Fußball-EM Wales schickt Russland nach Hause
Wales schießt mit Tempo-Fußball ein schwaches Russland aus der EM und sich selbst ins Achtelfinale. Russlands Coach denkt an Abschied.
Toulouse l Gareth Bale spritzte vor Freude mit seiner Wasserflasche umher. Der Superstar ließ kleine Fontänen in die Luft steigen, ehe er mit seinem walisischen Kollegen vor 15.000 jubelnden Fans die dicke EM-Überraschung feierte. Mit großem Offensivschwung ist Debütant Wales als Gruppensieger noch vor dem großen Nachbarn England ins Achtelfinale gestürmt. Durch den 3:0- (2:0)-Erfolg gegen Russland schmiss die walisische Fußball-Nationalmannschaft am Montag in Toulouse zudem das enttäuschende und sieglose Team des nächsten WM-Gastgebers aus dem Wettbewerb.
"Das fühlt sich unglaublich an. Das war die beste Leistung der Mannschaft, seit ich in ihr spiele. Wir sind jetzt Erster, was willst du mehr", sagte Bale. Nachdem er in den Spielen zuvor immer per Freistoß getroffen hatte, sorgten gegen die schwachen Russen die Premier-League-Profis Aaron Ramsey (11.) und Neil Taylor (20.) zunächst nach schnellen Gegenstößen für die frühen Tore.
Dann legte Bale (67.) in der zweiten Halbzeit vor 28.840 Zuschauern nach und setzte sich mit nun drei Toren an die Spitze der EM-Torjägerliste. "Das ist toll. Die Leistung war klasse", sagte Trainer Chris Coleman über den erfrischenden Auftritt seines Teams.
Sein russischer Kollege Leonid Sluzki kündigte seinen Abschied an. "Ich denke nach so einem Turnier, brauchst du einen Anderen, der es macht", sagte der 45-Jährige. Er sprach seinem eigenen Team zwei Jahre vor der Heim-WM die Turniertauglichkeit ab: "Es ist hart darüber zu sprechen, aber wir waren schlecht in jedem Bereich. Ich übernehme die volle Verantwortung." Sein Vertrag endet ohnehin.
Im Achtelfinale am Sonnabend im Pariser Prinzenpark ist für die Waliser ein Briten-Duell gegen Nordirland gut möglich. Sollte es für Deutschland am Dienstag gegen die Nordiren ganz schlecht laufen, könnten auch die Weltmeister der nächste Gegner von Bale und Co. sein. "Das ist noch nicht das Ende des Turniers. Es geht noch weiter. Wir müssen sehen, wenn wir als nächstes bekommen", sagte Coleman.
Madrid-Star Bale hatte die Taktik angesichts des komplizierten Gruppemodus vorgegeben: Nicht rechnen, spielen – und gewinnen. Der Superstar zog immer wieder mit hohem Tempo oft im Solo-Modus durch das Mittelfeld auf das Tor der Russen zu. Dabei blieb er zwar gelegentlich hängen oder scheiterte am trotz drei Gegentoren guten russischen Torwart Igor Akinfejew, der mit einigen unkonventionellen Paraden Schlimmeres für die Russen verhindert. Aber Bale zeigte, wie leicht diese biederen WM-Gastgeber 2018 auszuspielen waren.
Keine Abwehrchance hatte Akinfejew beim sehenswerten Lupfer von Ramsey, der nach genialem Pass von Joe Allen allein auf den Sbornaja-Torwart zulief und clever zur Führung traf.
Den Russen, bei denen der Schalker Roman Neustädter nicht in der Startelf stand, fehlten die technischen Mittel, um die Waliser zu gefährden. Zwar überbrückten sie leidlich flott das Mittelfeld, nur waren gefährliche Aktionen selten. Meist war bei den Offensivbemühungen schon vor dem Strafraum Schluss. Wales-Keeper Wayne Hennessey musste nur selten eingreifen. Russlands Mittelstürmer Artem Dsjuba konnte sich gegen die wuchtige Innenverteidigung der Briten um Kapitän Ashley Williams nicht entscheidend durchsetzen.
Beim zweiten Tor war dann auch wieder Bale beteiligt. Seinen Pass verlängerte Roman Schirokow unfreiwillig zu Taylor. Der Mann von Swansea City scheiterte zuerst an Akinfejew, schoss aber im Nachsetzen zu seinem ersten Länderspieltor ein.
Auch in der zweiten Halbzeit bot sich das gleiche Bild. Einige russische Spieler schienen fast in Ehrfurcht zu erstarren, wenn Bale zu seinen Sprints ansetzte. Andere waren schlicht zu langsam, um dem Wales-Stürmer zu folgen. Allerdings fehlte dem schnellen Sprinter diesmal die Effektivität – bis er in der 67. Minute doch noch zuschlug und den Ball am bemitleidenswerten Akinfejew vorbei schlenzte.
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