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Fußball Projekt Talenteliga: Top oder Flop?

Im Kreisfachverband Altmark West wird der Sinn einer Talenteliga in Frage gestellt.

Von Fabian Schönrock 19.10.2019, 03:00

Salzwedel l Während die Gardeleger Förderer der potenziellen Stars und Talente von Morgen schwärmen, stellen die Verantwortlichen der ländlichen Altmarkvereine das Konstrukt „Talenteliga“ gehörig in Frage. Die Klubs sehen die Zukunft der Altmarkvereine durch die Konzentration der Talenteförderung auf die Standorte Gardelegen und Salzwedel gefährdet.

Was kann die Talenteliga den jungen Talenten wirklich bieten und wie groß ist der Mehrwert wirklich? Findet eine Entwicklung statt oder herrscht Entwicklungsstillstand? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der Talenteliga?

Als einer der Wenigen, schaffte Michel Niemeyer den Sprung aus der Altmark West in den bezahlten Fußball. Mittlerweile spielt der Salzwedeler Linksverteidiger bei Zweitliga-Aufsteiger SV Wehen-Wiesbaden und war eine der tragenden Säulen des Zweitliga-Aufstiegs mit dem 1. FC Magdeburg in der Saison 2017/2018.

Und weiter? Viele andere Talente hingegen verpassten den Sprung in den Profifußball. Mehrheitlich scheiterten die Talente auf dem steinigen Weg, der Disziplin, Zeit, Ehrgeiz und Charakter fordert.

Die Einführung der Talenteliga, die neben dem DFB Stützpunkt eine weitere Alternative zur Förderung junger Talente dienen soll, konnte daran nichts ändern. Für eine Vielzahl an Talenten, reichte es nicht für den bezahlten Fußball. Doch genau dafür war der Wettbewerb vorgesehen.

Die Idee, die hinter der Einführung des Deutschen Fußball-Bundes vor knapp zehn Jahren stand, ist simpel: Junge Talente aus der Region Altmark West, erhöhen das fußballerische Niveau des rund 85.000 Einwohner umfassenden Einzugsgebietes und die Chance auf Weiterentwicklung, indem sie sich in einer Liga mit den Besten aus Sachsen-Anhalt messen. Allen voran gegen den 1.FC Magdeburg, 1. FC Lok Stendal, VfB Germania Halberstadt und dem Halleschen FC.

Der Anreiz für Talente, bei höherklassigen Gegnern vorzuspielen und unter die Fittiche der Scouts genommen zu werden, wird zur Antriebsmaschinerie für einige Talente, sich direkt in die Ausbildungshände des SSV 80 Gardelegen oder SV Eintracht Salzwedel 09 zu begeben.

Ausgestattet mit besten fußballerischen Bedingungen, sowohl auf Kunst- als auch Naturrasen, akribischen Trainern und guter Infrastruktur, überzeugen die Standorte Gardelegen und Salzwedel die Spieler der Talenteliga, sich über die Talenteliga hinaus an den SSV 80 Gardelegen oder der Eintracht aus Salzwedel zu binden.

Für beide Vereine bedeutet der Zuwachs an guten Spielern einen Segen. Der Verein kann darauf bauen, gespickt mit einer Vielzahl an talentierten Spielern, auf Landesebene erfolgreich zu agieren, mit guten Spielern bis in die oberen Ligen vorzudringen und die Männermannschaft perspektivisch mit jungen, hungrigen Spielern aus den Generationen der A-Jugend aufzufüllen, um in der Fußball-Landesliga Schritt zu halten und sich gut ausgebildete Spieler selbst zu backen.

Doch der Fokus auf die Planspiele und Szenarien in den Städten Gardelegen und Salzwedel, birgen ein Risiko für die Gesamtentwicklung des Fußballs in der Altmark West.

Was passiert mit den Vereinen des Umlandes? Wie können die Vereine der Peripherie ihre Spieler halten und was bahnt sich an, sofern sich eine Massenabwanderung junger Talente in Richtung Gardelegen und Salzwedel vollzieht?

SV Brunau-Cheftrainer Sven Potas sieht die Entwicklung bereits jetzt schon an einem kritischen Siedepunkt angelangt und spricht aus, was viele seiner Trainerkollegen denken, sich allerdings nicht trauen auszusprechen.

„Die Talenteliga ist nicht förderlich für die Nachwuchsarbeit in den ländlichen Vereinen. Der Fußball in der Altmark West lebt von jungen Talenten. Aber wenn die Talente alle fest nach Gardelegen gehen, weil sie dort bessere Entwicklungschancen sehen, dann wird es für uns als Verein auch schwer sein, die Mannschaften im Juniorenbereich aufrecht zu erhalten. Das hat zur Folge, dass die kleinen Vereine im Jugendbereich aussterben.

Man muss sich ja nur mal die Tabellen anschauen. Viele Mannschaften sind dort gar nicht mehr zu sehen. Ganz einfach, weil es sie nicht mehr gibt. Ohne Spieler, kann kein Wettbewerb vorhanden sein. In den Großstädten wie Magdeburg, mag das Konstrukt funktionieren, aber auf die Fläche kann das nicht gut gehen. Der SSV Gardelegen und Eintracht Salzwedel leisten bei uns in der Altmark West zwar gute Arbeit und haben viel für ihre erfolgreiche Jugendarbeit investiert. Aber insgesamt ziehen nur die Vereine einen Nutzen aus der Talenteliga, die als Austragungsstandort fungieren“.

Die Talenteliga wird zunehmend auch für Herrenmannschaften in der Altmark West zum Problem, die auf den Nachwuchs angewiesen sind. Für die Männermannschaft sind die im Stammverein verbliebenen zwölf- bis 14-jährigen Spieler noch zu jung, unerfahren und körperlich noch nicht reif genug, um mitspielen zu können. Zu Hause auf dem Sofa zu sitzen, ist allerdings auch keine Alternative.

„Die Spieler, denen wir keinen Spielbetrieb bieten können, gehen dann woanders hin. Wir wiederum können nicht mehr auf diese Spieler zurückgreifen, die aufgrund des Aderlasses nicht mehr da sind. Irgendwann sind unsere Herren-Spieler zu alt oder wir müssen mit elf oder zwölf Mann antreten, da uns die Alternativen aus der Jugend fehlen. Im schlimmsten Fall sterben dann die Herrenmannschaften aus oder müssen sich mit Vereinen der Umgebung zusammenschließen, damit der Fußball vor Ort überhaupt noch existiert. Das ist ein Teufelskreis für uns. Mit der jetzigen Situation ist doch keiner so richtig zufrieden. Das ist ja nicht nur bei uns so. Anderen Vereinen der Altmark geht es genauso. Irgendwann wird auch der Spielbetrieb insgesamt darunter leiden“, so Potas.

Rein sportlich können die Fußballer der aktuellen Talenteliga der westlichen Altmark, nicht mit den größeren Vereinen mithalten. Dies zeigt die Tabelle der Liga, in der Gardelegen auf Platz sieben rangiert. Gespielt wird die Runde mit exakt zehn Teams im D-Jugendalter. Nicht nur mit dem 1. FC Magdeburg steht ein Verein deutlich über den Dingen, für die Altmarktalente in Gardelegen. Auch gegen den kleineren Magdeburger Klub, der Fortuna, setzte es eine 3:2-Niederlage auf heimischem Platz. Eintracht Salzwedel rangiert immerhin noch auf Platz vier. Doch bei Lok Stendals U-13 Mannschaft wurden den Salzwedeler Talenten in dieser Saison mit einer 2:5-Niederlage die Grenzen aufgezeigt.

Trotz der Misserfolge gegen fußballerische Hürden und einer Zweiklassengesellschaft in der Talenteliga, ist eine Abkehr des Wettbewerbes nicht in Sicht. Wie sich die Talente der Altmark West in Zukunft entwickeln werden und ob der Vereinsfußball in den ländlichen Regionen, die passenden Antworten auf die Herausforderung Talenteliga findet, bleibt abzuwarten.