1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Lokalsport Magdeburg
  6. >
  7. Teßmann hofft auf eine faire Lösung

Handball Teßmann hofft auf eine faire Lösung

Stillstand herrscht derzeit in allen Sporthallen und auf den Plätzen. Wie fühlt sich die aktuelle Situation für Vorstände und Aktive an?

Von Stefanie Brandt 04.04.2020, 05:00

Haldensleben l Sport­redakteurin Stefanie Brandt unterhielt sich mit einem, der beide Seiten kennt: Tim Teßmann vom HSV Haldensleben. Der 30-Jährige ist Spieler der ersten Männermannschaft des HSV, welche derzeit den Aufstiegsrang in der Verbandsliga Nord belegt, und außerdem im Vorstand des Vereins engagiert.

Volksstimme: Tim, wie bist du zum Handballsport gekommen und zum HSV Haldensleben insbesondere?

Tim Teßmann: Handball war in unserer Familie immer ein großes Thema, seitdem ich denken kann. Mein älterer Bruder spielte Handball und mein Vater war sein Übungsleiter. Dadurch war ich regelmäßig in der Sporthalle und nahm den Ball irgendwann selber in die Hand. Besonders intensiv verfolgte ich die Spiele meines Bruders. Dieser wechselte dann in den Jugendbereich des SC Magdeburg. Mich interessierten aber auch die Spiele der Haldensleber Männer – damals noch in der sehr engen Sporthalle Zollstraße.

Hast du auch mal einen anderen Sport verfolgt?

Ich habe eigentlich nie andere Sportarten in einem Verein betrieben. Ich würde gern nach der aktiven Handballzeit den Tennissport ein wenig ausprobieren. Im letzten Portugalurlaub habe ich das Wellenreiten begonnen, das würde ich gern nochmal tun.

Warst du auch mal bei einem anderem Verein?

Ich bin 2015 mal für 18 Monate beim VfB Fallersleben gewesen, ein ambitionierter Verein in der Verbandsliga Niedersachsen. Zu der Zeit war ich am Ende der Saison aus verschiedenen Gründen beim HSV Haldensleben sehr unzufrieden. Durch ein paar Bekannte bin ich dann in Fallersleben gelandet. Das war eine echt schöne Erfahrung. Leider konnte ich den zeitlichen Aufwand nicht länger leisten. Arbeit, Privatleben, berufsbegleitendes Studium und dort spielen – das war einfach zu viel. Die Erfahrung möchte ich jedoch nicht missen. Es sind einige enge Freundschaften entstanden. Der Verein dort ist extrem gut organisiert.

Was macht den HSV besonders?

Mittlerweile muss ich sagen seine Mitglieder. 2016 stand der HSV vor großen Problemen: Abstieg aus der Sachsen-Anhalt-Liga und immer weniger Mitglieder. Das Ruder wurde rumgerissen, mit vielen engagierten Mitgliedern. Was ihn für mich wahrscheinlich aber auch besonders macht, ist, dass er Heimat ist. Ich bin sehr heimatverbunden und das überträgt sich auf den Verein und mein Engagement in diesem. Wir haben zur Zeit eine super Stimmung. Es gibt immer Dinge, die man noch verbessern kann, aber ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg, dank vieler ehrenamtlicher Übungsleiter und Mitglieder.

Welchen besonderen Moment wirst du aus deinem Sportlerleben nie vergessen?

Ganz klar der dritte Platz in der Oberliga unter Ingolf Wiegert. Nur knapp sind wir am Landesmeistertitel vorbei. Die Mannschaft war sehr stark und ich gerade mal 18 Jahre. Das hat schon Spaß gemacht.

Gab es auch negative Ereignisse?

Sportlich gibt es da wenig, auch wenn man natürlich nicht immer zu allen Trainern das gleiche, gute Verhältnis hatte. Das Traurigste ist natürlich der Verlust eines ehemaligen, langjährigen Mitspielers, Daniel Kühnel, der leider viel zu früh von uns gehen musste.

Welches war die schwerste Saison in deiner Laufbahn? Gab es Verletzungen, die dich zurückgeworfen haben?

Von Verletzungen bin ich verschont geblieben. Nun muss man ja auch sagen, dass ich nie höher als Oberliga gespielt habe und denke, dass eigentlich immer mehr der Spaß- als der Leistungsfaktor im Vordergrund stand. Es ist ein Hobby mit einem hohen zeitlichen Aufwand. Teilweise trainiert man trotzdem drei, vier Mal die Woche. Zu schaffen macht mir die aktuelle Situation und Saison. Keiner weiß, was noch kommt. Man ist Tabellenführer und Halbfinalist im Landespokal, aber keiner weiß, ob es nicht umsonst war.

Welche Mitspieler wirst du nie vergessen?

Oh, da gibt es so viele wunderbare Menschen, die ich durch den Sport Freunde nennen darf. Besonders zu erwähnen ist die ganze Familie Schöttke, drei Brüder als Mitspieler und die Eltern, dann Christian Bangemann, Marco Frerichs und natürlich meine Haldensleber Jungs.

Bei wem bist du froh, dass er mit dir in einem Team ist und du nicht gegen ihn spielst?

Aktuell ist das wohl Chrissi Frank, der ein unglaublich gutes Spielverständnis hat und zudem ein perfektes Wurfbild. In der Vergangenheit ist es wohl Christian Bangemann: in seinen besten Jahren kaum zu halten und den härtesten Wurf, den ich so kenne.

Wer ist/war der lustigste Typ in der Kabine?

In Fallersleben war das ganz klar das Brüderpaar Frerichs. Scherze, Streiche und Sprüche hatten sie für alle Mitspieler über. In Haldensleben ist Marcus Tysack einer der Lustigen.

Gibt es Anekdoten aus der Kabine, die du preisgeben kannst?

Anekdoten gibt es sehr viele. Das würde den Rahmen sprengen. Aber spontan denke ich da an Kabinenpartys, Auswärtsfahrten und Finalgon in der Boxershort eines Mitspielers.

Welche Trainer hast du miterlebt? Was hat diese jeweils ausgezeichnet?

In den Jahren waren es einige, von Olympiasieger bis Champions-League-Sieger. Da muss man schon staunen, wie ein Verein wie der HSV das realisiert hat. Prägend waren davon ein paar, zu denen ich mich gerne äußere, zu anderen nicht. Ingolf Wiegert war der Trainer, der mich am meisten geprägt hat. Seine Vita spricht für sich. Mit 17 begann ich bei ihm im Seniorenbereich meine ersten Schritte zu machen. Er war ein Trainer der Generation, die sehr viel Wert auf Disziplin legte. Bei ihm wurde Handball gekämpft. Sein Motto: „Spiele gewinnt man in der Abwehr“. Ich denke, wir hatten/haben ein sehr gutes Verhältnis. Gerade als damals jüngster Spieler war man natürlich immer im Fokus von ihm. Das verhalf mir dazu, einen großen Schritt zu machen und mich an den Erwachsenenbereich zu gewöhnen. An die vier Jahre mit ihm als Trainer denke ich sehr gern zurück. Ein dickes Fell hat man sich dort auch zugelegt. Mit ihm und Stefan Cauer als Co-Trainer war das ein perfektes Trainerduo.

Gern denke ich auch Grzegorz Subocz zurück. Ein sehr sympatischer und liebenswerter Zeitgenosse. Sicherlich konnte er im Spiel und Training auch anders, aber sein hohes Fachwissen war immer spürbar. Für meine Generation der imponierendste Trainer war natürlich Oleg Kuleschow. Bei ihm kommt man ins Schwärmen. Ein perfektes Training, das er auch gern sechs Mal die Woche mit uns durchführte. Der ehrlichste und bescheidenste Sportler, den ich kennenlernen durfte. Seine Titel sprechen für sich und nebenbei war er der wohl beste Mittelmann seiner Generation. Sein Fachwissen war sicherlich oft zu viel für unsere Zwecke, aber er wollte aus jedem alles raus holen.

Für seine Spieler zerreißt er sich und kitzelt aus jedem das Beste raus. Bei ihm spielte ich meine beste und torreichste Saison. Eine unglaubliche Erfahrung, unter diesem Mann zu trainieren. Erst recht, wenn man seine damaligen Erfolge mit dem SCM live mit verfolgte. Gern denke ich aber auch gern an die Zusammenarbeit mit den Fallersleber Verantwortlichen Stefan Cauer, Uwe Wacker und Mike Knobbe. Da besteht auch jetzt noch eine gute Bindung und Austausch.

Du bist seit Jahren auch im Vorstand des HSV. Was hat dich bewogen, das Amt zu übernehmen? Welches sind deine Aufgabengebiete?

Ich war vor meiner Zeit in Fallersleben bereits Jugendwart und habe mein Freiwilliges Soziales Jahr im Verein gemacht. 2017 bin ich dann stellvertretender Vorsitzender geworden. Ich habe mich schon immer gern engagiert. Ich finde es wichtig, sich in die Gesellschaft einzubringen. Vereine sind für mich ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Die Situation war damals eine ernüchternde. Der Verein hatte nur noch einen kleinen Vorstand und es gab viel zu tun. Dabei wollte ich helfen.

Ich denke, als Vorstandsteam haben wir viel erreicht und können noch viel erreichen. Natürlich ist der sportliche Erfolg wichtig, aber wir bringen uns durch unsere Projekte viel ins gesellschaftliche Leben von Haldensleben ein. Der Erfolg bei den Sternen des Sports ist ein Beweis dafür. Ich kümmere mich viel um die Projekte und die Beantragung von Mitteln. Des Weiteren betreue ich die Sponsoren und suche auch neue. Die Organisation rund um die 1. Herren nehme ich auch gern wahr. Mir ist es aber wichtig zu sagen, dass der Vorstand als Team funktioniert, gemeinsam erreicht man immer mehr. Das haben die handelnden Personen verstanden.

Wie ist es jetzt, einen Verein zu führen, in dem Stillstand herrscht?

Es ist einfach seltsam. Leute, die man wöchentlich sieht oder auch täglich am Telefon hat, kontaktiert man deutlich weniger. Sicherlich zur Freude meiner Partnerin, aber ich kann nur schlecht Ruhe ab, ich brauche Trubel und Aufgaben. Wir müssen schauen wie es weitergeht. Wichtig ist es für uns, dass die ganze Sache irgendwann wieder läuft. Wenn es soweit ist, müssen wir von 0 auf 100 hochfahren. Ich muss ehrlich sagen, dass ich aber noch nie so viele nachdenkliche Stunden hatte, wenn es um den Verein geht.

Ich habe Angst, dass es danach eine ganz schlimme Situation wird. Wir als Verein sind abhängig von der Wirtschaft, da wir aus dieser viele Sponsoren ziehen. Diese haben natürlich jetzt andere Sorgen und für die neue Saison 2020/21 weniger Geld für uns. Das klingt egoistisch, aber für die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs brauchen wir diese Partner. Allein durch Mitgliedsbeiträge oder Fördermittel können wir uns nicht halten. Gern unterstützen wir natürlich unsere Partner, da sind wir offen für Anregungen.

Der Post SV Magdeburg hofft noch, ins Aufstiegsrennen eingreifen zu können. Derzeit steht ihr an der Spitze. Rechnet ihr noch mit einer Fortsetzung der Saison?

Die Hoffnungen des Post SV sind berechtigt, ein direktes Duell stand noch aus und sie haben einen vorteilhaften Restspielplan. Ich hoffe auf eine Fortsetzung der Saison. So Tabellenerster will keiner werden. Ich weiß nur nicht, wann die Spiele nachgeholt werden sollen. Sicherlich läuft die Saison bis 30.06.2020, aber der Spielplan endete bereits am ersten Maiwochenende. Viele werden ab Juni andere Pläne haben. Die Spieler müssen sich ja auch erstmal wieder eingewöhnen und auf Touren kommen. Wir haben das Problem, dass wir ab Mai eigentlich keine Halle mehr haben.

Die Ohrelandhalle wird ab 1. April 2020 für viel Geld saniert und unsere Ausweichhalle in Süplingen ist ab Anfang Mai gesperrt für Reparaturen. Das orientierte sich alles am Spielplan. Wir waren dankbar, dass Stadt und Kreis unseren Wünschen so nachkamen. Natürlich wollen wir auch gern unsere Mannschaftsfahrt nach Mallorca im Juni wahrnehmen. Da sind wir eine Mischung von 20 Mann aus 1. und 2. Herren. Das spiegelt den Zusammenhalt wider. All das ist durch die aktuelle Situation leider in weiter Ferne.

In anderen Bundesländern gab es den Vorschlag, die Saison in einem Final Four zu beenden. Gute Idee?

Das ist eine Idee, die ich nicht begrüße. Es müssten bestimmte Regelungen getroffen werden, wie zum Beispiel neutrale Austragungsorte. Des Weiteren spiegelt ein Final Four nicht die Leistung der Saison wider. Erst recht nach dieser Phase des absoluten nichts tun, ist es für mich der falsche Weg.

Welche Alternativlösung ist in deinen Augen die fairste?

Ich halte es für fair, wenn die Platzierten eins bis drei erstmal gefragt werden, ob sie überhaupt Interesse am Aufstieg haben. Danach muss man gucken, wie verträglich eine Aufstockung der Sachsen-Anhalt-Liga wäre. Sicherlich muss man das alles von Liga zu Liga im Einzelfall betrachten. Für uns wäre ein Nicht-Aufstieg eine Katastrophe. Eine Annullierung der Saison 2019/2020 halte ich für falsch.

Ihr würdet also auf jeden Fall aufsteigen wollen?

Die Antwort ist ein klares Ja. Ich denke, dafür haben wir einen Trainer wie Enrico Sonntag und natürlich auch das Spielermaterial.

Sind Verstärkungen geplant?

Punktuell ja. Wir haben eine gute A-Jugend und einen restlichen guten männlichen Jugendbereich. Dies sollte man nutzen über die nächsten Jahre. Diese Spieler brauchen aber Zeit, um im Seniorenbereich den nächsten Schritt zu machen. Im Rückraum haben wir Bedarf an Neuverpflichtungen.

Stehen schon andere personelle Veränderungen fest?

Leider wird Marcus Tysack wohl seine Laufbahn beenden, aber will man das so mit der aktuellen Situation? Ich hoffe, man kann ihn noch überzeugen, ein Jahr dran zu hängen. Ansonsten wollen wir wieder ein, zwei A-Jugendliche einbauen. Neuverpflichtungen aus externen Vereinen können wir derzeit nicht bestätigen. Sicherlich hängt es auch von der Liga ab, in der wir nächstes Jahr spielen. Mit dem Start in der Sachsen-Anhalt-Liga könnte man sicherlich noch Verstärkungen realisieren. Wir werden keine Verpflichtung tätigen, nur damit wir sie haben. Es muss sportlich und menschlich passen, ganz klar.