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Handball Zu kopflos beim ersten Stresstest

Der HV Rot-Weiss Staßfurt kassiert in der Sachsen-Anhalt-Liga gegen die TSG Calbe eine überraschend klare 19:27 (14:16)-Pleite.

Von Enrico Joo 16.09.2018, 23:01

Staßfurt l Der Gang nach Canossa nach dem Spiel tat sehr weh, zeigte aber auch im Moment der größten Enttäuschung die große menschliche Reife im Kopf. Gerade hatten die Spieler vom HV Rot-Weiss Staßfurt aus der Sachsen-Anhalt-Liga im Heimspiel am Sonnabend gegen die TSG Calbe eine heftige 19:27 (14:16)-Heimklatsche kassiert, die bei allen 700 Zuschauern für Augenreiber sorgte. Schließlich war da der selbst ernannte Aufstiegsaspirant gestolpert. Und doch zeigten die Staßfurter ihre Liebesbekundung zum Publikum, applaudierten den zahlreich erschienenen Fans für ihr Kommen, was auch als eine kleine Entschuldigung für die Partie gewertet werden konnte. „Das war eine bittere Niederlage. Das tat dolle weh“, sagte Staßfurts Kapitän Sebastian Retting. „Calbe hat uns in Sachen Einsatz und Disziplin etwas vorgemacht.“

Dabei begann das Spiel gut für Rot-Weiss. Mit geduldigem und konsequentem Spiel über den Positionsangriff hielten die Staßfurter den Gegner auf Distanz. „Auch die Abwehr war in den ersten 20 Minuten völlig in Ordnung“, so Trainer Sven Liesegang. In der 17. Minute führte der Gastgeber 9:6. Zwar übernahm die TSG fünf Minuten später die Führung (11:10), doch das Duell war noch auf Augenhöhe. „Auch die zwei Tore Rückstand zur Pause sind im grünen Bereich. Aber als wir dann mit fünf Toren hinten lagen, wurden wir unstrukturiert, haben schlechte Würfe genommen. Da hätten wir ruhiger spielen müssen, der Kopf hat gefehlt. Wir haben nicht mehr so gut verschoben Das hat mich geärgert“, sagte Liesegang. Das Unheil nahm seinen Lauf.

In der zweiten Halbzeit erzielte Staßfurt nur fünf Tore. In den ersten 20 Minuten ploppten gar nur zwei neue Zahlen auf der Anzeigetafel auf. Was auch am grandiosen Keeper lag. Stefan Wiederhold zeigte mehr als ein Dutzend Paraden. Zur Höchstform lief er nach dem Seitenwechsel auf, als er fünf „Freie“, also Bälle in Eins-gegen-Eins-Situationen, entschärfte. Hatte er sich besonders vorbereitet? „Nein. Man kennt seine Pappenheimer“, sagte Wiederhold, der die Lieblingsecken der Staßfurter eben einfach kennt und seine Erfahrung nutzte. „Die Abwehr hat es mir aber auch leicht gemacht, die stand überragend.“ So durfte sich Wiederhold in einen Rausch spielen. „Das war einfach nur geil. Ich hatte mittags schon ein Kribbeln im Bauch. Wann spielst du schon mal vor so einer Kulisse? Die Hütte hat gebrannt und unsere Fans waren lauter als die aus Staßfurt.“ Knapp 700 Zuschauer drängelten sich in die Salzland-Sporthalle, die auf beiden Seiten für ohrenbetäubenden Lärm sorgten.

Doch jubeln durften am Ende nur die 150 Fans aus Calbe, die sich über ihre perfekt eingestellte Mannschaft freuten. „Der Teamgeist hat gestimmt, das Spielkonzept ist voll aufgegangen“, sagte TSG-Coach Andreas Wiese. „Wir wussten, dass wir in der Abwehr auf die Fresse kriegen. Das tat weh. Aber wir haben trotzdem weiter gemacht. Ein großes Lob an die Mannschaft.“

Weil die TSG-Spieler kleiner sind als die robusten Staßfurter, impfte Wiese seinem Team die gewohnte Philosophie ein: Gar nicht erst im Rückraum versuchen, über die Abwehr drüber zu kommen, sondern mit den „Halben“ im Rückraum, zum Teil zwei Kreisläufern und wendigen Außenspielern die Abwehr des Gegners auseinanderziehen. Das klappte. „Mathias Walther hat da gut Druck gemacht, Jan Illig ist überragend auf Lücke gegangen“, lobte Wiese. Wobei die beiden stellvertretend für die gesamte Mannschaft standen. „Die Deckung war überragend. Ich bin stolz auf mein Team. Am Ende haben wir uns in einen Rausch gespielt“, sagte Wiese.“

Was bleibt? „Vielleicht kam das zur rechten Zeit und nimmt den Druck“, sagte Retting. „Schließlich ist es eine andere Situation, immer Favorit zu sein. Aber wir werden aufstehen und wieder Gas geben am Montag. An unserem Ziel hat sich nichts geändert.“ Auch Liesegang sah das Spiel als „Fingerzeig. Es ist ganz, ganz wichtig, nie den Respekt zu verlieren vor dem Gegner.“ Staßfurt weiß ab sofort: Auch in dieser Liga reicht es nicht, im Kopf auch nur geringfügige Prozentzahlen in der Konzentration herunterzunehmen.

Staßfurt: Tuchen, Schliwa – Fanselow, R. Reiske (4), Retting (3/1), Jacobi (2), Vadaszi (2), Steinbrink (1), Frank, Spadt, Strnad, Schöne, Hähnel (4), Meißner (3)

Calbe: Wiederhold, Bertram – Walther (1), Fritz, Haverland, Barby, Gieraths (3), Lück (5), Schwarz (3), Weiß (6/3), Sowa (5), Illig (3), K. Reiske (1/1)

Siebenmeter: Staßfurt 2/1 – Calbe 5/4 Zeitstrafen: Staßfurt 5 – Calbe 3