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Fußball Kampf um die Vorherrschaft

Der SV Fortuna strebte einst die Vorherrschaft im Magdeburger Fußball an. 1996/97 kam es zu zwei heißen Stadtderbys mit dem 1. FC Magdeburg.

Von Hans-Joachim Malli 18.05.2020, 06:00

Magdeburg l In den 1990er Jahren setzten die Kicker vom Schöppensteg zu einem ungeahnten Höhenflug an. Mit dem Projekt „Fortuna 2000“ wollte der umtriebige Geschäftsführer Dietmar Hempel (heute 66) nicht nur Platzhirsch 1. FC Magdeburg überholen, sondern auch mittelfristig in die 2. Fußball-Bundesliga aufsteigen.

Unter Trainer Rolf Döbbelin gelang der Durchmarsch bis in die Oberliga. Dort musste sich die Mannschaft in der Saison 1996/97 dem FCM mit 1:2 und 1:1 nur knapp geschlagen geben. Während der Club am Ende Erster wurde und in die Regionalliga aufstieg, belegten die Fortunen den dritten Rang. Drei Jahre später dann, im Sommer 2000, platzte der große Traum. Nach finanziellen Problemen und dem Rückzug von Präsident und Sponsor Christian Koziol mussten die Fortunen in der Landesklasse einen Neustart hinlegen.

Auch FCM-Ikone Joachim Streich (69) war 1995 für knapp neun Monate bei Fortuna involviert, wurde auf Drängen von Hempel Vereinspräsident, ehe er im Sommer 1996 als Trainer für ein Jahr zu Zweitligist FSV Zwickau ging.

„Ich wollte damals die sportlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten beider Vereine zusammenbringen, denn einzeln hätten sie auf Dauer keine Chance. Doch eine Fusion war für die Handelnden in beiden Vereinen ein rotes Tuch. So habe ich von mir aus einen Schlussstrich unter diese Episode gezogen“, erklärte Streich zu seinem Fortuna-Abenteuer, das ihm damals zahlreiche Anfeindungen einbrachte.

Der SV Fortuna profitierte bei seinem Höhenflug auch von der permanenten Schwäche des 1. FC Magdeburg, der 1994 zum wiederholten Mal den Aufstieg knapp verpasste. So wechselten Frank Siersleben und Reinhard Rother nach der neuerlichen Enttäuschung zum aufstrebenden Stadtnachbarn, wo mit Trainer Rolf Döbbelin ein ehemaliger Mitspieler aus gemeinsamen FCM-Zeiten wartete. Der Coach machte Siersleben gleich zum Kapitän, der im Frühjahr 1996 das Team zum Landesmeister-Titel und zum Oberliga-Aufstieg führte. Hier stritten der FCM, der Dresdner SC und Fortuna bis zum letzten Spieltag um den Platz an der Sonne, den letztlich der Club einnahm.

„Ich weiß nicht, was auf lange Sicht passiert wäre, wenn Fortuna damals Erster und wir Dritter geworden wären”, sinnierte Frank Lieberam, damals FCM-Kapitän am Telefon. Lieberam, der heute Inhaber einer Spielervermittleragentur ist und neuerdings auch Christian Beck zu seinen Klienten zählt, kam im Sommer 1996 vom VfL Wolfsburg zurück zum Club. Dort bauten Präsident Eckhard Meyer und Manager Hans-Dieter Schmidt, der auch bald das Traineramt übernehmen sollte, eine neue Mannschaft auf. Neben Routiniers wie Andrzej Wojcik, Lieberam oder Jörg Kretzschmar gehörten auch die Jungspunde Marcel Maltritz und Jan Sandmann zum neuformierten Team der Blau-Weißen.

Fortuna-Manager Hempel hatte Ex-Profi Lieberam ebenfalls auf seinem Zettel. „Ob ich die aktuellen Verhältnisse in der Stadt nicht kenne. Ich würde besser zu Fortuna passen, die seien jetzt in aller Munde, wollte er mich überzeugen“, erinnert sich der 57-Jährige, der aber lieber wieder zu seinem alten Verein zurück und dort die Ärmel hochkrempeln wollte.

So führte der Libero den FCM als Kapitän in die beiden Duelle mit dem SV Fortuna, die aus Sicherheitsgründen vor knapp 8000 beziehungsweise etwas mehr als 10 000 Zuschauern im Ernst-Grube-Stadion ausgetragen wurden.

Rolf Döbbelin, der immerhin 137 Meisterschafts- und zehn Europapokalspiele für den FCM bestritt, erinnert sich noch heute an die beiden Punktspiele gegen seinen Ex-Club: „Wir hatten keine Bälle zum Aufwärmen mit ins Grube-Stadion genommen, wollten uns welche geben lassen. FCM-Trainer Schmidt beantwortete unsere Bitte mit den Worten: ,Sie sind doch der große Profiverein.‘ Und ließ uns stehen. Zum Glück half mein ehemaliger Trainerkollege aus dem FCM-Nachwuchsbereich, Günter Braun, aus. Mein Satz bei der Nachspiel-Pressekonferenz ,Ich gratuliere dem FCM zum Sieg, nicht aber seinem Trainer‘, brachte mir einigen Ärger ein.“

Döbbelin, inzwischen 65 Jahre, fasst seine Zeit am Schöppensteg, wo er im Winter 2000 vom Dresdner Matthias Döschner abgelöst wurde, so zusammen: „Der FCM kann froh sein, dass wir mit Fortuna damals Druck aufgebaut haben und so zu einem ernsthaften Konkurrenten wurden. Das war eine tolle Erfahrung mit viel Negativbehaftung.“