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Fußball DFB-Pokal Petersen gegen Petersen

Großes Spiel für Germania Halberstadt am Sonnabend: Trainer Andreas Petersen spielt gegen Sohn Nils, der beim SC Freiburg kickt.

Von Florian Bortfeldt 11.08.2017, 01:01

Halberstadt l Das operierte Knie ist blau und dick angeschwollen. Andreas Petersen, Trainer von Germania Halberstadt, würde dieser Tage gern etwas kürzertreten. Aber das klappt nicht. Es geht um das wichtigste Spiel seiner Karriere – und in der Geschichte seines Vereins. Der seit Wochen gefragte Regionalliga-Trainer schleppt sich tapfer die Stufen zur Tribüne des Friedensstadions hinauf, wo schon wieder zwei Kamerateams auf ihn warten. „Es gibt definitiv bessere Momente, sich ein künstliches Kniegelenk einsetzen zu lassen“, witzelt der 57-Jährige trotz allem gutgelaunt.

Seit dem 11. Juni stehen bei Andreas Petersen die Telefone nicht mehr still. In der Auslosung zur ersten Runde des DFB-Pokals wurde den Halberstädtern der SC Freiburg mit Bundesligastürmer und Trainersohn Nils Petersen zugelost.

Ziemlich einmalig in der Geschichte des DFB-Pokals ist dieses „Familien-Duell“. Hinzu kommt: Dort, wo der Vater heute Cheftrainer ist, kickte Petersen junior dreieinhalb Jahre in der Jugend. Bis heute bilden Vater und Sohn ein unzertrennliches Gespann. „Wir telefonieren und schreiben täglich. Ich verfolge seine Spiele, er meine“, sagt Andreas Petersen. Die Auslosung, mit der der ganze Trubel begann, guckten die beiden sogar gemeinsam – in der Germania-Geschäftsstelle. 1:32 standen die Chancen auf die Vater-Sohn-Paarung. Sie sollte wirklich eintreten und Coach Petersen stand nach eigenem Bekunden „Pipi in den Augen“.

Nicht zu vergessen neben dem medialen Petersen-Hype: Für den soeben in die Regionalliga aufgestiegenen Verein aus Halberstadt ist es die erste Teilnahme am Pokalwettbewerb. „Eine Riesen-Chance, zu zeigen, was für ein geiler Verein wir sind“, findet Germanias sportlicher Leiter Kevin Meinhardt.

Oberbürgermeister Andreas Henke hat sich vorsorglich schon mal den roten Fan-Schal umgelegt. Er ist sich sicher: „Bei diesem Spiel schauen sehr viele Menschen auf unsere Stadt. Wir wollen uns bestmöglich präsentieren.“

Neben der moralischen Unterstützung sind in diesen Tagen auch viele fleißige Hände erforderlich, um die Organisation stemmen zu können. Die sattgrüne Spielfläche des Friedensstadions könnte nicht besser aussehen. „Düngen, schneiden, wässern. Wir liegen voll im Zeitplan“, sagt der Bereichsleiter Hallen und Plätze, Bernd Kischel.

Fan-Beauftragter Jens Pforte hat seine Hausaufgaben schon gemacht. Die Bus-Anreise der rund 750 Freiburg-Fans ist koordiniert, die Tickets an die Germania-Fans sind verteilt. Zudem, so verrät er, dürfe man sich auf eine besondere Choreo der Ultras freuen. „Sie haben sich zu ihrem 15-jährigen Bestehen was einfallen lassen.“ Auf der Geschäftsstelle laufen die Planungen seit Wochen auf Hochtouren. Nach dem Einbau von zwei mobilen Tribünen finden am Sonnabend bis zu 6000 Zuschauer im Friedensstadion Platz. Der übertragende Sender Sky schickt 70 Mitarbeiter. Hunderte Meter Kabel und die sonstige Technik kommen mit drei Trucks im Vorharz angerollt.

Mindestens 400 VIP-Gäste werden in einem eigens errichteten Zelt versorgt. Einen Vorgeschmack auf Sonnabend gibt es bei der Abschluss-Pressekonferenz am heutigen Freitag. Der Pressebereich könnte dann erstmals aus allen Nähten platzen. Beim Spiel sind hundert Ordner im Einsatz – dreimal so viele wie im regulären Liga-Betrieb. Ein mulmiges Gefühl bleibt: Wenn zu viele Leute mit dem Auto kommen, könnte es mit den Parkplätzen eng werden, prophezeit Kevin Meinhardt. Deshalb, so der Appell an die Fans, bitte möglichst Bahn und Bus benutzen.

Für die gesamte Organisation der Erstrundenpartie muss der Verein kräftig investieren. Der DFB stellt knapp 160.000 Euro zur Verfügung. Nach Abzug aller Kosten und eines sogenannten Solidaritätsbeitrages könnte, so verlautet aus Vereinskreisen, ein fünfstelliger Betrag übrigbleiben. Alles in allem kein schlechtes Zubrot für den Regionalligisten. Über 300.000 Euro Antrittsgeld könnten noch hinzukommen, wenn Germania den Bundesligavertreter ausschaltet.

„Auf dem Papier sind wir ganz klar unterlegen. Aber wir werden alles geben. Und wenn der Matchplan aufgeht, haben wir definitiv eine Chance“, sagt Andreas Petersen. Die Strategie für das Spiel ist natürlich geheim. Fest steht: Er kennt den SC – auch durch Nils – aus dem Effeff, mit Trainer Christian Streich tauscht er sich regelmäßig aus.

Für den gebürtigen Wernigeröder Nils Petersen ist die Sache ganz klar. „Wir werden gewinnen“, sagt der Bundesliga-Angreifer (124 Spiele/39 Tore), der nach den Profi-Stationen in Jena, Cottbus, München und Bremen beim Sportclub in Freiburg heimisch geworden ist. Dass er seine Wurzeln im Harz nie vergessen hat, bestätigen Mitstreiter und ehemalige Weggefährten.

Uwe Gabler ist einer davon. 1994 trainierte der Darlingeröder gemeinsam mit Bernd Both die F-Junioren des 1. FC Wernigerode. Als er nach Halberstadt wechselt, folgen ihm einige junge Talente, darunter Nils Petersen. „Spielerisch war er immer schon gut veranlagt, hatte zudem den Torriecher, war mitunter aber etwas lauffaul“, erinnert sich Gabler. Andreas Petersen sei schon damals Nils‘ größter Förderer gewesen, Vater und Sohn hätten immer stundenlang über Trainingsinhalte philosophieren können.

Gabler hat bis heute mit dem Bundesliga-Kicker zu tun. Er ist verantwortlich für alle Versicherungsangelegenheiten des früheren Schützlings. „Er ist Everybodys Darling“, beschreibt er ihn, „als Profi ist er wohl manches Mal zu lieb.“

Petersen findet ähnliche Worte. „Uwe hat viel dazu beigetragen, dass ich in Halberstadt den nächsten Schritt gehen konnte.“

Ausgesprochen gut sind auch die Erinnerungen Petersens an Thomas Waldow. Beim VfB Germania Halberstadt ist der heutige Geschäftsstellenleiter und Chef des Nachwuchsleistungszentrums eine Institution. 2002 war er der C-Jugend-Trainer von Nils Petersen. Auch er kann sich nur an Positives erinnern: Nils war aufmerksam, zuverlässig, wollte Dinge sofort umsetzen und war absolut fokussiert auf den Fußball.“

Ein weiterer Weggefährte wird Nils am Sonnabend im Friedensstadion direkt gegenüberstehen: Florian Beil. Nur knapp sechs Wochen jünger als Nils ist er. Beiden Spielern ist gemeinsam: das ruhige Naturell und die fußballerische Ausbildung. Beil und Petersen bildeten zu C-Junioren-Zeiten unter Waldow das Stürmerduo in Halberstadt. Gefürchtet in ganz Sachsen-Anhalt. Beil: „Wir haben uns gegenseitig ergänzt und die Tore aufgelegt. Er hatte bestimmt 25 Treffer und 20 Torvorlagen, bei mir waren es 25 Torvorlagen und 20 Treffer. Das war fast jedes Wochenende ein Schützenfest.“ Nach der C-Jugend trennten sich die Wege. Hat Nils etwas anders gemacht? „Er war vielleicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Faktoren sind vielfältig“, sagt Florian Beil.

Wenn das Spiel am Sonnabend um 15.30 Uhr angepfiffen wird, muss, neben allem Enthusiasmus, einer besonders vorsichtig sein: Andreas Petersen. Normalerweise ist der Germania-Trainer an der Linie ständig in Bewegung. „Der Co-Trainer wird das diesmal übernehmen“, sagt der 57-Jährige. Gesetzt den Fall, der Underdog aus Sachsen-Anhalt würde den Bundesligaclub in die Knie zwingen, ist das neue Kniegelenk aber in Gefahr. „Dann“, so Andreas Petersen, „könnte ich für nichts garantieren.“