Schwimmen Bei Olympia-Kandidat Meeuw läuft seit Wochen kaum etwas nach Plan / Für Qualifikation wird es immer enger Ganz viel gemeinsame Zeit - Nike Carlottas Freude ist Papas Leid
Magdeburg l Die kleine Welt von Nike Carlotta Meeuw ist in allerbester Ordnung. Papa Helge ist da, Mama Antje auch - Kinderherz, was willst du mehr! Das 15 Monate alte Töchterchen von Magdeburgs prominentesten Schwimm-Paar genießt die traute Dreisamkeit sichtlich. Und es ist gut so, dass die Lütte nichts davon ahnt, dass ihre Freude, zuletzt ganz viel Zeit mit dem Papa verbringen zu können, dessen großes Leid ist. Und dass er nach einer erneuten Zwangspause sogar ernsthaft um den Traum vom Olympia-Start in London bangt.
Liefe alles nach Plan, würde der Vizeweltmeister über 100 Meter Rücken von 2009 auch in diesen Tagen mehr seinen Trainer, die Teamkollegen und das Wasser in der Elbeschwimmhalle sehen, als seine Tochter. "Für gewöhnlich wenig Zeit mit Nike zu verbringen, macht mich manchmal traurig, denn die Entwicklungschritte, die die Kinder in diesem Alter machen, sind schon extrem", klagt der 27-Jährige über das gewissermaßen selbstgemachte Leid. "Als ich mich dazu entschlossen hatte, das Unternehmen Olympia doch noch einmal anzugehen, habe ich gewusst, was auf mich zukommt. Schließlich waren Antje und ich in Vorbereitung auf Peking 2008 nahezu ein halbes Jahr in Trainingslagern unterwegs."
So kam es auch diesmal. Der kleine Wirbelwind habe zwischenzeitlich sogar zum heimischen Computer Papa gesagt, "weil Helge ständig irgendwo im Trainingslager war und wir nur über Skype Kontakt hatten", plaudert Buschschulte aus dem Nähkästchen einer "Alleinerziehenden auf Zeit", die den Laden daheim trotz Fulltimejobs als Büroleiterin in der Staatskanzlei ohne ihren Ehemann und Hilfe der weit weg wohnenden Großeltern schmeißen muss. "Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Kleine erst um 17 Uhr aus der Kita abholen kann. Zum Glück ist sie gerne da."
Um so ärgerlicher ist es, dass trotz des Rückhalts in der Familie, der vielen Kompromisse und auch des auf Eis gelegten Medizinstudiums das letzte sportliche Ziel des Familienoberhauptes in Gefahr gerät. "Es ist wie verhext, immer wieder ist etwas", klagt der "Dauerpatient". Zuletzt machte Meeuw eine schwere Virusinfektion zu schaffen und zwang ihn sogar zum Abbruch des Trainingslagers auf Teneriffa. Drei Wochen "strikte Ruhe" verordneten ihm die Ärzte, erst Ende letzter Woche durfte er wieder ins Wasser. Zu spät, um die EM-Qualifikation im heimischen Magdeburg mitzumachen.
Zum Glück ist der Rückenschwimmer aufgrund der Top-Zeiten bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften für die Titelkämpfe in Ungarn gesetzt. Das nehme ihm ein wenig den Druck. Dennoch: "Es wird eine sehr knifflige Angelegenheit mit der Olympia-Quali, das ist kein Selbstläufer. Aber noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen." Und auch Trainer Bernd Henneberg hofft auf ein Happyend: "Wenn wir jetzt durchtrainieren können, ist vieles möglich, wenn nicht, wird es eng. Aber Helge ist mit dem Kopf einhundert Prozent dabei. Er muss nur gesund bleiben."
Noch ist also offen, ob Nike Carlotta, die allen Genen zum Trotz mit Wasser "momentan noch nicht viel am Hut hat und anscheinend lieber Schlagzeugerin als Schwimmerin werden will" (Buschschulte), im Sommer ein allerletztes Mal für längere Zeit auf den Papa verzichten und mit ihm auf dem Fernseh-Bildschirm vorlieb nehmen muss. Doch des einen Leid wäre bestimmt des anderen Freud ...