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Volksstimme-Serie "Damals war\'s" (Teil 5): Dr. Stefani Werremeier, Doppel-Weltmeisterin und Olympia-Zweite Spitzen-Ruderin schreibt im Wendejahr Geschichte

Von Maria Kurth 29.10.2011, 04:23

Die Volksstimme wagt einen Blick in die Sporthistorie. In der Serie "Damals war\'s" werden Sportgrößen aus dem Jerichower Land vorgestellt, die in der Vergangenheit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene große Erfolge feierten. Heute: Die zweimalige Weltmeisterin im Rudern und Silbermedaillengewinnerin bei Olympia, Dr. Stefani Werremeier.

Lostau l Manchmal ist das Abtauchen in die Vergangenheit einer erfolgreichen Sportlerin mehr als nur ein Gespräch über Erfolge. Es wird in dem Augenblick zu etwas Besonderem, wenn die Gestik und die Art und Weise des Erzählens bereits beim Zuhören Begeisterung weckt. Genau dieses Gefühl kommt auf, wenn die heute in Lostau praktizierende Medizinerin Dr. Stefani Werremeier über ihre Karriere als ehemalige Weltklasse-Ruderin berichtet.

"Ich war so schnell so begeistert vom Rudern, dass ich gar nicht mehr weg wollte", sprudelt es aus ihr heraus. Die gebürtige Osnabrückerin musste sich in der Schule für eine AG entscheiden, ihr Vater ermutigte sie "es doch einmal mit dem Rudern zu probieren." Damals, im Jahre 1982, ahnte dieser noch nicht, dass er seiner Tochter gerade den entscheidenden Schubs in Richtung Weltkarriere gegeben hatte. Ihr Talent blieb den Trainern des Osnabrücker RV nicht lange verborgen. So ging es bald in jeder freien Minute auf den Osnabrücker Stichkanal, wo die heute 43-Jährige ehrgeizig trainierte. Ihre Disziplin zahlte sich aus. Schon bald folgte die Einladung zum Leistungstest der Junioren, bei dem sie überzeugte. Bezeichnend für ihr Talent: Obwohl sie 1986, im letzten Jahr als Juniorin, nur im Einer fuhr, gewann sie im gleichen Jahr Silber im Achter bei der Junioren-WM in der Tschechoslowakei.

Die Karriere nahm Formen an, ganz nebenbei galt es für die gute Schülerin, das Abitur zu meistern. "Ich musste immer viel nacharbeiten, das war nicht einfach. Bei uns waren die Strukturen ganz anders, da interessierte es niemanden, dass man neben der Schule noch Leistungssport betrieb", sagt Werremeier.

Dass es dennoch zum Medizinstudium reichte, verwundert nicht. Ihre Ausdrucksweise ist eloquent, doch ihr herzhaftes und ehrliches Lachen verrät, dass sie ihre Bodenhaftung nie verloren hat. Nach dem Abitur zog es sie nach Dortmund, in Bochum begann sie 1989 ihr Medizinstudium. Ein Jahr zuvor sollte ein Höhentrainingslager in St. Moritz, wo sich die deutsche Spitze auf die Olympischen Spiele in Seoul vorbereitete, richtungsweisend sein. "Bei einer Bergwanderung unterhielt ich mich mit Ingeburg Althoff und wir beschlossen, dass wir es im Zweier versuchen könnten", so Werrremeier. Ein kleines Gespräch mit großer Auswirkung, denn nur ein Jahr später folgte der Startschuss einer außergewöhnlichen Karriere. National waren die Beiden im Zweier ohne Steuerfrau schnell unschlagbar und gewannen vier Mal in Folge den Deutschen Meistertitel. Es folgte WM-Silber in Jugoslawien (1989) und das Jahr der Wiedervereinigung, in dem Althoff (ab 1992 Schwerzmann) und Werremeier "quasi jedes Rennen gewannen". Dass sie 1990 Geschichte schrieben und als erste Ruderinnen der BRD in einer olympischen Bootsklasse Weltmeister in Tasmanien (Australien) wurden, war ihnen nicht bewusst: "Wir waren einfach glücklich und konnten es kaum glauben. Dass dieser Sieg noch andere Bedeutung hatte, realisierten wir zu diesem Zeitpunkt nicht."

"Unsere Familien sind knapp am Herzinfarkt vorbei geschrammt."

In der Weltspitze angekommen, fuhr das Erfolgsduo 1991 zu WM-Silber in Wien, ehe ein Jahr später die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Barcelona folgte. Ihre leuchtenden Augen verraten: Obwohl sie und ihre Partnerin 1990 quasi alles gewannen, toppte diese Medaille alles. Noch mehr an Bedeutung gewinnt dieser Erfolg, wenn man weiß, dass "die Bedingungen in Barcelona alles andere als einfach waren. Ich trat mit einer Gipsschiene am Arm an und kurz vor den Spielen hatten wir einen Trainerwechsel". Dass sich all die Strapazen und zwei Freisemester, die sie sich vor Olympia genommen hatte, auszahlten, beweist ihre Schilderung vom Endlauf: "Ach, das war aufregend. Wir sind nur mit der dritt- oder viertbesten Zeit ins Finale eingezogen. Dort sind wir dann auf der Außenbahn gefahren und unsere Familien sind knapp am Herzinfakt vorbei geschrammt." Sie übertreibt keineswegs, denn mit nur 14 Hundertstel Vorsprung errangen sie Silber.

Im Jahr 1993 nahm sich Werremeier eine "Ruderpause", um ihr Medizinstudium voranzubringen. Doch lange konnte sie dem Rudersport nicht widerstehen. Als Wolfgang Schell, heutiger Präsident des Ruderbundes Saar, das Projekt "Frauen-Achter" ins Leben rief, kamen Ruderinnen aus ganz Deutschland am Olympiastützpunkt in Saarbrücken zusammen. Auch Werremeier zog es gen Süden. "Die Chemie stimmte im Team. Das war ein toller Achter, in dem alle gut miteinander auskamen." Mit Erfolg: 1994 wurde der deutsche Frauen-Achter in Indianapolis Weltmeister. Nach einem fünften Platz bei der WM in Tampere (Finnland) 1995 zog es sie in ihrem letzten Jahr als Leistungssportlerin wieder in den Zweier. Ausgerechnet mit Kathrin Haacker, früher für die DDR startend, feierte sie einen weiteren Deutschen Meistertitel und einen vierten Platz bei den Olympischen Spielen in Atlanta. Unverblümt sagt sie heute: "Das war noch einmal ein toller Erfolg, aber mehr war nicht mehr drin."

"Mir gefiel Lostau, da ich eher Land- als Stadtmensch bin."

Das Ende ihrer sportlichen Karriere war mit dem Startschuss ihrer beruflichen Laufbahn gleichbedeutend. Nach Abschluss ihres Studiums in Homburg lebte und arbeitete sie in Saarbrücken. Mit ihrem Partner zog es sie im März 2005, in dem Jahr, als sie schwanger war, nach Lostau. Ausgerechnet ihr Vater, den es beruflich nach Hohenwarthe verschlagen hatte, traf auf den damaligen Inhaber der Praxis in Lostau, Dr. Uschmann. Schnell war sie begeistert: "Ich kannte niemanden, wohnte am Anfang bei meinem Vater. Aber mir gefiel der Ort, da ich eher Land- als Stadtmensch bin." Mittlerweile ist sie angekommen, lebt im benachbarten Hohenwarthe. Dass sich ihre Patienten gut aufgehoben fühlen, verwundert nicht. Sie wirkt mit sich im Reinen und "hat es nie bereut, nach Lostau gekommen zu sein".