Deutscher Turntag Nach Missbrauchsskandal: Expertenkommission in Vorbereitung
Die Mitgliederversammlung des Deutschen Turner-Bundes wählt einen Nachfolger für die zurückgetretene Vizepräsidentin Ulla Koch. Wie geht es weiter im Missbrauchsskandal von Stuttgart?

Frankfurt/Main - Der ehemalige Bundesliga- und Nationalturner Jürgen Garziella tritt die Nachfolge von Ulla Koch als Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB) an. Die frühere Bundestrainerin war im Zuge des Missbrauchsskandals von Stuttgart und Mannheim im April aus dem Führungsgremium zurückgetreten. Der 63-jährige Garziella, der während seiner aktiven Laufbahn deutscher Meister am Reck war, wurde von den 228 Delegierten beim Deutschen Turntag in Frankfurt/Main gewählt.
DTB-Präsident Alfons Hölzl hatte während der Tagung noch einmal betont, dass der unabhängige Expertenrat, der die Vorwürfe ehemaliger Turnerinnen aus dem Stützpunkt in Stuttgart aufarbeiten soll, erst berufen werden und seine Arbeit aufnehmen könne, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen sind. Man bereite jedoch schon alles vor, um dann „umgehend einzusteigen“. Ziel des geplanten Prozesses soll es laut Hölzl sein, „den Umgang mit den Athletinnen und Einzelsachverhalte aufzuarbeiten und konkrete Empfehlungen zu benennen, um die Rahmenbedingungen für die Turnerinnen vor Ort zu verbessern“.
In die Satzung des DTB wurden für den Bereich Safe Sport zwei voneinander unabhängige Gremien als feste Bestandteile aufgenommen: ein Untersuchungsteam, das Vorwürfen nachgehen soll, und eine für mögliche Sanktionen zuständige Kommission. Beide Gruppen wurden bereits vom Präsidium mit jeweils drei Mitgliedern berufen.
DTB gegen Russen als neutrale Teams
Wenige Tage vor dem Kongress der Europäischen Turnunion (UEG) am 28./29. November in Prag sprach Hölzl sich noch einmal gegen den Start russischer und belarussischer Athleten bei internationalen Wettkämpfen aus. Zwar sollten neutrale Sportler als Einzelstarter wieder zugelassen werden, doch Mannschaften mit Aktiven aus diesen beiden Ländern schließen sich nach Meinung Hölzls weiterhin aus. „Das gilt auch für Synchronpaare“, betonte der 57-Jährige mit Blick auf die Trampolin-Weltmeisterschaften Anfang des Monats im spanischen Pamplona, wo der Weltturnverband FIG auch Teams und Duos mit diesem Status die Teilnahme erlaubt hatte.
Zudem stellte Hölzl die Kriterien infrage, nach denen das Siegel „neutral“ vergeben wird. Als Anlass diente dem Juristen der Start der Russin Angelina Melnikowa in der Deutschen Turnliga. Die Mehrkampf-Weltmeisterin hatte sich 2022 in sozialen Medien mit dem Z-Symbol abbilden lassen, das als Propagandazeichen für den Angriffskrieg auf die Ukraine gilt, und hatte in diesem Jahr bei kommunalen Vorwahlen für die Pro-Putin-Partie „Einiges Russland“ kandidiert, bevor sie sich wegen ihrer sportlichen Ambitionen von diesem politischen Engagement wieder zurückzog. Hölzl geht davon aus, dass die UEG, die russische und weißrussische Sportler bislang von ihren Wettkämpfen noch komplett ausschließt, diese Regel lockern wird.