Staßfurt Was steckt hinter den seltsamen Ablagerungen?
In Staßfurt stellen Anwohner mysteriöse Ablagerungen fest. Eine
unsichtbare Substanz frisst sich tief in ihre Fenster, Autos und
Gartenmöbel.
Staßfurt l Anwohner der Förderstedter Straße in Staßfurt berichten, dass sich eine unbekannte Substanz auf ihren Fenstern und Dächern, Gartenmöbeln und Autos absetzt. Es handelt sich um einen zuerst nicht sichtbaren Stoff, der sich in die Gegenstände hineinfrisst und eine raue Oberfläche hinterlässt. Erst auf der Oberfläche der Gegenstände werden weiße oder rote Punkte sichtbar - je nach Farbe des Untergrunds.
Die Ablagerungen können noch so oft abgerieben werden - sie sind einfach nicht zu entfernen. Auf weißem Lack von Autos bilden sich rote Punkte, auf schwarzem Lack bilden sich weiße Punkte. Diese Feststellung haben die Anwohner anhand ihrer eigenen Fahrzeuge gemacht. Alle Autos müssen neu lackiert werden.
Mit diesem Problem hat sich Mario Stopic mit seiner Familie aus der Förderstedter Straße an das Landesverwaltungsamt, oberste Aufsichtsbehörde der Industrie in Sachsen-Anhalt, gewandt. Das war im März. Weil er bis heute keine Antwort erhielt, meldete er sich bei der Volksstimme.
Lack der Autos muss für mehrere Tausend Euro erneuert werden
Der "Flugstaub" oder "Sand", wie Mario Stopic das Phänomen beschreibt, hat sich auf zwei seiner Transporter und Imbissstände seines Schaustellerunternehmens und auf mehreren seiner privaten Fahrzeuge abgesetzt. Mit seinen Autos war er in der Werkstatt: "Der ganze Lack muss erneuert werden, das sind mal schnell mehrere Tausend Euro", erklärt er. Dazu kommen Schäden an Fenstern, am Terrassendach, an den Ziegeln, an der Fernsehantenne und am Plexiglasdach des Carports.
"Bei uns schätze ich den Schaden auf 80 000 Euro", sagt Mario Stopic, der in dem Haus mit seinem Neffen und Vater und Mutter wohnt. "Ein weiterer Nachbar rechnet mit 100 000 bis 120 000 Euro, weil er unter anderem sein Dach neu machen muss", erzählt er.
"Einmal habe ich eine Probe gemacht und ein weißes Laken im Garten aufgespannt. Nach zwei Tagen war das ganze Tuch gelb", berichtet Mario Stopic. Staub oder ähnliches sei in der Luft nie sichtbar.
Komplette Einrichtung in den Gärten ist beschädigt
Das Problem besteht seit mehreren Jahren, aber in diesem Jahr sei so extrem wie nie, erklärt Mario Stopic. Zwischendurch war auch mal jahrelang Ruhe. Im März diesen Jahres kamen die Ablagerungen wieder. Weil die Anwohner dachten, es handele sich um Pollen, eine typische Erscheinung im Frühling, unternahmen sie auch in diesem Jahr erst einmal nichts.
Matthias Büttner hat sich ebenfalls an die Volksstimme gewandt, unabhängig von Familie Stopic. "Mir war das Problem bis zu diesem Jahr nicht bekannt. Man achtet ja auch nicht auf so etwas. Man denkt, es ist normaler Dreck am Auto", erklärt der Anwohner, der auch Stadtrat in Staßfurt ist.
Zuerst seien ihm im Sommer die feinen Ablagerungen im Filter seines Pools - in Form von kleinen roten Punkten - aufgefallen. Dann stellte er immer mehr Schäden an seiner Garteneinrichtung fest: Lampen, Fensterbretter, Mülltonnen, Gartentische und - stühle - überall ist die Oberfläche zerklüftet und rau, versetzt mit etlichen kleinen Punkten.
Wenig später unterhielt sich Matthias Büttner mit einem Nachbarn, der ihm erklärte, dass es sich um eine unbekannte Substanz handele, die in dem Wohngebiet schon öfter Probleme bereitet hat. Auch Anwohner vom gegenüberliegenden Friedensring hätten schon geklagt. Seit etwa fünf bis sieben Jahren habe es im Laufe der Zeit immer wieder Vorfälle dieser Art gegeben, allerdings mit großen Pausen und nie so extrem.
Anwohner sorgen sich um eventuelle gesundheitliche Folgen
Ob der Stoff gesundheitsschädigend sei, fragen sich die Anwohner nun. "Wir atmen das Zeug ja ein, es ist ja überall auf dem Grundstück verteilt", so Mario Stopic. Der Nachbarsjunge hat Sandkastenverbot, von ihren Obstbäumen essen die Anwohner nicht mehr. Und: "Meine Mutter beklagt Rheuma und Gliederschmerzen, fühlt sich abgeschlagen. Der Arzt konnte aber keine Ursache dafür feststellen", sagt Matthias Büttner. Er selbst habe Problem, einzuschlafen und fühlt sich immer matt.
Matthias Büttner ist ratlos: "Was sollen wir jetzt machen? Wir können unsere Autos nicht neu lackieren lassen oder neue Garteneinrichtung kaufen. Wir wissen ja nie, wann es wieder passiert".
Matthias Büttner kann sich noch an eine Nacht Anfang 2014 erinnern: "In der Nacht wurde ich plötzlich wach. Obwohl die Fenster geschlossen waren, drang eine unheimliche Geruchswolke ins Schlafzimmer. Es hat so penetrant nach Chemie gerochen, das war unglaublich". Auch damals konnte er sich das Phänomen nicht erklären. Irgendwann geriet es in Vergessenheit.
Worum es sich bei der Substanz handelt und was ihre Ursachen sind, weiß keiner der Anwohner. "Es kommt mir vor wie Säure", sagt Mario Stopic. Matthias Büttner vermutet, dass industrielle Prozesse im Gewerbegebiet im Norden Staßfurts die Ursache sein könnten, der Wind wehe oft von dieser Seite her.
Zuständig für die Überwachung der Industrie in Sachsen-Anhalt ist das Landesverwaltungsamt. Auf Seiten der Behörde gibt es noch keine Erklärung, worum es sich bei den Ablagerungen handeln könnte.
Amt muss Ursachen für das Phänomen noch untersuchen
Katharina Steinhardt, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes, sagt, das Amt befasse sich mit den Vorfällen in Staßfurt. Mitarbeiter wurden mit dem Fall betreut. Allerdings müssen diese erst Untersuchungen durchführen. Die Fachleute müssen nun als erstes herausfinden, worum es sich bei den Ablagerungen handelt. Am Montag will die Pressestelle der Volksstimme eine erste Stellungnahme liefern.