Judo In Schönebeck entdeckt, in Berlin geformt
Für Niklas Tausch (15), Alida Siebert (14) und Luisa Mergel (13) begann alles in Schönebeck und Calbe. Nun sind sie in Berlin.
Schönebeck l Die vier sitzen am Tisch. Es fliegen Begriff wie „O-Soto-Goshi“ oder „Uki-Goshi“. Sehr klangvolle Namen, doch nur die wenigstens können damit etwas anfangen. Beides sind Wurftechniken im Judo. Es ist das Thema von Kevin Ladebeck, Niklas Tausch, Alida Siebert und Luisa Mergel. Vor allem übernimmt Alida schnell das Wort, erzählt frei von Wettkämpfen und dem täglichen Ablauf an der Sportschule in Berlin. Dort sind alle drei inzwischen angekommen. Niklas, Alida und Luisa sammeln für den SC Berlin ihre Erfolge.
Doch die drei waren nicht immer so aufgeschlossen. „Alida war früher eine graue Maus. Sie war sehr schüchtern“, erinnert sich Kevin Ladebeck zurück. Denn er war es, der die drei zum Judo brachte. Denn Judo lehrt den Sportlern einen hohen Grad an Disziplin und Respekt, was deutlich spürbar ist. „Ich persönlich halte auch nichts vom Siezen. Das ist veraltet. Ich habe nur Respekt vor der Leistung der jeweiligen Person, nicht vor dem Alter“, erklärt Ladebeck seine Sichtweise.
Dabei sah der sportliche Werdegang der drei völlig anders aus, nichts deutete auf Judo hin. Niklas versuchte sich im Fußball. „Eine Woche war ich da, dann hatte ich keine Lust mehr“, sagt er. Alida probierte viel. Turnen, Reiten, Tanzen. Doch richtig glücklich wurde sie da nicht. Ähnlich war es bei Luisa.
Und dann kam Kevin Ladebeck. „Ich bin früher in die Schulen gegangen und habe Schnupperkurse während des Sportunterrichts angeboten. Dann war ich quasi der Trainer. Danach habe ich überall meine Visitenkarte abgegeben.“ Doch bereits beim Training haben sich Talente herauskristallisiert. Niklas und Alida in Schönebeck und Luisa in Calbe. Alle drei wurden relativ schnell beste Freunde. Mit acht oder neun Jahren, so genau wissen die Judoka es nicht mehr, haben alle dann das Training intensiviert.
Aber was machte die Faszination Judo aus? „Es ist die Vielseitigkeit. Die Motivation kommt durchs Training, weil man immer wieder seine Grenzen austesten möchte“, erklärt Alida. Denn das Training ist hart. „Es werden alle Muskeln beansprucht. Kraft und Ausdauer sind sehr wichtig“, ergänzt Kevin Ladebeck. Alle sind sich einig, dass es Spaß macht, sich zu quälen. Und das macht die Faszination des Sportes aus.
Während die Eltern weiterhin in Schönebeck und Umgebung wohnen, sind die drei in die Bundeshauptstadt gegangen. „Ich komme gut klar, aber natürlich sind die Eltern besorgt“, sagt Alida. Luisa und Niklas stimmen zu. „Sie wurden frühzeitig an die Situation gewöhnt“, sagt Ladebeck. Denn bereits Jahre zuvor reisten die Sportler in die Slowakei oder andere Länder. Alles ohne Eltern, nur die Trainer waren dabei. Für die Sportler ein Lerneffekt. Die Trainer haben Ruhe. Denn auch im Judo gibt es die übereifrigen Eltern, „die alles kommentierten. Das lenkt sehr ab“, sagt Ladebeck. „Sie sollen schließlich auch Selbstständigkeit erlernen.“ Diesen Schritt habe die drei ehemaligen Schönebecker Judoka erfolgreich geschafft.
Doch wie sieht so ein Tag an der Sportschule in Berlin aus? Um sieben Uhr heißt es aufstehen, „viel zu früh“, merkt Luisa an. Um acht startet die Schule. Neben den üblichen Fächern gehört aber auch das Training zum Schulprogramm. Zwei Stunden pro Tag, bis zu viermal die Woche. Die drei wohnen im Internat, zusammen mit anderen Judoka. Unterteilt sind die Klassen in die jeweilige Sportart. So lernen und trainieren die Eissportler (Eishockey, Eisschnellauf) gemeinsam ebenso wie die Fußballer. Die drei Judokas drücken zusammen mit den Boxern und Gewichthebern die Schulbank.
Doch neben der Schule und dem Training bleibt für die drei kaum Freizeit. „Das ist nicht schlimm. Wir haben es ja bewusst so gewählt. Der Sport bringt auch Freizeit mit“, sagt Alida. Doch warum gerade Berlin? „Es besteht dort eine hohe Leistungsdichte“, sagt Kevin Ladebeck. Den Kontakt stellte sein Opa, Joachim Ladebeck, her. Denn neben Berlin gibt es auch Sportschulen in Frankfurt, Hannover oder Potsdam. Das waren jedoch keine Optionen. Für den SC Berlin geht es inzwischen auf Trophäenjagd, wovon die drei bereits einige sammelten. Egal ob bei Ostdeutschen Meisterschaften oder Vereinsturnieren. Selbst bei Sichtungsjahrgängen durften die drei ihr Können beweisen. Dort sind dann auch Landestrainer, ab der U 18 Bundestrainer, und sichten die jungen Talente. Wer das Zeug dazu hat, wird auf weitere Lehrgänge eingeladen und darf dann auch bei Turnieren im Ausland teilnehmen. Doch soweit kam es bisher noch nicht, ein Ziel, welches die drei ehrgeizigen Sportler verfolgen.
Voraussetzung dafür: fit bleiben. Denn beim Judo sind Verletzungen nicht ausgeschlossen. Um dem entgegenzuwirken, stehen die Judoka unter permanenter Belastung. Daher auch die hohe Anzahl an Training, Trainingslager und Wettkämpfen. „Es kann dennoch immer passieren“, sagt Kevin Ladebeck. Und neben der körperlichen Präsenz spielt auch der Geist eine ganz wichtige Rolle. Die Denkprozesse während eines Wettkampfs laufen schnell ab. „Die Logik ist entscheidend. Du musst den Wurf verstehen, um ihn anzuwenden“, erklärt Ladebeck.
Damit all diese Faktoren weiterentwickelt und die Sportler gezielt trainiert werden können, entschieden sich alle drei für den Schritt nach Berlin. Unterstützung gibt es weiterhin von den ehemaligen Trainern, den Eltern und den Freunden. Ein Besuch in der Heimat lassen sich die drei aber nicht nehmen.