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Vor dem Landgericht Stendal ging es am Freitag um Genehmigungen auf dem kurzen Dienstweg Zeuge: "Finzelberg übte Druck auf uns aus"

Von Franziska Ellrich 28.09.2013, 03:04

Stendal. "Sollen wir den Vorgaben des Bundesbodenschutzgesetzes oder dem Landrat folgen?", so lautete die Frage von Jürgen Bruelheide in einer E-Mail an seinen Vorgesetzten Bernd Girke. Jürgen Bruelheide ist Leiter des Fachbereiches Umwelt, Landwirtschaft und Forst in der Kreisverwaltung Jerichower Land. Bernd Girke Mitglied des Kreisvorstandes. Die Frage, was der Vorgesetzte auf die Mail geantwortet hat, konnte am Freitag im Berufungsprozess von Landrat Lothar Finzelberg nicht beantwortet werden.

Der Landrat des Jerichower Landes wurde vom Amtsgericht Burg zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Müllskandal falsch ausgesagt zu haben. "Warum musste plötzlich alles so schnell gehen?", wollte gestern der Vorsitzende Richter Gundolf Rüge im Landgericht Stendal von dem Zeugen Jürgen Bruelheide wissen.

Er bezieht sich damit auf die Aufforderung Finzelbergs im November 2006, dass das Verfahren zur Änderungsgenehmigung für die Sporkenbach Ziegelei einen schnellen Abschluss finden muss. Seine Begründung: "Uns wird immer mal wieder vorgeworfen, wir würden zu langsam arbeiten." Eine Woche später wurde der Antrag unter Berücksichtigung hoher Auflagen genehmigt. Die Ziegelei hatte den Änderungsantrag bereits im Juni 2006 an den Landkreis gestellt.

Ihr Anliegen: Eine neue Anlage betreiben, um Müll in großem Stil zu verfestigen, daraus Ersatzbaustoffe, zum Beispiel für den Unterbau von Straßen, herzustellen und damit weiter die Tongruben im Kreis zu verfüllen. Vorerst klingt das für Bereichsleiter Jürgen Bruelheide nicht schlecht: "Müll weiter zu verwerten, ist erst mal der Beseitigung vorzuziehen."

Richter hakt nach, inwieweit Vorgesetzte Einfluss nahmen

Als es dann um die unterschiedlichen Abfallarten geht, die verfestigt werden sollen, folgt eine Flut an Stellungnahmen. Der Kreis ist zum ersten Mal genehmigende Behörde in so einem Fall. Die zuständige Sachbearbeiterin der Unteren Abfallbehörde, Sigrid Baudach, ist unsicher. Sie holt Meinungen aus dem Landesamt für Umwelt sowie aus dem Bergamt ein. "Wir hatten gar nicht die technischen Möglichkeiten zur Überprüfung", erklärte Sigrid Baudach am Donnerstag vor dem Landgericht.

Das bestätigte ihr Vorgesetzter Jürgen Bruelheide am Freitag im Berufungsprozess. Die Genehmigung wurde erteilt, ohne dass eine Stellungnahme der Unteren Abfallbehörde vorliegt. "Freitag sollten wir entscheiden, weil am Montag die Firma mit der Arbeit beginnen wollte", konnte sich Bruelheide erinnern.

Der Richter hakt nach: "Ist es normal, dass Vorgesetzte auf ihre Arbeit Einfluss nehmen?" Das sei hin und wieder der Fall. Bruelheide würde in seiner Funktion als Bereichsleiter auch Schwerpunkte setzen: "Ich kann mir vorstellen, dass die Antragssteller beim Landrat um eine schnellere Bearbeitung gebeten haben."

Bei Karin Osse, Sachgebietsleiterin der Abfallbehörde, soll das anders geklungen haben: "Da muss Herr Endert mal wieder auf dem Schoß des Landrates gesessen haben und wir müssen das machen, was er fordert." Edgar Endert ist einer der Geschäftsführer der insolventen Sporkenbach Ziegelei. An den Wortlaut meinte sich Bruelheide zu erinnern.

Für die Mitarbeiterin Baudach sei der Einfluss ein Stück zu weit gegangen, zitiert Staatsanwalt Thomas Kramer die Zeugin: "Ich war nicht bereit, unter die Stellungnahme, die ich verfassen sollte, meinen Namen zu setzen." Aus diesem Grund unterzeichnete die nachträgliche Stellungnahme der Abfallbehörde der Landrat selbst. Und plötzlich tauchten wieder Abfallarten auf, die laut Bodenschutzgesetz in diesem Fall nicht genehmigt hätten werden dürfen.

Staatsanwalt wirft Zeuge vor, den Mund gehalten zu haben

Weitere E-Mails standen am Freitag im Mittelpunkt des Prozesses: die, in denen die Protokolle der bereits vernommenen Verwaltungsmitarbeiter vor dem Ausschuss weitergeleitet wurden. Dazu befragte der Vorsitzende Richter Lutz-Georg Berkling, damals Vorstandsmitglied für Personal und Recht. Er bereitete die Vernehmungen vor und saß neben dem Landrat, als er die Frage, ob ihm die Protokolle vorliegen, mit einem Nein beantwortete.

"Hatten Sie damals das Gefühl, dass die Vorwürfe gegen den Landrat berechtigt waren?", fragte Staatsanwalt Kramer den Juristen. Seine Antwort: "Ja, zum Teil." Warum habe er dann nicht die Ermittlungen unterstützt? "Weil es nur ein Bauchgefühl war."