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Grünes Licht für eine Rückkehr - jederzeit

19.01.2013, 08:24

Der Ruderer René Bertram rudert nicht mehr. Die Enttäuschung über die verpassten Olympischen Spiele in London hat seinen Blick über den Leistungssport hinaus geschärft. Der Athlet vom SC Magdeburg setzt jetzt andere Prioritäten. Aber ist sein Karriere-ende endgültig?

Von Daniel Hübner

Magdeburg l Niemand verlässt gern einen Lebensabschnitt mit dem Geschnalze böser Zungen, das in den Ohren nachhallt. Hatte sich der Mann tatsächlich etwas vorzuwerfen, in all den Monaten vor der Bekanntgabe, dass kein Platz für ihn frei wäre bei Olympia 2012? "Böse Zungen sagen", erklärt René Bertram vom SCM, "hätte ich mich mehr angestrengt und hätte ich konsequenter trainiert, hätte ich auch den Sprung nach London geschafft."

Erst nach den letzten Tests und Qualifikationsrennen bis in den Juli hinein war vom Deutschen Ruderverband entschieden worden, Bertram im Kampf um die Medaillen nicht einzusetzen. "Ich denke aber", sagt Bertram, "ich war so gut drauf wie lange nicht mehr. Es hat dann gedauert, bis ich die herbe Enttäuschung verarbeitet hatte" - zugleich die größte nach dem verpassten Doppelzweier-Finale bei der WM 2006. Zum Glück gibt es Isabell, seine Freundin.

Die ganze Wohnung ist voller Liebe. Hier, ganz in der Nähe des Magdeburger Stadtparks, wird sie gelebt, in Bildern, selbst in Farben. Auch das kleinste Detail ist auf Harmonie abgestimmt. Und Bertram sitzt im Zentrum der Liebe und recherchiert für seine Bachelorarbeit, die er Ende Januar abgeben muss. Nach der Enttäuschung im Juli "hatte ich keinen Antrieb mehr, hatte mich eingeigelt. Isabell hat mir öfter in den Hintern getreten" - bis Bertram wieder aufgestanden ist.

In der Wohnung ist nicht viel vom Ruderer Bertram zu entdecken. Nur eine Urkunde hängt im Flur, links hinter der Eingangstür, zur Erinnerung an den Lohn seiner Qualen im Leistungssport. Bertram ist 2002 Weltmeister im Doppelvierer geworden. "Für mich war der Erfolg gar nicht fassbar, er lief einfach durch." Erfolge waren damals selbstverständlich. Jeden weiteren musste er sich hart erarbeiten, wie er für WM-Bronze 2007 in München hart arbeiten musste: "Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen, da sind die Tränen gekullert, diesen Erfolg weiß ich am meisten zu schätzen."

Sein Leben hatte er besonders zu schätzen gelernt, als er im Februar 2009 Opfer eines Autounfalls geworden war, erst pausieren und dann einen neuen Weg in seinem Sport finden musste. Den Skuller Bertram konnte es nach einer Schulter-Operation vorerst nicht mehr geben. Dafür gab es den Riemen-Ruderer, der letztlich noch mit einer Goldmedaille 2010 bei der Europameisterschaft dekoriert wurde. Trotzdem "war der Unfall der Knackpunkt", Bertram hatte damals keinen Plan B nach dem Sport. "Und meine größte Angst war es immer, den eigenen Lebensstandard nicht halten zu können."

Wäre er nun in London dabei gewesen, hätte er das Karriereende "noch einmal überdacht". So aber "will ich mein Studium der Sportwissenschaften/Gesundheitssport beenden, einen Job suchen und ins Geld kommen - und dann vielleicht sportlich etwas reißen". Derzeit absolviert er einen Kurs zum Rettungsschwimmer, er läuft ein bisschen, er geht ab und an in den Kraftraum. Das Rudern "vermisse ich nicht", sagt er.

Tatsächlich aber verweigert sich Bertram in seinen Worten der Endgültigkeit seiner Entscheidung. Wenn er jetzt weitergemacht hätte, sich also für die neue Saison quälen würde, dann wäre Bertram wieder der Skuller wie in erfolgreichen Tagen, er hätte es im Einer versucht. Sein SCM-Trainer Roland Oesemann hat gesagt: "Ich hätte gerne mit René weitergearbeitet." Und Oesemann "hat mir grünes Licht gegeben: Wenn ich zurückkommen will, kann ich das jederzeit tun", berichtet Bertram.

Er ist jetzt 31 Jahre. Er hat das Angebot nicht abgelehnt.