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Fußball Der ewige Streit

Lokalderbys sorgen nicht nur im Männerbereich des Fußballs für Zündstoff.

Von Roland Schulz 09.06.2020, 06:00

Magdeburg l Zwei Vereine, die sich seit Jahren auch im Nachwuchs duellieren, sind der SV Fortuna und der TuS 1860 Magdeburg, beide im Norden der Landeshauptstadt beheimatet. Beide schenkten sich schon zu DDR-Zeiten nichts – gerade im Nachwuchsbereich. Obwohl die Voraussetzungen unterschiedlich waren. Beim TuS, damals noch TuS Fortschritt, war das Trainingszentrum Nord beheimatet. Der benachbarte Fortuna-Vorgänger BSG Turbine hatte ebenfalls im Norden sein Einzugsgebiet und versuchte gegenzusteuern. Dennoch waren beide Vereine sportlich gesehen ärgste Kontrahenten. Denn jeder wollte der Beste im Norden Magdeburgs sein.

Erstmals so richtig Feuer unterm Dach in der Neuzeit gab es Anfang der 1990er Jahre, als sich Dietmar Hempel mitsamt dreier Kleinfeldmannschaften sowie Trainern wie Günter Braun, Hans-Jürgen Knopp und Dieter Triebel vom TuS in Richtung Fortuna verabschiedeten. Als Grund wurde angegeben, dass die Schöppensteg-Kicker die bessere Perspektive boten. Der bis heute andauernde „Zweikampf“ beider Vereine hatte jedenfalls seinen ersten Nachwende-Höhepunkt erreicht.

Einige der damals mit zur Fortuna gewechselten Kicker waren Mitte der 90er Jahre Bestandteil der erfolgreichen A-Junioren, die nach Einführung der NOFV-Regionalliga Erfahrungen in dieser Spielklasse sammelten. Und die Fortunen sind der bisher einzige Magdeburger Verein neben dem FCM, der in einer der drei Altersklassen das Abenteuer Regionalliga eingegangen ist und es in der kommenden Spielzeit zum zweiten Mal versuchen will.

Bis zur Jahrtausendwende hatte sich dann das Verhältnis etwas normalisiert. Mit dem Zusammenbruch des Projektes „Fortuna 2000“ erarbeiteten sich die TuS-Akteure wieder einen Vorsprung im Nachwuchsbereich. Die Fortunen kümmerten sich zwar auch weiter um Nachwuchskicker, hatten prinzipiell zunächst aber ganz andere Probleme.

„In diese Zeit fällt auch die Gründung der Neustadt-Tiger“, weiß Henry Glaue, der reichhaltige Erfahrungen in beiden Vereinen sammelte, zu berichten. Dieser Förderverein entwickelte sich zu einem Vorzeigeobjekt, kümmerte sich zunächst um den Kleinfeldbereich und nahm später nach und nach auch den gesamten TuS-Großfeld-Nachwuchs unter seine Fittiche.

Unter den Slogans „Klein, bissig und schwarz-gelb“ treten seitdem die G- bis D-Junioren in Erscheinung, die C- bis A-Junioren vertreten das Motto „Cool, bissig und schwarz-gelb“. So hatten wieder die Jungs von der Zielitzer Straße die Nase vorn im Nord-Wettstreit.

Sie waren es, die zeitweise durchgängig von den D- bis zu den A-Junioren in der Verbandsliga oder Talenteliga kickten. Beim Nachbarn am Schöppensteg gab es dagegen nur vereinzelte Erfolge zu feiern.

Erst als sich kurz vor Ende der ersten Dekade im neuen Jahrtausend die Situation beim SV Fortuna wieder entspannte, verbesserte sich auch die Nachwuchsarbeit. Wichtig war dabei, dass Leute aus dem eigenen Verein wie Daniel Holke, Norman Schubert und jetzt Max Schönijan das Nachwuchsruder in die Hand nahmen, Konzepte entwarfen und diese dann auch in die Tat umsetzten.

Diese Arbeit zeigte schnell Früchte. Fortuna holte in vielen Altersbereichen auf. Eine wieder entscheidende Wende im Kräfteverhältnis leitete die Entscheidung des Landesverbandes 2018 ein, aus dem Norden der Landeshauptstadt nur eine Mannschaft für die Talenteliga der D-Junioren zuzulassen. Dabei entschied sich der FSA für die Fortunen, die mittlerweile auch in anderen Altersklassen dem TuS den Rang abliefen.

2018 wiederholte sich dann die Geschichte. Mit den Trainern Ronny Bui Ngoc und Thomas Stefanowski wechselte fast eine komplette B-Junioren-Mannschaft zum SV Fortuna, deren Kicker nun zu den Nachwuchs-Aushängeschildern des Vereins gehören.

Als sich ein Jahr zuvor bereits mit Christopher Garz, Lukas Grewe und Nick Seguin erfolgreiche A-Junioren, die nun im Männeralter angekommen waren, vom TuS in Richtung Fortuna verabschiedeten, bestätigte sich erneut, dass der TuS seinen Nachwuchs nicht halten kann. Dieses Credo, stets eine gute Nachwuchsarbeit zu leisten, aber nie die Früchte im Männerbereich zu ernten, bestätigt der Verein seit Jahren.

„Da steckt aber auch ein Stück Absicht dahinter. Uns war immer klar, dass wir im Männerbereich kein Geld, egal ob DM oder Euro, zahlen werden“, berichtet Lutz Rachholz, einst Abteilungsleiter Fußball und begnadeter Kicker der Neustädter. „Das war jedenfalls unser Bestreben zu meiner Zeit.“

Bemühungen, die Zusammenarbeit auf eine vernünftige Basis zu stellen, gab es einige. So brachten die Fortunen vor gut zwei Jahren die Idee eines gemeinsamen Nachwuchsfußball-Vereins auf. Mehr als die keineswegs neue Idee und zarte, erste Gespräche wurde aber nicht daraus. „Wir hatten schon in den 90ern für zwei Jahre eine gemeinsame Spielgemeinschaft mit je einer Klein- und Großfeldmannschaft“, erinnert sich Rachholz. Allerdings versandete dieses Vorhaben später ebenfalls. „So etwas kann wohl nur laufen, wenn es von außerhalb moderiert wird“, so ein Insider vielsagend.

Aktuell ist das Verhältnis zumindest aus Fortuna-Sicht auf Normalität zurückgefahren. „Wir befassen uns nicht mit dem TuS“, so Fortuna-Abteilungsleiter Thomas Knobbe. Das habe aber nichts mit Überheblichkeit zu tun. „Wir sehen uns sportlich ja kaum noch. Einzig im Stadtmaßstab des Nachwuchses kann man ja aktuell noch von einer Konkurrenz sprechen.“