Viele Ausnahmen: Erste Details zu Teil-Lockdown
Kritiker finden den befristeten Teil-Lockdown unangebracht: Weder in Restaurants noch in Hotels gibt es viele Corona-Infektionen; die Landesregierung erklärt, warum sie trotzdem schließen müssen.
Magdeburg (dpa/sa) - Der am Mittwoch vereinbarte Teil-Lockdown wird in Sachsen-Anhalt nicht so viele Bereiche betreffen wie die Beschränkungen im Frühjahr. Neben Schulen und Kitas sollen auch andere Bildungsstätten sowie bestimmte Dienstleister während der befristeten Einschränkungen offen bleiben. Dies teilte die Landesregierung am Donnerstag nach einer Sondersitzung des Kabinetts mit.
"Alles mit Schule im Namen darf offen bleiben", sei die Faustregel am Kabinettstisch gewesen, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), etwa Fahrschulen und Musikschulen. Auch Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und Seniorenbegegnungsstätten sollten geöffnet bleiben, da habe man aus dem Frühjahr gelernt. Auch alle Dienstleistungsbetriebe der Körperpflege wolle man weiterarbeiten lassen, sagte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Dazu gehörten Kosmetiker ebenso wie Sonnenstudios und Fußpflege-Angebote. Geschlossen würden aber Theater, Museen, Konzerthäuser, Gedenkstätten, Freizeitparks und Kinos.
Am Donnerstag waren die Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt weiter gestiegen, das Gesundheitsministerium meldete 222 neue Coronavirus-Infektionen. Damit stieg die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner an den vergangenen sieben Tagen von Mittwoch- bis Donnerstagnachmittag von 44,51 auf 48,71, wie das Ministerium in Magdeburg mitteilte. In Magdeburg wurde mit einem Wert von 101,87 die bislang höchste sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz in Sachsen-Anhalt erreicht. Am niedrigsten lag der Wert mit 9,99 in der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau.
Haseloff, Grimm-Benne, Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und der Chef der Staatskanzlei, Rainer Robra, äußerten auf einer Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung Verständnis für die Enttäuschung der betroffenen Betriebe. "Es ist ein Jammer, es wird sehr viele Unternehmen treffen, die sich in den letzten Monaten an erstklassige Hygienekonzepte gemacht haben", sagte Willingmann. Grimm-Benne betonte, dass sich die Gastronomie vorbildlich verhalten habe, das hätten auch Kinos und Theater, ergänzte Robra.
Robra erklärte die Schließung der Bereiche, von denen die meisten nicht durch besonders viele Infektionen aufgefallen waren, mit einem Paradigmenwechsel in der Bund-Länder-Runde, die sich auf den Teil-Lockdown geeinigt hatte. So habe das tatsächliche Infektionsgeschehen in den Bereichen bei der Entscheidung nicht die Hauptrolle gespielt. Man habe sich aber auf Bereiche geeinigt, in denen sich viele Menschen treffen oder die viele Menschen dazu bringen, ihre Wohnungen zu verlassen.
Robra, der im Kabinett für Kultur zuständig ist, rief Künstler und Kulturschaffende auf, die ihnen zustehenden Hilfen in Anspruch zu nehmen. Wie genau die aussehen, hänge noch von der Ausgestaltung der Bundeshilfen ab, die derzeit die Bundesregierung noch ausarbeitet. Willingmann rechnet auch hier mit einem Paradigmenwechsel. So sollen die Hilfen anders als im Frühjahr nicht von den Fixkosten der Betriebe abhängen, sondern von ihren Umsatzeinbußen. "Im Grunde deutet sich nun etwas an wie ein Unternehmerlohn oder ein Lebenshaltungszuschuss."
Willingmann kündigte auch an, die am Donnerstag vorgestellten Ergebnisse der Studie "Restart 19" in seinem Ministerium auszuwerten, um nach dem Teil-Lockdown wieder Veranstaltungen zu ermöglichen. Die Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass Veranstaltungen in Hallen grundsätzlich möglich seien, sofern die Hallen eine gute Belüftungstechnik haben. Grundlage für die Studie war ein Konzert-Experiment im Sommer in Leipzig mit Tim Bendzko. Dabei wurden von den rund 1400 freiwilligen Teilnehmern Daten erhoben.
Neben den betroffenen Branchen hatten auch Politiker die Beschlüsse vom Mittwoch kritisiert. Die Linke zweifelte am Donnerstag die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen an, auch die AfD übte scharfe Kritik. Beide Oppositionsparteien forderten eine Sondersitzung des Landtags, die AfD-Fraktion beantragte schließlich eine Sondersitzung. Die kündigte dann auch Haseloff an, gemeinsam mit einer Regierungserklärung. Neben der Opposition hatten auch Vertreter der Regierungsfraktionen wie Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann gefordert, den Landtag stärker in die Corona-Politik einzubinden.