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Junge Muslima darf in Badebekleidung duschen

Kopftuch am Arbeitsplatz, Turban auf dem Motorrad und jetzt ein beim Duschen getragener Badeanzug: Der Streit um religiöse Bekleidungsvorschriften landet immer wieder vor Gericht - nicht nur in Deutschland.

21.08.2019, 15:21

Halle (dpa/sa) - Eine muslimische Grundschulschülerin aus Sachsen-Anhalt darf vor dem Schwimmunterricht in ihrem Badeanzug duschen. Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle hervor, das am Mittwoch veröffentlicht wurde (Aktenzeichen: 6 B 243/19 HAL). Die Glaubensfreiheit umfasse auch das Tragen bestimmter Kleidung und stehe bereits Kindern zu, auch wenn diese bis zu ihrer Religionsmündigkeit zunächst von ihren Eltern vertreten werden. Dies gelte auch in diesem Fall, selbst wenn die Haus- und Badeordnung der Schwimmhalle aus hygienischen Gründen andere Regelungen treffe.

Die Schülerin hatte mit Verweis auf den Koran dargelegt, dass es nach ihrer Glaubensüberzeugung nicht erlaubt sei, sich vor anderen Personen, die nicht zur Familie gehören, nackt zu zeigen. Das Gericht erklärte, dass Artikel 4 des Grundgesetzes jedem Einzelnen das Recht gewährleiste, nach seiner Glaubensüberzeugung zu leben und seinen Glauben zu bekunden.

Zwar könnten sowohl die Glaubensfreiheit der Antragstellerin als auch das religiöse Erziehungsrecht der Eltern unter Umständen eingeschränkt werden. Die Befreiung von Unterrichtsveranstaltungen sei jedoch im Hinblick auf die Integrationsfunktion der Schule nur in Ausnahmefällen möglich. Das Duschen vor dem Unterricht sei nicht Bestandteil des Schwimmunterrichts. Zudem komme ihm "keine integrative Funktion" zu und könne die religiösen Grundrechte der Schülerin nicht einschränken, erklärten die Richter.

Religiöse Bekleidungsvorschriften haben verschiedene Gerichte schon mehrfach beschäftigt. So urteilte erst vor Kurzem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass ein Anhänger der Sikh-Religion beim Motorradfahren einen Helm tragen und dafür auf seinen Turban verzichten muss. Die Pflicht könne den Mann zwar in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigen, er werde dadurch aber nicht an der Ausübung seines Glaubens gehindert, erklärten die Leipziger Richter (Az.: 3 C 24.17).

Noch nicht entschieden ist hingegen der Fall einer Muslimin, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt beschloss im Januar, die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen (Az: 10 AZR 299/18). Damit wird der Fall aus Bayern zum Präzedenzfall dafür, ob Unternehmen im Interesse ihrer Neutralität gegenüber Kunden in Grundrechte von Arbeitnehmern eingreifen können.

Der EuGH hatte im März 2017 allerdings schon einmal entschieden, dass Firmen Kopftücher am Arbeitsplatz verbieten können. Voraussetzung sei aber, dass weltanschauliche Zeichen im Unternehmen generell verboten seien und dass es gute Gründe gebe. Allein der Wunsch eines Kunden, dass keine Frau mit Kopftuch für ihn Leistungen erbringt, genüge nicht für ein Verbot.

Auch der Schwimmunterricht an Schulen war bereits Streitgegenstand - so zum Beispiel in der Schweiz. Ein türkischstämmiges Elternpaar aus Basel klagte gegen die Teilnahmepflicht für seine Töchter am Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen und erklärte dies mit religiösen Gründen. Der Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ließ jedoch keine Zweifel daran, dass muslimische Schülerinnen generell am gemeinsamen Schwimmunterricht teilnehmen müssen (Beschwerde-Nr. 29086/12).

Auch in Deutschland ziehen immer wieder Eltern vor Gericht, die ihre Kinder vom Schwimmunterricht befreien lassen möchten. 2013 scheiterte eine Frankfurter Schülerin vor dem Bundesverwaltungsgericht (Az: 6 C 25.12). Auch hier stellten die Richter den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag über die Glaubensfreiheit und verwiesen auf einen "Burkini" als akzeptablen Kompromiss.