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Leichtathletik Anna Rüh vom SCM kämpft gegen die Stagnation

Anna Rüh vom SC Magdeburg will die Stagnation in ihren Leistungen beenden und den Diskus wieder weit werfen.

Von Daniel Hübner 17.02.2019, 00:01

Magdeburg l Sie ist 1,85 Meter groß, sie ist schlank. Eine hübsche junge Frau. Beim Treffen mit Anna Rüh am Donnerstagmorgen im Kraftraum der Magdeburger Leichtathletikhalle schießt einem unweigerlich ein Gedanke in den Kopf: Eigentlich könnte sie auch Model werden. Aber Anna Rüh vom SCM will gar kein Model sein. Anna Rüh will den Diskus werfen, und zwar weit genug, um erstens an der Weltmeisterschaft im Frühherbst in Doha (Katar) teilzunehmen und zweitens das Finale der Olympischen Spiele 2020 in Tokio (Japan) zu erreichen. Sie sagt: „Diskuswerfen ist meine absolute Leidenschaft. Ich möchte erfolgreich sein, wieder erfolgreich werden. Und ich möchte den Sport noch einige Jahre machen.“

In den vergangenen Jahren hat sie dieser Sport allerdings oft genug auf eine harte Probe gestellt. Der weiteste Wurf (66,14 Meter) ihrer Karriere im Mai 2015 in Wiesbaden war zugleich das letzte große Erfolgserlebnis. Am schlimmsten traf es sie 2016, ebenfalls im Mai, als sie wegen einer akuten Magenschleimhaut-Entzündung ausfiel. Mediziner erklären Krankheiten auch in Zahlen: Der Entzündungswert bei Rüh lag bei 90, normal sind 5. „Ein Arzt hat mir gesagt: ,Das war kurz vor einem Loch im Magen.‘“ Und letztlich „hat mir die Geschichte alles versaut“. Wie den Start bei den Sommerspielen in Rio.

Aber dieser Magen will nun gefüllt werden, täglich und regelmäßig. „Ich habe keine Probleme mehr“, sagt Anna Rüh. Und sie ist da ganz Model, wenn sie lächelnd berichtet: „Ich stelle mich nicht ständig auf die Waage, ich will mir den Tag nicht verderben.“ Sie ist aber eben ganz Leistungssportlerin, wenn sie beeindruckend nüchtern und sachlich erklärt: „Um richtig weit zu werfen und in der Spitze mitzumischen, fehlen mir mindestens zehn Kilo. Dann wäre auch jetzt alles ein bisschen leichter, mir fällt gerade nicht alles zu.“

Zehn Kilo mehr würde man Anna Rüh nicht einmal ansehen. Aber es ist schwierig: Ihre Eltern, ebenfalls groß und schlank, haben ihr keine Körperkonstitution in die Wiege gelegt, in der Masse leichtes Spiel hat. Im Gegenteil. „Ich habe einen sehr guten Stoffwechsel“, meint sie lächelnd.

Sie isst sich regelmäßig satt. Sie verzehrt Quark und Proteindrinks. Aber sie setzt sich damit auch unter Druck. Ihren ersten Wettkampf in der neuen Saison hat sie am 24. Mai beim Solecup in Schönebeck. Erst. Anna Rüh sagt: „Gefühlt ist es für mich schon morgen. Die Zeit vergeht so schnell.“ Vor allem, wenn sie von einem Trainingslager in Nikosia (Zypern) zum anderen in Belek (Türkei) zieht. Und nicht zuletzt wegen des Ziels, an Gewicht zuzulegen: „Weil ich es muss, weil ich es von mir erwarte.“

In Sachen Druck und Erwartungshaltung hat sie nicht nur in dem Diskus-Hünen und Verlobten Martin Wierig Beistand gefunden, sondern auch in Hans-Ulrich Wilms, einem Sportpsychologen aus Leipzig, den sie einmal im Monat aufsucht, um zu reden. „Er hilft mir sehr“, sagt die 25-Jährige. Womöglich hat sie bei ihm auch gelernt, Ziele nicht mehr nach Weite zu formulieren. Sondern ausschließlich nach Höhepunkten. Anna Rüh muss in diesem Jahr 61,20 Meter als WM-Norm vorlegen. Und sie muss wieder unter die besten Drei bei den nationalen Titelkämpfen am 3./4. August im Berliner Olympiastaion kommen – dann ist der Weg nach Doha geebnet.

2018 war sie die konstanteste Werferin in der deutschen Konkurrenz, zur Heim-Europameisterschaft in der Bundeshauptstadt fehlten ihr allerdings acht Zentimeter. „Das war extrem frustrierend“, erinnert sich Rüh. Dabei war „ich Trainingsweltmeister, hatte in Einheiten über 65 Meter geworfen, hatte ein sehr gutes Grundniveau. Aber ich konnte es im Wettkampf nicht umsetzen. Ich bin unter meinen Möglichkeiten geblieben.“ Ihr Saisonbestwert: 62,66 Meter.

Trainingsweiten sind allerdings relativ, das weiß sie aus Erfahrung. 2017 kam sie in keiner Einheit über 60 Meter und legte dann 63,90 Meter in Halle vor. Im Januar, ebenfalls in Halle, kam sie auf 54 Meter und hat sich gefragt: „Wofür trainiere ich überhaupt? Das ist gar nichts.“ Rüh betont: „Es muss für mich nicht jede Woche aufwärts gehen, aber zurückfallen will ich auch nicht.“ Und stagnieren sowieso nicht.

Zu ihrem mentalen Training gehört seit dieser Woche auch die Gartenarbeit. Sie hat die ersten Blumen gepflanzt. „Jetzt ist es schön und bunt, man fühlt sich wohl und kommt gerne nach Hause.“ Überhaupt sagt Anna Rüh: „Privat bin ich sehr glücklich.“ Das ist eigentlich die größte Motivation.