine neue Realitätswahrnehmung zu erzeugen. Mit Sternchen zur Gleichberechtigung. Logisch, aber falsch. Denn Sprache ist keine statische Konstruktion.

Nicht vergleichbar mit unseren Augen, die unveränderlich ein Bild erzeugen, das subjektiv ist. Ohne sich zu verändern, aktualisiert sich Sprache. Sie gleicht sich der Wirklichkeit an. Wenn heute einer sagt „unsere Soldaten" schließt zumindest niemand mehr aus, dass auch Soldatinnen gemeint sind. Vor hundert Jahren undenkbar. Und selbst unter „polnischen Lkw-Fahrern" löst eine Truckerin kein großes Erstaunen mehr aus. Andere Erfahrungen erzeugen neue oder erweiterte Bedeutungen, ohne dass der Begriff sich ändert. Sprache kann wie eine Festplatte immer neu überschrieben werden.

Es ist undemokratisch

Auch wenn es um Gerechtigkeit geht, muss man misstrauisch bleiben. Muss ich erwähnen, dass Sprachlenkung ein Mittel der Herrschaftssicherung ist? Nein. Lassen wir das Pierre Félix Bourdieu tun, der es im schönen Singsang der alten linker Theoretiker macht: „In die symbolischen Kämpfe um die Schaffung des Alltagsverstandes oder, genauer, um das Monopol auf legitime Benennung setzen die Akteure das symbolische Kapital ein, das sie in den vorangegangenen Kämpfen errungen haben und das gegebenenfalls juridisch abgesichert wurde."

Dass es das Sternchen vom Uni-Campus in die Verwaltungsvorlagen geschafft hat, liegt ja nicht daran, dass das Konzept überzeugt hätte. Es liegt daran, dass Uni-Absolventen mit links-konstruktivistischen Vorstellungen von Sprache nunmehr Einfluss in Verwaltungen haben und als Referenten vieler Parteien die Diskurshoheit errungen haben. Dass ihnen zunehmend die Herrschenden aus anderen Bereichen folgen, liegt an einer anderen Entwicklung. Binnen-I und Gender-Sternchen werden zu einem Distinktionsmerkmal. Der Unternehmensberater, der mit „liebe MitarbeiterInnen" die Mail eröffnet, signalisiert Bildung und Modernität. Es sind die „feinen Unterschiede", mit denen sich nach Bourdieu die Oberklasse abgrenzt. Eine eigene Sprache eignet sich am besten dazu, die anderen zum Verstummen zu bringen: Wer Texte nicht gendert, ist gegen Geschlechtergerechtigkeit. Wer Migranten nicht „Geflüchtete" nennt, ist ein böser Rechter. Wer den Sozialismus ablehnt, ist gegen den Weltfrieden.

Sprache ist aber eigentlich eine demokratische Veranstaltung. Zu jeder Zeit bewerben sich Wörter, Begriffe und Wendungen um die Aufnahme. Aber die wenigsten schaffen es dauerhaft in den Sprachschatz. Bei dieser Volksabstimmung hätte ein Gender-Gap keine Chance. Es erfüllt die Hauptkriterien nicht. Erfolgreiche Begriffe bezeichnen etwas Neues oder sie sind kürzer, treffender oder sexier als die alten. Es muss also angeordnet werden.

Gendern auf Befehl spaltet

Wer etwas anordnet, das nicht funktioniert, erzeugt Frustration. Gerade zu Corona-Zeiten muss man daran erinnern. Wer also angewiesen wird, seine Doktorarbeit mit vielen Sternchen zu versehen oder seinen Roman noch einmal gendergerecht aufzubereiten, wird feststellen, dass der Text nicht besser und das Vorlesen so gut wie unmöglich wird.

Wer vor die Wahl gestellt wird, seinen Kunden in einfacher Sprache entgegenzukommen oder einem Shitstorm der Gender-Community durch Sternchen zu entgehen, wird in jedem Fall frustriert sein. Das verschlimmert einen weiteren nicht zu unterschätzenden Aspekt dieser aktiven Sprachlenkung durch eine distinguierte Minderheit, die ihre Schlüsselstellungen instrumentalisiert. Ihr Eingriff ist nicht legitimiert, erhebt aber einen universellen Anspruch.

Die Abschaffung des generischen Maskulinums verändert jeden Text, fasst jeden bei der Hand, verlangt von jedem mehr Lesezeit und stellt jeden vor eine Entscheidung, die ihn Reputation kosten könnte. So oder so. Aus diesem Grund kann ein winziges Sternchen große Sprengkraft entfalten. Insbesondere in einer Gesellschaft, in der große Teile der Bevölkerung das Gefühl haben, vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen zu sein. Auch die Hörerinnen des Deutschlandfunks wurden nicht gefragt, ob der „Glottisschlag" gewünscht wird. Was hindert uns daran, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen und in Ruhe abzuwarten, wie die Sprache sich in langwierigen demokratischen Prozessen folgerichtig entwickelt. Bis dahin böte sich der beruhigende Satz an, den der „Spiegel" aus dem Geschäftsbericht eines Dax-Konzerns zitiert: „Die gewählte männliche Form steht stellvertretend für alle Formen." Das kann man nicht oft genug sagen.