Kita-Konzept der Regierung: Frische Luft und feste Gruppen
Abwechselnde oder halbtägliche Betreuung an den Kitas will Sachsen-Anhalt vermeiden. Stattdessen empfiehlt die Regierung, die Kinder möglichst draußen und in festen Gruppen zu betreuen. Die Erziehungsgewerkschaft sieht die Pläne mit Sorge.
Magdeburg (dpa/sa) - Viel Zeit an der frischen Luft und feste Gruppen - das sind die Grundpfeiler der Regierungsstrategie für den Ausstieg aus der Notbetreuung an Sachsen-Anhalts Kitas, Krippen und Horten. Am Montag stellte Sozialministerin Petra Grimm-Benne ein Konzept vor, mit dem die Einrichtungen ab 2. Juni wieder für alle Kinder öffnen sollen. "Wir gehen einen großen Schritt der Öffnung und damit auch einen großen Schritt Richtung Normalität", sagte die Sozialdemokratin. Derzeit werden nach Regierungsangaben rund 30 Prozent der Kinder in ihren Einrichtungen betreut.
"Wir möchten, dass Kita und Hort bis zum Sommer möglichst draußen stattfinden", sagte Grimm-Benne. Das Virus breite sich in geschlossenen Räumen deutlich schneller aus als draußen. Durch die Festlegung von Gruppen will das Land vermeiden, dass im Falle einer Infektion gleich die ganze Kita geschlossen werden muss. Eltern sollen den Kitas außerdem täglich versichern, dass die Kinder keine Krankheitssymptome zeigen. Träger und Eltern sollen in den kommenden Tagen mit Briefen auf die neuen Regeln eingestellt werden.
Anders als in anderen Bundesländern sollen den Kitas keine festen Betreuungszeiten vorgegeben werden, auch eine abwechselnde Betreuung der Kinder ist nicht vorgesehen. Damit will das Land vor allem den Eltern Planungssicherheit geben. Sollte durch hohe Krankenstände und andere Gründe keine ganztägige Betreuung möglich sein, müsse das im Einzelfall geprüft werden. Laut Ministerium zählen rund 20 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher in Sachsen-Anhalt zur Risikogruppe. Das Kabinett muss den Fahrplan in der kommenden Woche noch beschließen, Eltern könnten sich aber auf den Termin nach Pfingsten verlassen, sagte Grimm-Benne.
Mitte März hatte das Land die Kitas für die meisten Kinder geschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus zu einzudämmen. Nur Kinder von Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, wurden weiter betreut. Das nach wie vor geringe Infektionsgeschehen in Sachsen-Anhalt lasse es nun zu, die Betreuung wieder deutlich auszubauen. So sei in Sachsen-Anhalt bislang kein einziger Corona-Fall mit Bezug zu einer Kindertageseinrichtung bekannt, sagte die Ministerin.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) reagiert mit Sorge auf die Pläne der Ministerin. "Nach unserer Einschätzung sind die Ressourcen für eine vollständige Erfüllung aller Bedarfe gar nicht vorhanden", teilte GEW-Landeschefin Eva Gerth am Montag mit. "Wir befürchten, dass Erzieherinnen und Erzieher sowie Kita-Leitungen mit den Problemen allein gelassen werden." Das vorhandene Personal werde für den Regelbetrieb unter Corona-Bedingungen nicht ausreichen, warnte die Gewerkschaft.
Politiker zeigten sich hingegen erleichtert. "Dieser Schritt ist überfällig", kommentierte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann die Öffnung. Kitas seien wichtige Lernorte für Kinder und für den Berufsalltag der Eltern unverzichtbar. Auch die SPD-Fraktion begrüßte den Plan und hob die Bedeutung der Kinderbetreuung für die Gesellschaft hervor. "Die letzten Wochen haben den Familien viel abverlangt", sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. "Was unsere Kitas im Alltag leisten, konnten jetzt alle sehen: Sie sind für unsere Gesellschaft unverzichtbar".
Auch CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt lobte den Plan der Ministerin. "Wenn die Infektionszahlen weiterhin stabil bleiben, muss die Landesregierung zügig weitere Lockerungen beschließen", forderte er. Darüber wollte die Regierung am Dienstag beraten.