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Fußball Ein bärenstarker Rückhalt

In den 1950-Jahren trumpfte Erwin Reuer bei Chemie Schönebeck zwischen den Pfosten mächtig auf.

Von Kevin Sager 03.03.2021, 08:35

Schönebeck l Vom gefeierten zum gefallenen Helden in nur wenigen Sekunden. Für Torhüter ist das ganz normal. Selbst die großen Weltstars mussten diese Phase durchleben. Zum Beispiel ein Oliver Kahn. Der dreimalige Welttorhüter wurde nach einem grandiosen Weltmeisterschaftsturnier 2002 in Südkorea und Japan zum tragischen Helden. Es war der 30. Juni 2002, das Endspiel der WM, als sich der vorab zum besten Spieler der Endrunde gewählte Torhüter Ronaldo, Rivaldo und Ronaldinho entgegenstellte. Am Ende dieses Treffens saß Kahn mit zusammengekniffenen Augen auf dem Rasen des International Stadiums von Yokohama, an seinem linken Torpfosten gelehnt. Der „Titan“ wurde zum tragischen Helden, denn ausgerechnet im Finale, in welches Kahn die Mannschaft durch sensationelle Paraden führte, patzte der Schlussmann. Und die Hoffnungen auf einen WM-Sieg waren weg. In den Jahren danach avancierte Kahn jedoch zur absoluten Weltspitze.

Bis zu einer WM hat es Erwin Reuer nicht geschafft. Doch der Schlussmann von Chemie Schönebeck ließ ebenfalls reihenweise die gegnerischen Stürmer verzweifeln. Der Schlussmann aus der Elbestadt besaß unglaubliche Reflexe und die älteren Fußball-Begeisterten erinnern sich noch immer gerne an die ein oder andere Parade des damaligen Keepers zurück. „In Schönebeck und Umgebung gab es keinen besseren Keeper als Erwin“, sagt zum Beispiel Joachim Goertz aus Schönebeck. „Wäre er noch einen Kopf größer gewesen, dann wäre er mit Sicherheit nach Magdeburg delegiert worden“, erinnert sich der Rentner an die grandiose Zeit Reuers zurück. Goertz erlebte die Zeiten noch selbst und kommt weiterhin voll ins Schwärmen.

Doch auch wenn Reuer sein Können nicht in Magdeburg unter Beweis stellte - in Schönebeck, vor allem bei Chemie, waren alle Beteiligten froh darüber. Auch die damalige Presse schwärmte vom Schlussmann im Chemie-Gehäuse. Gerade in den Ortsderbys zwischen Chemie und Motor Schönebeck wuchs Reuer regelmäßig über sich hinaus. „Obwohl Motor die technisch reifere Mannschaft war, machte Chemie dies durch ihren kampffreudigen Einsatz wett. Hier war es besonders Torwart Reuer, der durch herrliche Paraden sichere Tore vereitelte“, hieß es beispielsweise.

Die Partien zwischen den Ortsrivalen waren stets von reichlich Leidenschaft geprägt, sodass die Schiedsrichter oft eine Menge zu tun hatten. Aber klar, wer wollte schon das Derby verlieren? Einer, der stets etwas dagegen hatte, war Reuer: „Die beste Leistung bot wieder Torwart Reuer der die gefährlichsten Schüsse der Motor-Stürmer zunichte machte“, adelte die regionale Presse den Schlussmann. „Sehr schöne und interessante Szenen gab es vor beiden Toren, vor allem vor dem von Chemie, aber Torwart Reuer war nur einmal zu schlagen“, hieß nach dem 2:1-Erfolg von Chemie gegen Motor. In welchem Jahr diese Partie stattfand, ist allerdings nicht mehr herauszufinden.

Deutlich wird jedoch: Erwin Reuer war für seine Mannschaft eine Lebensversicherung, der das Torwartspiel in der Elbestadt ein Stück weit mitgeprägt hat. Doch nicht nur der Keeper war im Stande, Höchstleistungen zu bringen. Auch seine Mannschaftskollegen wussten mit dem runden „Leder“ umzugehen. 1959 zum Beispiel durfte Chemie Schönebeck jubeln. In diesem Jahr sicherte sich das Team den Staffelsieg in der Bezirksliga Magdeburg.

Erwin Reuer prägte die erfolgreiche Zeit der Chemie-Kicker maßgeblich mit. Sein Name ist im Schönebecker Fußball nach gut 70 Jahren immer noch ein Begriff.