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Sachsen-Anhalt schult 2600 Polizisten für Terrorlagen

Wenn in einer Stadt Terroralarm ausgelöst wird, muss die Polizei ausschwärmen, um das Schlimmste zu verhindern. Darauf werden Beamte in Sachsen-Anhalt in Schulungen vorbereitet. Ihr Wissen mussten einige schon anwenden.

11.11.2020, 14:30
Karl-Josef Hildenbrand
Karl-Josef Hildenbrand dpa

Magdeburg (dpa/sa) - In Sachsen-Anhalt haben bisher 2600 Polizistinnen und Polizisten eine Spezialausbildung für lebensbedrohliche Lagen wie Terroranschlage durchlaufen. Diese Coachings gibt es seit 2018, wie ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch sagte. In diesem Jahr sei die Weiterbildung der Beamten durch die Corona-Krise ins Stocken geraten. Der Grund: Bei der Ausbildung gebe es viele Situationen mit Körperkontakt. Außerdem werde viel Schulungspersonal gebraucht.

Insgesamt gibt es rund 6000 Polizeibeamte im Land. Nicht alle von ihnen bräuchten das Spezialtraining, weil sie nicht in lebensbedrohliche Lagen kommen könnten, sagte der Ministeriumssprecher. Als Beispiel nannte er Kriminalpolizisten oder Verwaltungsbeamte.

Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es an der Fachhochschule der Polizei ein sogenanntes Amok-Training. Dort lernen Nachwuchspolizisten, wie sie bei Einsätzen mit bewaffneten Tätern vorgehen sollen. Zuvor hatte die "Mitteldeutsche Zeitung" über den Stand der Ausbildung berichtet.

Beim Terroranschlag von Halle am 9. Oktober 2019 konnten zwei Beamte auf ihr Wissen aus der Spezialausbildung zurückgreifen. Das sagten die 33 Jahre alte Frau und ihr gleichaltriger Kollege Mitte September als Zeugen im Terrorprozess vor dem Oberlandesgericht aus. Ihr Streifenwagen stellte den schwer bewaffneten Attentäter nach den Attacken auf die Synagoge und den Döner-Imbiss.

Es kam zu einem Schusswechsel auf etwa 50 Meter Distanz, bei dem der Täter durch einen Schuss des 33-Jährigen am Hals verletzt wurde. Sie sei sehr dankbar, dass sie die Ausbildung durchlaufen habe, in der solche Szenarien durchgespielt worden seien, sagte die Polizistin aus. Ein dritter Kollege, der beim Schusswechsel dabei war, hatte die Spezialausbildung nicht. Er erlitt einen Schock und kann wegen der psychischen Folgen des Tattags laut eigener Zeugenaussage im Prozess nicht mehr im Streifendienst eingesetzt werden.

Bei dem rechtsextremen und antisemitischen Anschlag hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die mit mehr als 50 Gläubigen besetzte Synagoge einzudringen. Als das misslang, erschoss er eine Passantin und tötete bei einem Angriff auf einen nahen Dönerladen einen jungen Mann. Auf seiner Flucht verletzte er weitere Menschen, ehe er gefasst wurde. Der 28 Jahre alte Angeklagte Stephan Balliet gestand die Taten.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kritisierte, dass das Land nicht alle Beamten für Terrorlagen schulen will. Bis auf die innere Verwaltung und einige Spezialbereiche sollten alle Beamten qualifiziert werden, sagte DPolG-Landeschef Olaf Sendel der "Mitteldeutschen Zeitung". Seinen Berechnungen zufolge müssten 4000 Polizisten die Ausbildung bekommen. Begründung: Bei Anschlägen müssten alle auf die Straße, die gerade im Dienst seien.

Bericht der Mitteldeutschen Zeitung