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Motorsport Mit dem Trabi auf Rallye in Afrika

Mit seinem Trabant „Fritzi“ war Michael Kahlfuss auf den härtesten Rennstrecken der Welt zu Hause. Ein Blick zurück.

Von Karolin Pilz 29.03.2020, 23:01

Möser l  Michael Kahlfuss hat die halbe Welt gesehen: Japan, Neuseeland, Finnland, Monte Carlo, China, den mittleren Osten, Südafrika. Um Urlaub ging es dabei in den seltensten Fällen. Vielmehr ist Kahlfuss erfolgreicher Rallyefahrer. Sein treuer Begleiter – Trabant „Fritzi“ – feierte dabei vor 25 Jahren Abschied von der WM-Bühne.

Schon im Eingangsbereich von Michaels Kahlfuss‘ Haus wird die Affinität zum Rallye-Sport offenbar. Denn der erste Blick fällt auf eine Vitrine, in der die kleinen Modellautos seiner Wettbewerbsfahrzeuge aufgereiht stehen. Es sind zahlreiche. „Das sind ‚Fritzi I‘ und ‚Fritzi II‘, die Trabanten, mit denen ich in Monte Carlo, Kenia und Australien unterwegs war“, erklärt der 57-Jährige und zeigt stolz auf die unscheinbaren Modelle in weißer Farbe mit den auffälligen Schriftzügen der damaligen Sponsoren.

Jüngeren ist Kahlfuss vor allem als derjenige bekannt, der ihnen zum Führerschein verhalf. Der gelernte Kfz-Meister betreibt seit 1990 in Möser eine Fahrschule. Benzin im Blut hatte er schon immer. 1981 startete die eigene Motorsportkarriere. Zwei Jahre später absolvierte er auf einem schon recht betagten Lada seine erste Regionalmeisterschaft. 1986, inzwischen hatte Kahlfuss auf Trabant umgesattelt, folgte die erste Teilnahme an einer DDR-Meisterschaft.

Damals gingen teilweise über 100 Autos an den Start, von „Trabbi“ bis Wartburg, in einem bunten Starterfeld aus ausschließlich ostdeutschen Fabrikaten. „Westfahrzeuge waren nicht zugelassen. Aber die gab es ja auch kaum.“

Obwohl es Kahlfuss seinerzeit aus politischen Gründen nicht gestattet war, an internationalen Rennen teilzunehmen, hat er es doch irgendwie geschafft, dabei zu sein. Trickreich mit fingierten Einladungen und erfolgreich, denn zumindest als Zuschauer konnte er der weltweiten Rallye-Elite über die Schulter schauen. Es war die Zeit, in der die ersten Kontakte nach Westdeutschland entstanden.

Derweil feierte Kahlfuss 1990 mit dem Vizemeistertitel, den er gemeinsam mit Co-Pilot Jörg Baldeweg gewann, seinen größten Erfolg. Gern hätte er im Folgejahr zum ganz großen Wurf angesetzt, aber die DDR gab es nicht mehr und der Rallyesport trat zunächst in den Hintergrund. „Nach der Wende war es wichtiger, das Leben zu organisieren“, räumt er ein.

Doch ganz ohne Motorsport ging es auch in der ungewissen Zeit nicht. So mag es dann doch verwundern, dass der Anstoß, erneut mit einem Trabant an den Start zu gehen, von westdeutschen Bekannten kam.

„Aber die Idee war nicht schlecht. Immerhin hatten wir das Know-how, die Ersatzteile waren da und Erfahrungen hatten wir auch. Es war ein umfangreicher Schatz, auf den wir zurückgreifen konnten.“ Also warum es nicht versuchen? „Wir waren ohnehin nicht auf die großen Siege aus, wollten Spaß haben und einen guten Platz ergattern“, erinnert er sich an die frühen 90er zurück.

Seine „Rennpappe“, ein modifizierter Trabant 601 R, hatte zwar deutlich weniger Pferdestärken als andere Fahrzeuge und erbrachte nur eine Höchstleistung von 160 Kilometern pro Stunde, aber eine alte Weisheit unter Motorsportlern besagt: Bergauf kann jeder, bergab werden die Zeiten gefahren. Und „Fritzi“ mit seinen schlappen 700 Kilogramm und 50 PS hatte der Konkurrenz in dieser Hinsicht doch einiges voraus, „obwohl es manchmal ein echtes Himmelfahrtskommando gewesen ist“, wie Kahlfuss einräumt und lacht. 1992 startete er mit seinem Team zum ersten Mal bei einem Europameisterschaftslauf im Ausland, auf der britischen Isle of Man. Ein Platz auf dem Podest sprang zwar nicht heraus, doch immerhin nahm er die Auszeichnung „Star of the Rallye“ mit nach Hause.

Irgendwann zu dieser Zeit muss es gewesen sein, als in Kahlfuss ein Traum reifte: Mit „Fritzi“ zur Safari-Rallye nach Kenia, die gemeinhin als härteste Rallye der Welt gilt. Ein Unterfangen, welches trotz zahlreicher Sponsoren unerreichbar schien. Michael Nowack, ein guter Freund, ist es dann gewesen, der den Plan doch irgendwie ins Rollen brachte. Nach einigen Gesprächen entschloss sich Toyota Deutschland, dem Underdog samt seinem Amateurteam unter die Arme zu greifen. „Meine Frau Annett sagte immer, ich solle nach der Rechnung fragen. Wir konnten das finanziell im Leben nicht stemmen.“ Aber die Frage nach den Kosten wurde immer wieder aufgeschoben. Eine Rechnung flatterte am Ende nie ins Haus.

„Wir waren ohnehin nicht auf die großen Siege aus, wollten Spaß haben und einen guten Platz ergattern.“

Und so ging es mit dem größten Frachtflugzeug der Welt, einer Antonov, nach Kenia. „Auf dem Flugplatz in Köln-Bonn zu sein und zu sehen, wie unser Equipment verladen wurde, war beeindruckend. Das begreift man erst viel später“, blickt Kahlfuss auf die ungewöhnliche Situation zurück. In Kenia angekommen, befand sich „Fritzis“ Reparaturbox direkt neben der des großen Bruders Toyota und die Blicke der internationalen Rallyeteams fielen argwöhnisch auf das ungewöhnliche Gefährt aus dem Osten. Die Achsen würden sicherlich brechen, der Trabi das Ziel unter Garantie nicht erreichen können, so die Annahme der Profis. Selbst Kahlfuss zweifelte im Stillen, ob sein Gefährt den großen Herausforderungen wie einer Flussbettüberquerung, überstehen würde.

Aber „Fritzi“ hielt durch. Verständlicherweise ohne Platz auf dem Podest. Doch diesen erreichte Kahlfuss ein Jahr später, 1995 in Perth/Australien, bei der WM und spätestens da schwiegen die Skeptiker. Auch „Down under“ unterstützte das Toyota Team Europe und übernahm den Transport per Frachtschiff über den Indischen Ozean. 1995 war neben drei erfolgreichen WM-Läufen aber auch das Jahr, in dem die Homologation und somit auch die Ära von „Fritzi“ endete. Dabei, so erklärt Kahlfuss, handelte es sich um die Zulassung von Wettbewerbsfahrzeugen, die fünf Jahre nach dem Bau des letzten Modells ausläuft. 1990 rollte der letzte Trabant in Zwickau vom Band. Trotz zahlreicher Überlegungen, das Fahrzeug weiterzubauen, kam es dazu nie. „Die Geschichte mit dem Trabi wird immer einen Platz in meinem Leben einnehmen. Und wenn ich heute sagen würde, es ginge wieder los, bin ich mir sicher, mein Team wäre aufs Neue mit dabei“, scherzt der Fahrschullehrer.

Noch heute ist Kahlfuss im Motorsport zu Hause. Als sportlicher Berater arbeitet er eng mit den Vereinsvorsitzenden Frank Geßner und Christian Böhme des MSC Burg zusammen und lenkt die Koordinierung für die Eröffnung einer neuen Rennstrecke. „Jegliche Genehmigungen bezüglich Naturschutz, Lärm und Umwelt sind bereits erteilt“, erklärt er stolz mit Blick auf das bisher Erreichte. Und ganz nebenbei koordiniert er die Organisation der 25. Internationalen ADAC-Geländefahrt, die in diesem Jahr Anfang Oktober die besten Enduro-Fahrer des Landes nach Burg bringen soll. „Dieses Motorradrennen wird 2020 mein Highlight sein“, zeigt er sich zuversichtlich, dass die Veranstaltung in diesem Jahr wieder stattfinden kann.