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Interview „Mehr Hoffnung als Befürchtungen“

KSB-Geschäftsführer Steffen Göhler zieht Bilanz zum Jahreswechsel.

Von Björn Richter 05.01.2021, 00:01

Burg l „The same procedure as every year“, also der gleiche Ablauf wie jedes Jahr, flimmerte vor wenigen Tagen beim Silvester-Klassiker „Dinner for One“ millionenfach über die Bildschirme. Und auch wenn das Sportjahr 2020 vom Ausnahmezustand geprägt war, lief zum Jahreswechsel vieles beim Kreissportbund Jerichower Land (KSB) in gewohnten Bahnen, wie Geschäftsführer Steffan Göhler im Gespräch mit Sportredakteur Björn Richter durchblicken ließ.

Herr Göhler, das öffentliche Leben und damit auch der Sport wurden zum Jahresende 2020 ein weiteres Mal heruntergefahren. Erleben Sie und der Kreissportbund einen ruhigeren Jahreswechsel als in der Vergangenheit?
Steffan Göhler: Da kann ich keinen großen Unterschied feststellen. Dass das Telefon auf der Geschäftsstelle Ende Dezember häufiger als in den Monaten zuvor klingelt und mehr E-Mails eingehen, ist schlichtweg der Jahreszeit geschuldet. Die Vereine müssen wie immer zum 31. Dezember ihre Jahresmeldung im IVY, der Verwaltungsdatenbank des Landessportbundes, abgeben, also ihre Mitgliederbestände melden. Dabei tauchen immer einige Fragen auf, die wir im Dialog zu beantworten versuchen. Daneben sind zum Jahreswechsel natürlich Abrechnungen ein sehr großes Thema, das entsprechend Zeit und manchmal auch Nerven kostet.

Lässt sich anhand der bisher vorliegenden Zahlen feststellen, ob das vielerorts prophezeite ‚Vereinssterben‘ im Corona-Jahr 2020 Fiktion oder Wirklichkeit wird?
Da gibt es ganz unterschiedliche Stimmen. Sicher, die Corona-Krise wird sich mancherorts auch an der Entwicklung der Mitgliederzahlen ablesbar sein. Aber es lohnt sich, in mehrerer Hinsicht zu differenzieren. Etwa nach der Sportart: Outdoor-Aktivitäten dürften gegenüber Hallensportarten im Jahr 2020 einen klaren Vorteil gehabt haben. Dazu kommen weitere Fragen: Wie geht ein Verein mit dieser besonderen Herausforderung um? Welche Angebote kann er seinen Mitgliedern bieten? Wie stellt er sich nach außen hin dar? All das sind Faktoren, die großen Einfluss auf die Entwicklung haben. Eine endgültige Feststellung lässt sich ohnehin erst nach der Auswertung Anfang des neuen Jahres treffen. Gefühlsmäßig dürfen wir uns aber mehr Hoffnungen als Befürchtungen machen.

Warum das?
Wir haben im Jerichower Land in diesem Jahr etwa sogar zwei Neuanmeldungen zu verzeichnen. Da ist zum einen die TRIAG Genthin, die nach einiger Verzögerung den Aufnahmeantrag beim Landessportbund eingereicht hat und letztlich angenommen wurde. Noch sehr jung ist der Voltigierverein Elbaue im südlichen Bereich rund um Biederitz. Der Verein wurde erst im Mai 2020 gegründet und zählt knapp 30 Mitglieder. Vordergründig geht es im aktuellen Anfangsstadium darum, entsprechende Angebote und gegebenenfalls Sportstätten zu finden und zu schaffen. Entsprechend rege ist der Kontakt, in dem wir zu den Verantwortlichen stehen.

Stichwort Sportstätten: Vor dem harten Lockdown durften neben Kaderathleten auch Kinder und Jugendliche wieder in Kleingruppen trainieren. Mancherorts hieß es: Wir würden gern, aber können nicht, da unsere Anlage gesperrt ist.
Diesbezüglich hat sich kein Verein an uns gewandt. Mein Eindruck ist sogar der, dass es zuletzt sehr gut funktioniert hat, die Lockerungen umzusetzen, ehe die Maßnahmen wieder verschärft wurden. Im Juni war das Thema Sportstätten noch unser großes Sorgenkind, weil sich einige Träger schwer damit taten, die Turnhallen wieder zu öffnen. Hier muss man aber ausdrücklich den Landkreis loben, der für eine schnelle und unkomplizierte Lösung gesorgt hat.

Aber kamen die zwischenzeitlichen Ausnahmeregelungen für den Nachwuchs wirklich in allen Vereinen an?
Es ist einerseits sehr heikel zu sagen: Du darfst trainieren, du aber nicht. Andererseits war der Schritt jedoch begrüßenswert, da Kinder und Jugendliche mit am meisten unter den Einschränkungen gelitten haben. Was die Umsetzung betrifft, muss man ebenfalls sehr genau differenzieren. Vor allem die Motivation der Übungsleiter ist unter diesen Umständen sehr stark gefragt. Jene, die mit viel Herzblut dabei sind und vielleicht auch mit technischen Hilfsmitteln umzugehen verstehen, haben es sehr viel leichter, Kinder und Jugendliche zu begeistern.

Wenn eines Tages die Rückkehr zum Alltag ansteht, befürchten Sie nicht, dass es dann heißt: Stell dir vor, es ist Sport und niemand geht hin?
Wir werden es nicht erleben, dass etwas wegbricht, weil die Leute kein Interesse mehr haben. In der Vergangenheit war die Nachfrage im Jerichower Land stets größer als das Angebot. Bisweilen war sie kaum zu befriedigen. Ich vermute daher eher, dass das Bedürfnis der Menschen nach Sport nur zeitlich nach hinten verschoben ist. Entsprechend schnell dürfte sich das Interesse wieder wecken lassen. Da uns das Thema Corona aber noch eine Weile beschäftigen wird, dürfte es wiederum sportartspezifische Unterschiede geben, wenn alles nach und nach wieder anläuft. Wie nach dem ersten Lockdown besitzt der Individualsport dabei große Vorteile gegenüber Mannschaftssportarten. Nur als Beispiel: Kleingruppentraining im Fußball mag als Provisorium funktionieren, wird in den meisten Fällen aber keine Dauerlösung darstellen. Auch hier präsentieren sich manche Übungsleiter bei der Gestaltung der Inhalte jedoch sehr kreativ. Das verschafft ihnen natürlich einen Vorteil gegenüber den anderen.

Also alles nur eine Frage der Anpassung an die Umstände?
Nicht ganz. Der Sport an sich mag sich nicht großartig verändert haben, aber das Gesellige ist derzeit ein riesengroßes Minus. Es fehlt den meisten eben sehr, in der Gemeinschaft aktiv zu sein. Im Übrigen geht es dem Sport da nicht anders als dem Kulturbetrieb. Zwischenzeitlich war wieder eine ganze Menge möglich, während des Sommers erinnerte vieles sogar an die Zeit vor Corona. Und trotzdem waren die Einschränkungen die ganze Zeit über präsent: keine Nutzung der Sportstätten ohne Hygienekonzept, das Führen von Anwesenheitslisten und vor allem Abstand halten. Dies hat natürlich auch dazu geführt, dass beispielsweise im zurückliegenden Jahr keine großen Vereinsjubiläen gefeiert werden konnten. Der Tenor, den wir vernommen haben, ist aber recht eindeutig: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Viele blicken einfach nach vorn und wollen ihre Veranstaltungen im neuen Jahr nachholen.