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Pferdesport Ralf-Werner König beim Hamburger Springderby

Wieder steht Ralf-Werner König am oberen Rand des großen Walls und schaut aus gefühlten sechs Metern Höhe in die Tiefe.

Von Gesine Dobiasch 12.07.2019, 03:00

Hamburg/Haldensleben l Auch diesmal geht sein 14-jähriger Schecke San Franzisko vertrauensvoll den Abhang herunter. Geschafft! Bereits zum zweiten Mal nimmt der Haldensleber Reiter am schwersten Springen der Welt teil: dem Hamburger Springderby.

Es ist für jeden Reiter auf der Welt etwas Einzigartiges hier anzutreten. Der Parcours ist gespickt mit den unterschiedlichsten Naturhindernissen, wie dem mächtigen Birkenoxer, den Holsteiner Wegesprüngen und natürlich dem drei Meter hohen Wall mit steilem Abhang. Gerade dort entscheidet es sich oft, wie viel Vertrauen das Pferd zu seinem Reiter hat. Und dieses Vertrauen konnte man bei Königs Ritten spüren.

Der 33-jährige Vater einer kleinen Tochter führt gemeinsam mit seinen Eltern den Reiterhof König im Bördekreis. Seit Jahren ist er von der Landesspitze der Springreiter nicht wegzudenken. Als Landesmeister (2015) und besonders in Mächtigkeitsspringen demonstriert er sein Können. 2018 gewann er mit dem selbst gezogenen San Franzisko drei Mächtigkeitsspringen in Folge, bei Mauerhöhen von zwei Metern.

Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von disziplinierter Arbeit, einem vielseitigen Trainingsspektrum sowie gutem Management. Die Derbypferde wurden bereits Monate vorher auf diese schweren, anspruchsvollen Springen vorbereitet. Kondition wurde aufgebaut, Geländetraining absolviert und an der Feinabstimmung am Sprung gearbeitet. Sophia Kuthe, die Pflegerin von „Schecki“, so wird San Franzisko liebevoll genannt, sorgt auch für den notwendigen mentalen Ausgleich. So wird mit ihm ausgiebig gegrast, gejoggt oder im nahegelegenen Teich für Abkühlung gesorgt. Dies alles zusammen und die Unterstützung des Teams sind der Schlüssel, um solche Höchstleistungen zu erbringen.

„Jetzt wird’s bunt“, waren die Worte des Kommentators beim Einritt des Schecken. Ralf-Werner König hatte „Blut geleckt“ und ging in diesem Jahr sogar mit zwei Pferden an den Start. Neben dem derby-erfahrenen Schecken ist Chico, das Pferd seiner Schwester Jessica König-Vogler, dabei. Chico, ein Zweibrücker, ist zwölf Jahre alt und erfolgreich bis Klasse S – aber ein Derby-Neuling. Am ersten Tag war er von der Kulisse und den Hindernissen beeindruckt, die doch anders sind als auf normalen Springturnieren.

Im zweiten Springen war er schon relaxter und begeisterte besonders am Wall mit seiner Unerschrockenheit. Beide Pferde sprangen hervorragend. „Zwei unnütze Fehler am Wall mit den kleinsten Höhen haben mich die Qualifizierung für Sonntag gekostet“, so König. Ein bisschen bitter für ihn, weil er genau wie im Vorjahr um einen Platz den Einzug ins Derby ganz knapp verpasst hat. König dazu: „Alle guten Dinge sind drei!“ Im nächsten Jahr will er wieder an den Start gehen. Mit einer rasanten Runde im Speedderby sicherte er sich noch den vierten Platz und trat zufrieden den Weg nach Haldensleben an.

Kurz nach dem Hamburger Derby war König schon auf dem Weg nach Hickstead. Der Haldensleber erhielt die Chance, mit drei weiteren Spezialisten aus dem Norden beim schwersten Springderby in England, dem Al Shira‘aa Derby, anzutreten. Gemeinsam mit Thomas Kleist, Phillipp Makowei und Jan Peters wurde die Reise in kürzester Zeit geplant. Es musste einiges beachtet werden: Einreisebestimmungen für Reiter und Pferd, Check der Pferde beim Amtstierarzt, einen großen Transporter organisieren, Reiseroute auf die Fährzeiten abstimmen und vieles mehr. Alles war organisiert, da fielen Kleist und Makowei aus – damit war auch der Transporter nicht mehr verfügbar. Der Traum für Peters und König schien geplatzt. Die Familien und das Team rund um die beiden jungen Männer bestärkten sie aber, weiter nach einer Lösung zu suchen.

Die Welt der Pferdefreunde ist groß und hilfsbereit und so fuhr - wie durch ein Wunder - Jan Peters mit einem luxuriösen Pferdetransporter am Montagabend gegen 23.30 Uhr auf den Reiterhof König in Haldensleben. Auf dem Transporter wartete schon der Schimmel von Peters, der 16 jährige Kokolores (vom Kolibri). In Windeseile wurde verladen und als San Franzisko (14, vom Samenco) dann auf dem LKW stand, fuhren die Reiter strahlend los.

Beeindruckt waren sie von den sieben verschiedenen Reitplätzen sowie von den Derbyhindernissen. Der innere Druck stieg bei diesem Anblick doch etwas, Hindernishöhen von 1,80 Meter, inklusive Wall und langem Parcours lagen vor ihnen. Die lange Reise steckte Reitern und Pferden am ersten Turniertag noch in den Gliedern, am zweiten konnten sie ihre Erfahrungen ausspielen: Kokolores und San Franzisko meisterten den schweren Parcours und qualifizierten sich für das Derby.

Am Sonntag, beim Start in der CSI4* Springprüfung wusste San Franzisko genau, worum es ging. Er ist nur 1,64 Meter groß, hat aber ein so riesiges Herz, dass er Hindernisse überspringen kann, die weit über seiner eigenen Widerristhöhe liegen. Am Wall zeigte sich das große Vertrauen von „Schecki“, der nicht einen Moment zögerte. Familie und Freunde fieberte zu Hause mit. Nach spannenden drei Minuten, normale Springen dauern rund 60 Sekunden, kamen die beiden glücklich ins Ziel. König erzielte in diesem Weltklassespringen den 16. Platz, Peters wurde 20. mit seinem Schimmel.

Nach 19 Stunden Fahrt landeten sie wohlbehalten wieder in Haldensleben und wurden von der Familie und dem Team begeistert empfangen und gefeiert. Solch eine tolle Leistung in Hickstead und in Hamburg verdient die höchste Anerkennung. Reiter und Pferde sind über sich hinausgewachsen. Sie können mehr als stolz sein. Und, um mit den Worten von Ralfs Schwester, Jessika König-Vogler, zu sprechen: „Damit ist bewiesen: Schecken können doch springen!“