Artisten der "Truppe Havanna" erstmals in Deutschland / Zirkus Probst präsentiert sie ab heute auch in Magdeburg. Von Mona Köcher Zirkus: Kunstvoll der Heimat Kuba entflogen
Er ist als Zirkus der Tiere bekannt, doch diese Sichtweise greift viel zu kurz. Für die aktuelle Saison hat Zirkus Probst Artisten engagiert, die als einer der Höhepunkte der Show gelten. Die jungen Künstler kommen aus Kuba und gastieren erstmals außerhalb ihrer Heimat.
Köthen l Yaimara Rodriguez umklammert die kalten Metallstreben der Schaukel, an ihrer rosa Nickihose zeichnen sich die angespannten Beinmuskeln ab. Es geht vor, zurück, vor, zurück, dann holt der Akrobat, der hinter ihr auf der Schaukel steht, richtig Schwung: Er geht in die Knie - und katapultiert Yaimara von der Kante des Schaukelbretts hoch in die Lüfte. Die junge Kubanerin macht einen Salto mit gestrecktem Körper und landet - ein bisschen wackelig. Doch kein Problem, es ist nur eine Probe.
Unterm Zirkuszelt, wo Außentemperaturen herrschen und der Besucher nicht freiwillig die Winterjacke ausziehen würde, erwärmen sich die Akrobaten fürs Training vor der Nachmittagsvorstellung. Später wird zum Glück geheizt sein. Noch sind es aber um die 8 Grad, was einige der männlichen Artisten nicht davon abhält, ihre trainierten Oberkörper frei zu zeigen.
Die sechs Männer und zwei Frauen kommen aus Kuba und sind die neueste Attraktion des Zirkus Probst, der ab heute in Magdeburg gastiert. Ein Gewinn für alle Seiten: Der Zirkus verspricht sich von den Tricks der "Truppe Rauly" aus Havanna und ihrer mitreißenden Ausstrahlung ein begeistertes Publikum. Für die acht Kubaner dagegen ist die Reise mit Probst der Schritt in die große Welt. Bisher waren sie nur in ihrer Heimat aufgetreten.
In Deutschland genießt es die Gruppe, nach der letzten Vorstellung abends auszuschwärmen und durch Einkaufszentren zu bummeln, in Discos zu gehen und bei McDonald\'s zu essen.
Die Aussicht darauf, aus Kuba rauszukommen, etwas von der Welt zu sehen, hat Yaimara Rodriguez mit 16 Jahren zum Zirkus gebracht. Talentsucher hatten sie während ihrer Tanzausbildung gesehen und direkt engagiert - für sie ein Sechser im Lotto. Mit dem, was sie jetzt verdient, kann die 26-Jährige ihren Eltern, ihrem Bruder und dem Großvater finanziell helfen. Ihr Mann, der bei der Marine arbeitet, unterstützt Yaimaras Karriere, obwohl die Trennung beide sehr schmerzt, wie die junge Frau erzählt.
Die Reaktionen des Publikums entschädigen sie für das Heimweh, so Yaimara. "Es ist toll, die begeisterten Gesichter zu sehen." Einmal habe eine applaudierende Frau sogar Freudentränen geweint.
Yaimara und ihre Mitstreiter treten seit vier Jahren zusammen auf. Als "Truppe Rauly" zeigen sie bei Zirkus Probst Handstandakrobatik, Bungee-Jumping, Seilspringen und Akrobatik an der Schaukel. Während der Tournee wohnen die acht Artisten und ihr Gruppenleiter in zwei der 70 Zirkuswagen, mit denen Zirkus Probst unterwegs ist.
Auf engstem Raum muss man natürlich gut miteinander auskommen, aber die Kubaner scheinen sich prima zu verstehen. Das Abendessen bereiten sie selbst zu, wobei jeden Tag ein anderer von ihnen mit dem Kochen an der Reihe ist. "Fast immer gibt es Reis, das mögen wir einfach am liebsten", verrät Yaimara.
Die Harmonie in der Gruppe wirkt auch nach außen. So betont Patrick Adolph, Sprecher des Zirkus, wie angenehm und unkompliziert die Zusammenarbeit mit den jungen Artisten ist. Sprachliche Barrieren gibt es kaum, Adolph spricht Italienisch, die Akrobaten Spanisch, "das geht ganz gut", sagt er. Zum Publikum schließlich muss der Funke nur über die Körpersprache springen. Aber das haben die Kubaner drauf.
Neben ihnen erwartet die Zuschauer natürlich das klassische Zirkusprogramm - mit dabei ist eine große Gruppe Sibirischer Tiger, neu aufgenommen wurde eine lustige Hundenummer, und als Clown tritt in diesem Jahr Pom Pom aus Ungarn auf, der in den Manegen Europas zu Hause ist. Für das Live-Orchester hat Zirkus Probst diesmal sieben Musiker aus der Ukraine engagiert.
Zirkus Probst gastiert bis zum 17. November in Magdeburg, danach in Calbe (19. und 20.11.) und Staßfurt (22.-24.11.).