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Bundeskartellamt entscheidet über Tele-Columbus-Verkauf an Kabel Deutschland / Jeder zweite Kunde in Sachsen-Anhalt betroffen Was kommt nach der Elefantenhochzeit beim Kabel-TV?

Von Oliver Schlicht 09.06.2012, 05:20

Magdeburg l Beim Kabelfernsehen kündigt sich eine Übernahme an: Tele Columbus wird von Kabel Deutschland geschluckt. Mehr als die Hälfte aller Kabel-TV-Nutzer in Sachsen-Anhalt ist davon betroffen.

Ende Mai wurde bekannt, dass der nach eigenen Angaben größte deutsche Kabel-TV-Anbieter - Kabel Deutschland - die in den neuen Bundesländern stark vertretene Tele-Columbus-Gruppe (TC) übernehmen möchte. Beide Gesellschaften sind sich einig. Der Kaufpreis betrage inklusive aller bestehenden Finanzverbindlichkeiten von TC 618 Millionen Euro, so Kabel Deutschland. Der Zusammenschluss steht bislang unter Vorbehalt der Zustimmung durch das Bundeskartellamt.

Diese Übernahme kann für die Kabel-TV-Kunden in Sachsen-Anhalt große Auswirkungen haben. Vor allem bei der Programmstruktur unterscheiden sich beide Anbieter erheblich. So werden die hochaufgelösten (HD) Programme der meisten öffentlich-rechtlichen Sender und auch alle HD-Sender der RTL-Gruppe von Kabel Deutschland nicht verbreitet, wohl aber von Tele Columbus. Auch bei der Preisgestaltung gibt es Unterschiede.

Bekommen Tele-Columbus-Kunden jetzt bald Kabel-Deutschland-Verträge? Tele-Columbus-Sprecher Hannes Lindhuber: "Über Detailfragen zu spekulieren, ist vor einer Entscheidung des Bundeskartellamtes noch viel zu früh. Aber unsere Kunden können sicher sein, dass sie nicht schlechter gestellt werden als jetzt."

Rechte und Pflichten müssen übernommen werden

Auch die Verbraucherzentrale Sachsen glaubt nicht an Verschlechterungen aus Kundensicht. In den aktuellen Geschäftsbedingungen habe Tele Columbus ausdrücklich vorgesehen, dass bei Übernahme eines Konkurrenten die Rechte und Pflichten des Anbieters übernommen werden. Das bedeute, dass die gebuchten Leistungen zum gleichen Preis erbracht werden, so die Verbraucherzentrale Sachsen auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Trifft dies zu, würden zukünftig Kabel-Deutschland-Kunden, die früher bei Tele Columbus waren, unter Umständen andere Programme zu anderen Preisen zugespielt bekommen als Altkunden von Kabel Deutschland.

Bleibt wirklich alles beim Alten? Branchenexperten sehen das in großer Abhängigkeit von der Entscheidung des Bundeskartellamtes, womit allerdings erst gegen Jahresende zu rechnen sei. Offiziell mag über diese Entscheidung kaum jemand spekulieren. Verschiedene Szenarien sind denkbar: Durchaus realistisch sei, dass der Zusammenschluss komplett abgelehnt werde, weil der Eingriff in den Wettbewerb zu groß sei.

Eine mögliche Auflage wäre, dass alle Gestattungsverträge mit Wohnungsbauunternehmen nach einer Übergangszeit von zum Bespiel drei Jahren neu ausgeschrieben werden müssen. Oder dass große Wohnungsbauunternehmen Sonderkündigungsrechte erhalten. Oder dass Kabel Deutschland Anteile, die Tele Columbus an anderen Kabel-TV-Gesellschaften hält (MDCC), an Dritte verkaufen muss. All das könnte den Kabel-TV-Markt in Sachsen-Anhalt erheblich "durchschütteln".

Denkbar sei ebenfalls, dass eine Übernahme an konkrete Auflagen zur Programm-Verteilung verknüpft ist. So könnten unter Umständen sogar Kabel-Deutschland-Kunden von der Übernahme profitieren, weil sie zukünftig vielleicht mehr Programme in besserer Auflösung angeboten bekommen müssen.

Erst Ende 2011 wurde im Südwesten Deutschlands Kabelnetzbetreiber Unitymedia im Zusammenhang mit der Übernahme von Mitbewerber Kabel Baden-Württemberg vom Bundeskartellamt die Auflage erteilt, die bislang kostenlos im Netz von Kabel BW verteilten digitalen Privat-TV-Sender nach der Übernahme auch bei Unitymedia-Kunden ohne Zusatzkosten und unverschlüsselt verteilen zu müssen.

Der Abschluss eines Digital-TV-Vertrages war damit für sieben Millionen Kabel-TV-Haushalte verzichtbar - sie bekommen seither alle öffentlich-rechtlichen und die wichtigsten privaten Sender digital frei Haus.

2,1 Millionen Haushalte von TC bundesweit

Tele Columbus versorgt nach Unternehmensangaben vor allem in den mitteldeutschen Ländern, Berlin und Brandenburg insgesamt 2,1 Millionen Haushalte mit TV und Internet. Zum Vergleich: Kabel Deutschland strahlt nach eigenen Angaben in bundesweit 8,5 Millionen Haushalte sein TV-Angebot aus. Ihre Kundenzahl in Sachsen-Anhalt nennt Kabel Deutschland nicht.

TC gehört in Sachsen-Anhalt zu den größten Anbietern. TC-Sprecher Lindhuber: "Aktuell versorgen wir dort 330000 Haushalte." Nach Angaben der Landesmedienanstalt gab es in Sachsen-Anhalt zum Jahresende 2011 etwa 675000 Kabel-TV-Haushalte.

Die größten Netze im mittleren und nördlichen Sachsen-Anhalt betreibt Tele Columbus in Dessau, Köthen, Schönebeck, Aken, Burg, Oschersleben, Wernigerode und Zerbst. In Magdeburg werden insgesamt 75000 Haushalte von MDCC versorgt. Die Anteile an der MDCC-Gesellschaft gehören zu 51 Prozent TC und zu 49 Prozent den Städtischen Werken Magdeburg (SWM).

Ist es vorstellbar, dass Kabel Deutschland MDCC komplett übernimmt? Carsten Harkner, kaufmännischer Geschäftsführer der SWM, schüttelt mit dem Kopf: "Unsere Gesellschafterverträge basieren auf gleichberechtigten Entscheidungen in allen wichtigen Fragen. Das heißt, es wird keine Entscheidungen bei MDCC gegen die Interessen der SWM Magdeburg und unserer Kunden geben können."

Die Möglichkeit, dass wiederum die SWM die Magdeburger Kabel-TV-Gesellschaft übernimmt, eröffnet unter Umständen das Bundeskartellamt. Bislang, so Harkner, habe sich diese Frage nicht gestellt, weil die Chance dazu nicht bestand.

Wenn sie doch besteht, könnten die SWM die Gelegenheit nutzen, um das Geschäftsfeld von MDCC neu aufzustellen und auch in umliegenden Landkreisen auf Kundenfang zu gehen. Vielleicht in Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken, an denen die SWM beteiligt sind? Carsten Harkner will das nicht näher kommentieren. "Bislang war eine Ausdehnung der Geschäftstätigkeit von MDCC über die Magdeburger Stadtgrenzen hinaus kein Thema unserer Überlegungen."