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Steuerschätzung: Sachsen-Anhalt fehlen 1,16 Milliarden Euro

Jahrelang kannten die Steuereinnahmen nur eine Richtung: nach oben. Doch mit der Corona-Krise sind diese Zeiten vorbei. Sachsen-Anhalt droht einer neuen Schätzung zufolge ein Milliardenloch im Haushalt.

14.05.2020, 17:58
Peter Gercke
Peter Gercke dpa-Zentralbild

Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalt plant bisher, 12,244 Milliarden Euro in diesem Jahr auszugeben - doch fast jeder zehnte Euro könnte der aktuellen Steuerschätzung zufolge fehlen. Für dieses Jahr sei mit Mindereinnahmen von 1,162 Milliarden Euro zu rechnen, sagte Finanzminister Michael Richter (CDU) am Donnerstag und berief sich auf die neusten Berechnungen. Damit fällt das Minus durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch größer aus als befürchtet. Bisher war Richter von 800 bis 900 Millionen Euro weniger ausgegangen. Für das kommende Jahr rechnen die Steuerexperten mit einem Minus von 500 Millionen Euro für das Land. Damit endet eine jahrelange Phase mit schnell wachsenden Steuereinnahmen.

Die Kommunen kommen in diesem Jahr der Prognose zufolge etwas glimpflicher davon. Die Steuerschätzer rechnen damit, dass die Städte und Gemeinden 209 Millionen Euro weniger einnehmen als geplant. Damit fällt die Aussicht für die Kommunen deutlich weniger düster aus als von den Spitzenverbänden prognostiziert. Auf Grundlage einer Schätzung des Deutschen Städtetags hatte der Städte- und Gemeindebund in Sachsen-Anhalt das Minus auf 500 Millionen Euro geschätzt. "Das gibt die Steuerschätzung nicht her", sagte Richter.

Die Steuerschätzer errechneten ihre Prognose auf der Annahme, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 6,3 Prozent schrumpft. Zudem werden viele Steuern gestundet. Allein für Sachsen-Anhalt bedeuten die ausgesetzten Steuern laut Prognose ein Minus von 220 Millionen Euro. Ob und wie viel der gestundeten Steuern im Jahr 2021 gezahlt werden, ist schwer zu prognostizieren. Die Steuerschätzer gehen aber davon aus, dass 90 Prozent zurückfließen und sich die Wirtschaft deutlich erholt. Für Bund, alle Länder und Kommunen sagt die Mai-Prognose insgesamt 98,6 Milliarden Euro weniger Einnahmen voraus, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag mitteilte.

Wie geht Sachsen-Anhalt jetzt mit dem großen Steuerloch um? Richter will dazu am Dienstag mit dem schwarz-rot-grünen Kabinett beraten und erste Ergebnisse im Anschluss vorstellen. Aus seiner Sicht sollte das Land weiter auf Sicht fahren. "Wir sind liquide als Land und haben rechtlich die Möglichkeit, den Haushaltsausgleich auch erst am Jahresende zu machen." Heißt übersetzt: Richter ist dagegen, jetzt einen Nachtragshaushalt aufzulegen - und sich schon auch auf weitere neue Schulden festzulegen.

Erst Anfang April hatte Sachsen-Anhalt auf seinen ursprünglich 11,8 Milliarden Euro schweren Jahresetat 500 Millionen Euro oben drauf gepackt, um die negativen Folgen der Corona-Pandemie mit Soforthilfen, zusätzlichem Geld für die Krankenhäuser und weiteren Leistungen abzufedern. Weil die schwarz-rot-grüne Koalition schon vor der Krise alle Rücklagen für schlechte Zeiten für Wunschprojekte verplant hat, musste Sachsen-Anhalt für den Corona-Aufschlag schon neue Kredite aufnehmen und auf die Tilgung des 20 Milliarden Euro schweren Altschuldenbergs verzichten. Kritiker, wie Landesrechnungshofchef Kay Barthel, warnten schon seit Jahren vor dem Risiko, bei besten Steuereinnahmen die Rücklagen für schlechte Zeiten zu plündern. Jetzt sind die schlechten Zeiten da.

Seine Strategie, auf Sicht zu fahren, begründet Richter auch damit, dass die Steuerschätzung mitten in der Corona-Pandemie als unsicher gilt. Deswegen solle es erstmals überhaupt im September eine zusätzliche Steuerschätzung geben. Eigentlich wird nur im Mai und im November gerechnet. "Mit der Interimssteuerschätzung soll geprüft werden, ob die jetzigen Annahmen zutreffend sind."

Spätestens ab 2021 gebe es für die Haushaltspolitik des Landes aber "erheblichen Handlungsbedarf", sagte Richter. "Wir müssen uns die Frage stellen, was wir uns eigentlich noch leisten können." Dabei gehe es nicht um Akut-Hilfen in der Corona-Krise, sondern um grundsätzliche Ausgaben. Welche Posten er damit meint, ließ er offen und verwies auf die anstehende Debatte der Landesregierung.

Die Koalition hatte besonders lange um die Ausgaben für den letzten Doppelhaushalt vor der Landtagswahl nächsten Sommer gerungen. Erst im letzten Moment wurden etwa Gelder für die lange geforderte Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeiträge für Anlieger oder das von der Wirtschaft eingeforderte verbilligte Nahverkehrsticket für Auszubildende freigegeben. Ob diese Pläne nach der neuen Steuerschätzung alle bestehen bleiben, ist offen.