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Frauenfußball 15 Jahre Frauenfußball in Tangerhütte

In den 90er Jahren boomte der Frauenfußball in der östlichen Altmark. Eine Mannschaft war damals der SV Germania Tangerhütte.

Von Stefan Rühling 06.07.2020, 23:01

Tangerhütte l Es war ein regelrechter Boom, als Anfang der 1990er Jahre Frauenfußball-Mannschaften wie Pilze aus dem altmärkischen Boden schossen. Nach Aktivist Stendal und dem späteren Schinner SV „Eintracht“ war im Jahr 1990 schon eine Mannschaft bei Germania Tangerhütte geboren.

Nachdem der Frauenfußball in Schinne aus einem Gag heraus geboren wurde, könnte man denken, dass dies Strahlkraft hatte und so nach und nach Mädchen und Frauen Interesse am Spiel mit dem runden Leder gefunden haben. Tatsächlich aber muss es reiner Zufall gewesen sein, dass innerhalb von nur wenigen Jahren an verschiedenen Orten Frauenfußball-Mannschaften entstanden sind.

In Tangerhütte ist der Ursprung auf eine Partnerschaft mit der niedersächsischen Kleinstadt Extertal bzw. der Ortschaft Bösingfeld zurückzuführen. Denn nach der Wende, als solche Partnerschaften modern wurden, folgte gleich ein Antrittsbesuch der Fußballer aus dem Weserbergland im altmärkischen Tangerhütte. Bernd Kleineidam kann sich noch gut daran erinnern. „Als wir abends gemütlich auf dem Sportplatz zusammensaßen und klärten, welcher Gast bei welchem Gastgeber übernachtet, kam die Frage auf, ob wir auch eine Frauenmannschaft hätten“, so der heute 69-Jährige.

Eine Nacht später machte das Thema die Runde auf dem Sportgelände der Germanen. Danach dauerte es nur ein paar Tage, bis Kleineidam die Frage gestellt wurde, ob er nicht den Trainer machen würde. „Klar“, sagte der frühere Nachwuchstrainer sofort. „Ich hielt das für ein Jucks und sagte noch dazu, dass es mindestens 15 Frauen sein müssten.“ Im Mai war es dann soweit. „Die Mädels kamen und sagten, sie sind nun genügend und wollten Training machen. Also musste ich nun Wort halten. Schnell hatte ich eine Trainingszeit organisiert und es konnte losgehen“, erinnert sich Kleineidam.

Zu den Pionierinnen des Tangerhütter Frauenfußballs zählten unter anderem Volke Lamprecht, Grin Kleineidam, Silke Wiebach, Karin Rieke, Sieglinde Schuppe, Andrea Eckardt, Viola Jackert, Antje Deutsch und natürlich Annett Wilhelm. „Die Gegner haben immer schon gestöhnt, wenn sie gegen ,Willi‘, wie Annett genannt wurde, spielen mussten. Sie war blitzschnell und brandgefährlich“, so ihr früherer Trainer.

Die Anfangszeit war aber auch für die eigene Mannschaft nicht einfach. „Man kann sich die Frauen zu der Zeit vorstellen, wie die F-Jugend. Denn sie hatten noch nie gegen den Ball getreten und mussten erst einmal geradeaus laufen lernen“, erinnert sich Kleineidam. Das erste Spiel bestritt das Team schließlich gegen den Schinner SV „Eintracht“ und musste sich deutlich mit 0:11 geschlagen geben. „Ich dachte damals noch, dass das nie was wird mit uns“, so der Übungsleiter. Danach hießen die Gegner dann Osterburg und Walsleben, die nach und nach auch Frauenfußball-Mannschaften gegründet hatten.

Obwohl der Spaß an der Bewegung sehr wichtig war, erinnert sich Kleineidam gut, dass doch ein großer Ehrgeiz und Wille an den Tag gelegt wurde. „Auf dem Spielfeld wurde es auch mal lauter“, so der Trainer, der über 15 Jahre so etwas wie der Vater der Truppe war.

Den größten Erfolg feierten die Tangerhütterinnen 1995, als sie bei der Hallen-Landesmeisterschaft überraschend den Titel einfahren konnten. In Halle an der Saale kickten sie sich etwas glücklich bis ins Endspiel und bestritten dieses nach der regulären Spielzeit mit einem 0:0-Remis. Im Neunmeterschießen half ihnen dann wieder das Glück. „Danach gab es sogar einen Empfang des Vereins im Sportlerheim mit Brötchen und Sekt“, erinnert sich Kleineidam.

„Die Mannschaft war im gesamten Klub anerkannt. Wir durften auch auf dem Hauptplatz spielen.“

Anfang der 2000er Jahre wurde es allerdings immer schwieriger, die Mannschaft am Leben zu halten, obwohl es rundherum auch immer Unterstützer gab und teilweise, vor allem gegen Schinne, auch mal 100 Zuschauer kamen. „Die Frauen haben Familien gegründet und sind dann nicht mehr in das Team zurückgekehrt“, was der 69-Jährige heute noch schade findet.

Im Jahr 2005 war die Personaldecke schon verdammt dünn. Kleineidam hatte zwar noch ein paar Mädchen für den Spielbetrieb der Frauen aufgebaut, doch als die Altersgrenze überschritten war, hatten diese sonntags etwas Besseres vor, als Fußball zu spielen. So wurde die Mannschaft im Sommer 2005 nach 15 Jahren aufgelöst.

Mit dem Fußball aufgehört haben aber nicht alle Spielerinnen. Annett Wilhelm beispielsweise suchte in Arneburg eine neue Herausforderung. Bernd Kleineidam verfolgte den Frauenfußball auch weiter – bis heute. „Ich lese aufmerksam, was beispielweise mit Medizin Uchtspringe passiert, auch wenn ich bis auf Kirsten Matschkus keinen von der Mannschaft kenne“, so der frühere Tangerhütter Trainer.

Sein Verhältnis zu den Übungsleitern der anderen Vereine beschrieb er als stets ordentlich. „Hubert Werner mussten wir ab und an mal zurechtrucken“, verriet er mit einem Schmunzeln und sagte, er müsse Arnold Bauermeister und Co eigentlich mal wieder anrufen.