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Leichtathltik Es gab mehr Positives als Negatives

Seine sportliche Laufbahn beim VfB Germania Halberstadt begann für Leichtathlet Volker Sterz bereits mit dem achten Lebensjahr.

Von Florian Bortfeldt 10.01.2021, 18:39

Halberstadt l Im Gespräch mit Sport-Redakteur Florian Bortfeldt gibt der 55-jährige Diplomsportlehrer, der seit fast 30 Jahren als selbständiger Versicherungskaufmann arbeitet, genauere Einblicke.

Volksstimme: Herr Sterz, erzählen Sie uns kurz, wie Sie zum Sport beim VfB Germania gekommen sind.

Volker Sterz: Als Achtjähriger hat meine sportliche Laufbahn bei Germania, damals noch die BSG Lokomotive Halberstadt, begonnen. Ich habe mich zuerst als Fußballer ausprobiert, aber bitte nicht weitersagen. Jedoch habe ich zu diesem Zeitpunkt auch schon viele leichtathletische Wettkämpfe erfolgreich bestritten. Mit ca. zehn Jahren hat mich dann Herr Nothnagel als Leichtathlet entdeckt und in seine Trainingsgruppe integriert.

Da wurde dann auch klar, dass Ihr Talent eher beim Werfen denn beim Kicken lag.

Richtig. Dort erlernte ich das Speerwerfen, welches es mir dann ermöglichte, zur Sportschule nach Magdeburg delegiert zu werden. Nach zwei Jahren stellte sich dort aber heraus, dass ich für den Mehrkampf besser geeignet bin. Insgesamt zehn Jahre war ich Leistungssportler, Kaderathlet beim Sportclub Magdeburg und ich durfte auch im Trikot der DDR-Nationalmannschaft starten. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, hätte ich noch einmal die Chance, würde ich wieder Leistungssportler werden wollen, jedoch alles mit noch mehr Ernsthaftigkeit betreiben. Es war eine tolle Zeit und sie hat mein Leben geprägt.

Auch für Sie stellte die Wende sicher einen Einschnitt dar. Wie sah die Zeit nach 1989 aus?

1990 habe ich mein Studium an der DHfK Leipzig beendet. Es war mitten in der Wendezeit. Kurios war, dass ich am 1. September 1990 meine Arbeit beim TZ Halberstadt beginnen sollte. Herr Pegelow dürfte die Geschichte noch kennen. Der Schreibtisch war schon eingerichtet. Jedoch wurde Ende August der DTSB-Verband aufgelöst und somit auch mein Arbeitsplatz. Ich bin dem Verein natürlich treu geblieben. Unter dem damaligen Namen ESV Halberstadt habe ich an Landes-, Norddeutschen- und Deutschen Meisterschaften erfolgreich teilgenommen.

Das Leichtathletik-Talent haben Sie offenbar an Ihre Tochter Shiwa Melina vererbt. Sie gehörte bis vor Kurzem zur deutschen Spitze in ihrer Altersklasse. Wie ist der aktuelle Stand sie betreffend?

Nachdem sie als 14-Jährige vor zwei Jahren zum Sportclub Magdeburg delegiert wurde, hatte sie ziemlich viel Pech. 2019 löste sich dort die Trainingsgruppe auf und sie kam zurück. Diverse Verletzungen haben sie zurückgeworfen. Nun versucht sie, durch Training den Anschluss wiederherzustellen. Shiwa trainiert in der Gruppe von Steffen Fricke, einmal die Woche auch bei mir im Wurfbereich.

Wie entwickelte sich die Leichtathletik nach der Wende konkret in Halberstadt?

Die Abteilung Leichtathletik war und ist ein Aushängeschild des Vereins. Mit Horst Cernota, Manfred Höfke, Helmut Wilke, Volkmar Nothnagel, Sportfreund Schröder und vielen anderen wurde die Abteilung geführt. Erlauben Sie mir dazu eine kurze Anekdote: Bei den Wahlen 1996 zur Abteilungsleitung fehlte eine Person als Stellvertreter. Kurzerhand hat man mich angesprochen und mir gesagt, dass der stellvertretende Vorsitzende nichts machen muss. Es ist nur für das Protokoll. Ich habe zugesagt. Kurze Zeit später hat der Vorsitzende aufgehört und ich war nun Chef der Abteilung Leichtathletik. Eine neue, aber auch tolle Zeit begann.

Der VfB Germania Halberstadt prägte dann lange Zeit das Geschehen auf Bundesebene mit. Wie kam es dazu?

Das war eine unvergessliche Zeit, zehn Jahre Bundesliga. Die Leichtathleten waren zu dieser Zeit die zweitgrößte Abteilung des Vereins. Mehr als 200 Sportler waren bei Germania Halberstadt organisiert. Manfred Höfke stellte jährlich eine Frauen- und Männermannschaft auf für den Sachsen-Anhalt-Vergleich. Ralf Trautmann hatte die Idee, doch mal in der höchsten Liga dieses Vergleiches zu starten. 1. Bundesliga der Leichtathletik. Es war eine sportliche Herausforderung, die immer mehr an Format annahm.

Letztendlich schrieb der Verein damit Geschichte. Erzählen Sie bitte, wie das konkret war.

Mit Ditmar Schwalenberg, Horst Koch, Ralf Trautmann und Manfred Höfke wurde eine Männermannschaft für die Bundesliga-Qualifikation aufgestellt. Der Qualifikationswettkampf wurde in Verden, Niedersachsen, ausgetragen. Erstmalig hatte sich ein Verein der neuen Bundesländer für die 1. Bundesliga qualifiziert. Bis heute hat es kein anderer „Ost-Verein“ in die höchste Liga geschafft. Der VfB Germania hat somit leichtathletische Geschichte geschrieben. Das weiß bloß keiner.

Damals reihte sich gefühlt Höhepunkt an Höhepunkt. Was war aus Ihrer Sicht dennoch das Highlight schlechthin zu diesen Glanzzeiten?

Da muss der 20. Mai 2006 genannt werden. Im eigenen Friedensstadion wurde die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft (DMM) der Männer und Frauen ausgetragen. Das Team des VfB Germania Halberstadt konnte den Vizemeistertitel erreichen. Das einhellige Fazit dazu: Große persönliche Aufopferung, Sponsoren, Helfer und leichtathletisch Verrückte haben diesen großartigen Erfolg möglich gemacht. Zehn Jahre 1. Bundesliga und sechsmal Vizemeister. Das macht so schnell kein anderer Verein nach. Und ich immer mittendrin als Abteilungsleiter. Zu erwähnen ist an dieser Stelle Steffen Fricke: Er ist mehrmalig im Trikot der Nationalmannschaft im Mehrkampf für den VfB Germania gestartet.

Inzwischen sind andere Zeiten angebrochen. Sie sind nicht mehr Abteilungsleiter, dafür aber „Chef“ des Fördervereins. Warum musste der her und was genau macht der?

Unsere Athleten haben immer viele Wettkämpfe besucht. Dazu Wettbewerbe wie die DMM. Der finanzielle Aufwand war sehr groß und aus den Mitgliedsbeiträgen nicht mehr zu stemmen. Der damalige Vereinspräsident Olaf Herbst hatte die Idee, einen Förderverein der Leichtathletik zu gründen. Gesagt getan. Anfang 2000 wurde der Förderverein gegründet und Detlef Eckert war der erste Präsident. Meinen Posten als Abteilungsleiter habe ich nach ca. 15 Jahren abgegeben und Kay Felschner wurde dann neuer Abteilungsleiter. Seit vier Jahren bin ich nun Präsident des Fördervereins. Stellvertreter ist im Übrigen Daniel Szarata (Oberbürgermeister von Halberstadt/ d.Red.). Der Förderverein unterstützt Athleten finanziell, Trainingsmittel werden gekauft, Zuschüsse zu Wettkampfreisen geleistet und auch Übungsleitergelder subventioniert.

Die Position des Abteilungsleiters teilen sich seit etwa einem Jahr zwei Personen. Geben Sie uns dazu bitte einen aktuellen Überblick.

Seit über einem Jahr gibt es eine neue Leitung. Ein „alter“ Weggefährte konnte dafür aktiviert werden, Horst Cernota. Die Neugründung der Abteilung war zwingend notwendig, da die Abteilung vor dem Zerfall stand. Zu wenige ehrenamtliche Trainer, zu viele Athleten im jüngsten Alter und keine funktionierende Abteilungsleitung. Mit Horst Cernota und Bastian Herbst wurde eine Doppelspitze in der Abteilung installiert. Dazu Anne Herbst als Finanzerin mit Unterstützung von Rosi Cernota und Regina Matthes. Es ist ein Mix aus Erfahrung und jungem Enthusiasmus. Durch den immer noch herrschenden Trainermangel habe ich mich dazu bereit erklärt, wöchentlich eine Trainingseinheit im Wurfbereich zu übernehmen. Ganz ehrlich, ich wollte niemals eine Trainingsgruppe führen, jedoch macht es mir wirklich Spaß. Jetzt in der Corona-Zeit ist das Training sehr stark eingeschränkt. Für die Jüngsten finden keine Trainingseinheiten statt. Die Trainingsgruppe von Steffen Fricke macht „Home Training“. Mehr ist momentan nicht möglich.

In den letzten Monaten – vor dem erneuten Lockdown – war von einem wahren Ansturm beim Nachwuchs zu hören. Wieso steigt die Resonanz beim Kindersport?

Die Kinder-Leichtathletik ist eben sehr beliebt. Fast zu jeder Trainingseinheit wollten sich neue Kinder anmelden. Anne und Bastian Herbst, beide erfahrene Leichtathleten, trainieren die Jüngsten. Die Anzahl ist jedoch enorm und leider sind wir an unsere Grenzen gestoßen. Deshalb starte ich an dieser Stelle einfach einen Aufruf: Sollte es interessierte und sportbegeisterte Personen geben, die uns unterstützen möchten, einfach beim VfB Germania melden!

Sie mussten Kindern also absagen? Wie genau kann man sich das vorstellen?

Dies ist eine schwere Frage beziehungsweise keine einfache Aufgabe. Wenn ein kleines Kind in unserem schönen Stadion steht und die Mama fragt, ob es mit trainieren darf, die Antwort aber nein ist, dann blutet einem definitiv das Sportlerherz. Anne Herbst, Bastian Herbst und vor allem Horst Koch können leider ein Lied davon singen.

Im Verein geht es immer nur als Team, das haben Sie in diesem Gespräch verdeutlicht, viele Namen haben beim VfB Germania zum Erfolg beigetragen.

In der Tat. Da ist Volkmar Nothnagel: Der lustige, gesellige Typ. Er war Trainer der Wurfgruppe und hat viele Athleten zu DDR- und Deutschen Meisterschaften gebracht. Manfred Höfke Der diplomatische Typ. Seine Leidenschaft war der Stabhochsprung. Helmut Wilke: Der Statistiker: Er war mein Werklehrer in der Schule und wir haben viele Jahre gemeinsam die Leichtathletik in Halberstadt gestaltet. Horst Cernota: Der Rückkehrer. Er leitet wie gesagt wieder die Abteilung gemeinsam mit Bastian Herbst. Er war schon nach der Wende viele Jahre Abteilungsleiter. Ditmar Schwalenberg: Der Organisator und Trainer. Sein Leben gilt der Leichtathletik. Die Organisation der DMM von 2000 bis 2010 war unser Meisterstück. Horst Koch: Der laute und liebe Trainer. Er agiert aufopferungsvoll, leidenschaftlich und ist mit Liebe Trainer und hilfsbereit ohne Ende. Ich könnte noch einige Personen mehr aufzählen. Alle nicht Genannten bitte ich, nicht böse zu sein.

Zum Ende des Jahres 2020, nach beinahe 50 Jahren im Verein, wie fällt Ihre Bilanz bis dato aus?

47 Jahre VfB Germania Halberstadt. Eine tolle Zeit. Es gab mehr Positives als Negatives. Ich werde der Leichtathletik treu bleiben und hoffe auf noch viele erfolgreiche Jahre. Ich bin stolz ein Germane zu sein.