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Mann wegen Straßenbahnattacken vor Gericht: Drogeneinfluss?

Mehrere Menschen werden in der Bahn und an einer Haltestelle brutal geschlagen. Die Polizei gibt Versäumnisse bei den Ermittlungen zu. Nun arbeitet die Justiz die Attacken auf.

Von Dörthe Hein, dpa 06.08.2019, 16:18

Magdeburg (dpa/sa) - Ohne Anlass soll er in einer Straßenbahn und an einer Haltestelle drei Menschen angegriffen haben: Seit Dienstag steht ein 34 Jahre alter Mann wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Magdeburg. Der in Hand- und Fußfesseln vorgeführte, kleingewachsene Mann mit dunklem Vollbart und spärlichem Haupthaar gab an, sich nicht an die Taten erinnern zu können. Er sagte, er habe vor den Taten im April Marihuana und Haschisch konsumiert.

Laut Anklage soll der Mann im April an einer Haltestelle in Magdeburg einem Mann grundlos mindestens dreimal wuchtig mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Das Opfer erlitt blutende Verletzungen an Mund und Nase. Eine Woche später soll der Angeklagte einer jungen Frau, die mit Kopfhörern Musik hörte, in einer Bahn einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und ihr damit den Augenhöhlenboden und die Nase gebrochen haben. Einen Zeugen soll er so lange geschlagen und getreten haben, bis andere eingriffen. Der Mann syrischer Nationalität war zuvor bereits wegen ähnlicher Vorfälle in Nordrhein-Westfalen aufgefallen.

Der 34-Jährige gebe die Taten zu, könne über seine Motive aber nichts sagen, erklärte die Verteidigerin. "Die Taten tun ihm unheimlich leid." Die Vorsitzende Richterin Claudia Methling sagte, es liege ein Gutachten zum Drogenkonsum vor, für das die Haare untersucht worden seien. "Daraus ergibt sich, dass überhaupt keine Substanzen nachgewiesen werden konnten", sagte Methling. Über eine Stunde lang wurde der Angeklagte zu seiner persönlichen Vorgeschichte und dem möglichen Drogenkonsum befragt. Dennoch blieb vieles im Unklaren.

Die junge angegriffene Frau, die zum Tatzeitpunkt mitten in den Abiturprüfungen stand, sagte am Dienstag als erste Zeugin aus. Sie berichtete, dass sie vor der Tat in der Bahn gesessen, aus dem Fenster geschaut und Musik gehört habe. Sie sei aus heiterem Himmel angegriffen worden, habe plötzlich die Schmerzen gespürt. Mehrere Tage blieb sie im Krankenhaus, die Schmerzen habe sie wochenlang gehabt. Bis heute nehme sie noch Antibiotika und spüre die Folgen, etwa bei Erschütterungen beim Fahrradfahren.

Der Angeklagte richtete über seinen Dolmetscher persönliche Worte an die junge Frau: "Ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen entschuldigen." Er bitte sie aber zu verstehen, dass er unter Drogen gestanden habe. Der Angeklagte vermied dabei den Blickkontakt zu seinem Opfer.

Auch ein junger Mann, der unmittelbar nach der jungen Frau angegriffen worden war, sagte als Zeuge aus. Er sei ohne Vorwarnung im Sitzen angegriffen, geschlagen und später am Boden liegend getreten worden. Zuvor habe er die Verletzte gesehen und etwas gerufen wie "Spinnst du?!". Er habe schließlich von dem Täter weggezogen werden müssen, weil dieser nicht vom ihm abließ.

Neben einem Bruch an der Stirn, Platzwunden und Prellungen brachen dem 19-Jährigen mehrere Zähne ab. Bis heute leidet er unter gesundheitlichen und psychischen Beeinträchtigungen. Ein geplantes Staatsexamen werde er um ein halbes Jahr verschieben, weil die Belastung zu hoch sei. Auch an den jungen Mann richtete der Angeklagte eine Entschuldigung.

Die Polizeiführung hatte nach den Taten im April schwere Ermittlungsfehler eingeräumt. Es hatte sich etwa nach dem Vorfall im Krankenhaus niemand aktiv nach der Schwere der Verletzungen der beiden Opfer erkundigt. Die Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeschaltet und die nötigen Ermittlungen nicht sofort in Gang gesetzt, wie die Polizeiführung Anfang Mai eingeräumt hatte.

Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur zu den Konsequenzen für die Polizei teilte die Polizeiinspektion Magdeburg am Dienstag mit, es habe umfangreiche Auswertungen auf allen innerpolizeilichen Ebenen gegeben. Die Erkenntnisse seien der Fachhochschule der Polizei zur Verfügung gestellt worden und würden in die Lehrpläne integriert.

Zudem hätten sich Führungskräfte im persönlichen Gespräch bei den Opfern und ihren Angehörigen für die Defizite des Polizeieinsatzes entschuldigt. Die Organisation sei außerdem so verändert worden, dass in ähnlichen Fällen zeitnah alle erforderlichen kriminalpolizeilichen Ermittlungsschritte eingeleitet werden würden. Personelle oder disziplinarrechtliche Konsequenzen seien nicht nötig gewesen.

Für den Prozess sind vier weitere Verhandlungstermine bis zum 29. August angesetzt.

Terminübersicht des Landgerichts Magdeburg mit Details zum Prozess

Mitteilung des Polizeireviers Magdeburg vom 29. April 2019