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Fußball Am morgigen Volkstrauertag finden keine Spiele statt / Landesweite Ausnahme in der Verbandsliga Warum an "stillen Tagen" der Ball nicht überall ruht

17.11.2012, 01:09

Salzlandkreis (bjr) l Ein Stadionbesuch am Karfreitag gilt nicht nur als undenkbar, sondern ist auch durch das sogenannte "Tanzverbot" gesetzlich untersagt. Anders verhält es sich mit mit sportlichen Veranstaltungen am morgigen Volkstrauertag und dem Totensonntag in der kommenden Woche. Neben der verwirrend geringen Trennschärfe der beiden Begriffe "gesetzlicher Feiertag" und "staatlicher Gedenktag", spielt vor allem die rechtliche Seite eine Rolle, die es erschwert, eine allgemeingültige Regelung für die sogenannten "stillen Tage" aufzustellen: Nicht nur der Sport, sondern auch Sonn- und Feiertagsgesetze sind Ländersache.

Bekanntlich erinnert der morgige Volkstrauertag an die Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft - gewiss also kein Rahmen, in den Fangesänge, Stadionwurst und Zweikämpfe um einen Lederball hineinpassen. Doch ergibt sich aus den Spielplänen von der Bundes- bis zur Regionalliga ein anderes Bild: "Sport frei!"

Ob und an welchen Tagen der Ball rollt, ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. So dürfte etwa der VfL Wolfsburg am Mittwoch, 26. Dezember, in der Bundesliga kicken, nicht jedoch der VfB Stuttgart, da in Baden-Württemberg anders als in Niedersachsen per Gesetz ganztägige Ruhe verordnet wird. Im Gegensatz zu England, wo die "Boxing Day Matches" am 1. Weihnachtsfeiertag althergebrachte Tradition sind, verhindert die Winterpause in den Deutschen Fußball-Ligen eine solche Situation. Das Beispiel verdeutlicht jedoch die Tücken des föderalistischen Prinzips. Sachsen-Anhalt zählt zu jenen Bundesländern, in welchen es morgen und am Sonntag in einer Woche untersagt ist, Sportveranstaltungen durchzuführen. Im schönsten Amtsdeutsch ausgedrückt: Öffentlich bemerkbare Aktivitäten sind nicht oder nur eingeschränkt gestattet.

Doch auch hier bestätigt zumindest eine Ausnahme im Fußball die Regel: So tritt morgen um 13.30 Uhr der 1. FC Magdeburg II gegen den SV Edelweiß Arnstedt in der höchsten Spielklasse des Landes, der Verbandsliga, an. Staffelleiter Frank Nicolai klärt auf: "Diese Ansetzung kam auf Bitten einer der beiden Vereine zustande. Wir als Fußballverband Sachsen-Anhalt dürften ein Spiel gar nicht am Volkstrauertag ansetzen." Den Ausschlag gab letztlich das zuständige Ordnungsamt, das der Verlegung zustimmte. "Dazu existiert ein sehr umfangreiches Schriftstück des Ordnungsamtes. In diesem sind die strengen Auflagen geregelt, die zu erfüllen sind", so Nicolai. Wenn auch wenig einheitlich, entscheiden mitunter also nicht nur die Bundesländer, sondern auch einzelne Gemeinden über das Ob, Wann und Wie.

Demgegenüber steht die moralische Bewertung. Wenngleich etwa der Totensonntag ein staatlich verordneter Gedenktag ist, liegen seine Ursprünge im Protestantismus. Fundierte Einordnungen nimmt folglich die evangelische Kirche vor. "Zu DDR-Zeiten spielte es bekanntlich gar keine Rolle, aber auch heute werden die Verordnungen über die stillen Tage weitgehend außer Kraft gesetzt. Das ist ein Trend unter den Menschen, teils aus den fadenscheinigsten Gründen", meint Joachim Gremmes, Pfarrer im Ruhestand.

Gremmes wirkte 33 Jahre lang im Pfarrbereich Burg (Jerichower Land) und erkennt im Sich-Hinwegsetzen über die ursprüngliche Bedeutung der Gedenktage eine ganz andere Dimension: "Meine persönliche Meinung dazu ist, dass der Mensch bestimmte Rituale im Leben benötigt. Dazu zählt für mich der Wechsel zwischen Aktivität und Ruhe. Entzieht er sich diesem Rhythmus, wird er krank." So gäbe es nach Ansicht des Pfarrers i.R. hierzulande "nicht wenige, die dann alles hinschmeißen und beispielsweise nach Norwegen gehen. Dort legt man noch großen Wert auf diesen Wechsel."

Das eigentliche Problem liege also weniger im Bruch mit den Traditionen, sondern vielmehr im allgemeinen Problem ständig schrumpfender Phasen zur Entschleunigung. Seinen Segen will Gremme den Kickern, die morgen aktiv werden, ohnehin nicht verwehren: "Dass ein gepflegtes Fußballspiel an einem der stillen Tage stattfindet, damit habe ich keine Probleme."