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Land will Kommunen beim Kohleausstieg eng einbeziehen

Nicht am grünen Tisch, sondern mit den Menschen aus dem Mitteldeutschen Revier soll der Kohleausstieg umgesetzt werden. Bis 2038 gibt es noch viel zu tun.

24.08.2020, 16:25

Sangerhausen (dpa/sa) - Das Land Sachsen-Anhalt will den Strukturwandel beim Kohleausstieg im engen Dialog mit den Kommunen und den Menschen aus dem Mitteldeutschen Revier stemmen. Dabei gelte es, keine Zeit zu verlieren. "Wir müssen schnell konkret werden", sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Montag bei einem ersten Treffen mit rund 50 Bürgermeistern und Landräten in Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz).

Entscheidend sei, dass die Vorhaben nicht am grünen Tisch, also in einem rein bürokratischen Verfahren, beschlossen würden. Sie sollten vor Ort und im Gespräch mit den Menschen im Revier entwickelt werden. Ziel sei es, dauerhaft Arbeitsplätze zu schaffen, sagte der Regierungschef. "Das Revier muss sich auf vielen Säulen entwickeln", sagte er. Nach Angaben von Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) setzt das Land auf Neuansiedlungen, mehr Forschung und Entwicklung.

In Sachsen-Anhalt hängen derzeit noch Tausende Arbeitsplätze von der Braunkohle ab. Das Unternehmen Mibrag hat im Landessüden in Teuchern bei Zeitz (Burgenlandkreis) seinen Sitz. Es fördert Braunkohle im Mitteldeutschen Revier aus den Tagebauen Profen (Burgenlandkreis) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen). 2019 wurden nach Unternehmensangaben rund 14 Millionen Tonnen Rohbraunkohle aus der Erde geholt.

Rund 400 Vorschläge zum Strukturwandel seien aus den Regionen beim Land eingegangen, daraus seien 40 konkrete Projekte geworden, erklärte Haseloff. Dazu gehörten Vorhaben der Stadtsanierung, um die Kommunen für Ansiedlungen attraktiver und lebenswerter zu machen, Ideen zur Nutzung von Industriebrachen oder Digitalisierungsvorhaben. Haseloff zufolge wird das Land die vom Kohleausstieg betroffenen Kommunen bei der Projektarbeit vor Ort personell sowie finanziell unterstützen.

So sind im Landeshaushalt 50 zusätzliche Stellen vorgesehen, für die Jahre 2020/2021 außerdem die komplette Übernahme des finanziellen Eigenanteils bei Vorhaben der Kommunen. Nach dem gleichen Schema sollen auch die Folgejahre gestaltet werden, sagte Haseloff. Zuvor hatte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur angekündigt, dass im Süden Sachsen-Anhalts nächstes Jahr die ersten großen Projekte beginnen, die mit den Kohle-Milliarden des Bundes finanziert werden. Geplant sei unter anderem ein Zentrum für Bioökonomie in Leuna (Saalekreis).

Deutschland will bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Verstromung von Braunkohle aussteigen. Im Gegenzug bekommen die betroffenen Kohlereviere in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen insgesamt bis zu 40 Milliarden Euro, um den Wegfall des wichtigen Wirtschaftsfaktors zu kompensieren. Auf Sachsen-Anhalt entfallen bis zu 4,8 Milliarden Euro, von denen das Land jedes Jahr 84 Millionen selbst verplanen kann. Über alle weiteren Projekte entscheidet der Bund.

Am Donnerstag wird den Angaben nach das Bund-Länder-Gremium gegründet, das die Verteilung der Kohle-Milliarden koordiniert. Bei dem Termin will der Bund die ersten Finanzierungszusagen geben, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Zudem sollten die Länder die Vorhaben präsentieren, die sie mit ihrem frei verfügbaren Geld umsetzen wollen.

Nach Angaben von Umweltministerin Dalbert (Grüne) soll in ihrem Ministerium zum Beispiel ein "kleines, aber schlagfertiges Referat" aufgebaut werden, um den Kohleausstieg zu begleiten. Mitarbeiter des Landes sollen vor Ort im Revier tätig sein. Der Bürgermeister von Teuchern (Burgenlandkreis), Marcel Schneider (parteilos), sagte, es dürfe sich beim Kohleausstieg nicht das wiederholen, was nach 1990 passiert sei. Damals kehrte eine ganze Generation dem Land den Rücken und baute sich im Westen eine Existenz auf.

Angesichts des Strukturwandels in Ostdeutschland wurden aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen Fabriken stillgelegt und die Braunkohleförderung in Bitterfeld (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) und im Geiseltal (Saalekreis) wurde eingestellt. Fast zeitgleich endete der Kupferbergbau um Sangerhausen nach 800 Jahren. Zehntausende Menschen verloren ihre Jobs. Hoffnungen auf mehr Beschäftigung sind bis heute auch mit dem Tourismus im Südharz und im Burgenlandkreis verbunden.

Zahlen und Fakten des Braunkohleförderers Mibrag

Der Landkreis Mansfeld-Südharz