Turner führt deutsche Riege an Olympia-Aus abgewendet: Dauser in Paris zu Großem bereit
Eine Muskelverletzung zerstört fast den Traum von Lukas Dauser. Eine Schnellheilung wendet das Blatt für Deutschlands Sportler des Jahres. Davon soll in Paris die ganze Turn-Riege profitieren.
Paris - Für Lukas Dauser ist es ein „Wunder“, Bundestrainer Valeri Belenki spürt den „Rückenwind“ für sein gesamtes Turn-Team. Nur vier Wochen nach seiner schweren Oberarmverletzung ist Barren-Weltmeister Dauser bereit für neue Glanztaten bei den Olympischen Spielen in Paris. Wenn die deutsche Riege am Samstag zur Qualifikation in der Bercy Arena aufs Podium steigt, ist der 31-Jährige als Vorturner und Aushängeschild mittendrin - wenngleich mit reduziertem Programm. „Ich bin froh, dass das jetzt alles gut verlaufen ist und ich am Boden und am Barren einsatzbereit bin. Das ist das Maximale, mehr kann ich nicht machen“, sagte der Unterhachinger bei der Verabschiedung in Frankfurt/Main.
Vier Wochen lang hat Deutschlands Sportler des Jahres gehofft, gebangt und sich in mühseliger Kleinarbeit gegen ein drohendes Aus für seine dritten Olympischen Spiele gestemmt. Mit Erfolg. Ein letzter Härtetest mit einer sauberen Barren-Übung am vergangenen Mittwoch im Trainingszentrum Kienbaum brachte letzte Gewissheit. „Der Bizeps hält“, sagte Dauser am Tag vor der Abreise am vergangenen Samstag: „Es ist ein Wunder, dass ich hier heute sitze und morgen nach Paris fahre. Nicht nur aus ärztlicher Sicht, sondern auch für mich persönlich.“
Dauser dachte schon an Olympia-Aus
Doch was war geschehen? Bei der abschließenden Olympia-Qualifikation am 22. Juni in Rüsselsheim tropfte Dauser beim Kreuzhang plötzlich kraftlos von den Ringen und hielt sich sofort den rechten Oberarm. Der Wettkampf war für ihn beendet, der Olympia-Traum in weite Ferne gerückt. „Für mich war es eigentlich vorbei in dem Moment. Ich habe direkt gemerkt, dass irgendwas abgerissen ist“, berichtete der Unterhachinger mit Wohn- und Trainingsort Halle/Saale rückblickend. Mit bandagiertem Oberarm verließ er die Halle zu einer Untersuchung. Das Ergebnis ließ für den Olympia-Zweiten von Tokio nur einen Schluss zu: „Okay, das war’s.“
Die Ärzte aber machten dem Schützling von Trainer Hubert Brylok Mut, dass es dennoch gelingen kann, in Paris zu starten. „Die Ärzte haben mir dann aber gesagt: Es besteht eine minimale Chance. Als ich das gehört habe, war ich direkt Feuer und Flamme“, sagte Dauser. Welche Verletzung genau er erlitten hatte, blieb auf Anraten der Mediziner auch kurz vor Paris geheim - sehr zum Leidwesen des Barren-Spezialisten.
„Es ist schon eine schwerwiegendere Muskelverletzung. Das hat mich selbst ein bisschen genervt, dass das nicht öffentlich gemacht wurde, das war nicht meine Intention. Weil viele Leute dachten, der hat halt eine Zerrung. Es ist was gerissen“, erklärte der deutsche Mehrkampf-Meister. Und auch der Bundestrainer gab nur einen vagen Hinweis. „Dieser Muskel, der da wahrscheinlich ein bisschen angerissen ist, ist zusammengewachsen nach der Aussage von unserem Mannschaftsarzt“, sagte Belenki.
Vertrauen in die bewährte Übung
Ohne die Verletzung galt Dauser als ein Anwärter auf den Olympiasieg am Barren. In diesem elitären Kreis hat sich der Sportsoldat als Olympia-Zweiter, WM-Zweiter und schließlich aktueller Weltmeister geturnt. Doch die Verletzung hat seinen Plan durchkreuzt, seine Gold-Chancen durch eine noch schwierigere Übung zu erhöhen, die er in Rüsselsheim hatte erstmals aufführen wollen. Nun greift er notgedrungen auf die Darbietung zurück, mit der er in den vergangenen drei Jahren seine Erfolge gefeiert hat. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich für mich kein Medaillenkandidat bin. Ich versuche, meine beste Leistung zu turnen und dann schauen wir mal, was rauskommt. Jetzt ist es natürlich durch diese Situation nochmal ganz was anderes. Nichtsdestotrotz habe ich meine Übung drauf und das will ich zeigen“, sagte Dauser.
Der bestandene Belastungstest hat auch Bundestrainer Belenki von der Last befreit, in Milan Hosseini einen Ersatzturner nachzunominieren. „Er hat an beiden Geräten seine Leistung gebracht, also am Barren und am Boden. Und man hat gesehen, er schafft wieder seine Übung, mit der er Weltmeister geworden ist“, sagte der 54-Jährige, „er kann auch die Mannschaft ein bisschen motivieren und nach vorn bringen. Es ist wie ein Rückenwind.“ Es würden zwar dessen Punkte am Reck und an den Ringen fehlen. „Aber wenn er seine Barren-Übung turnt und sie so läuft wie am 17. Juli, dann bekommt er über 15 Punkte und dann ist es auch gut“, sagte Belenki.
Belenki hofft auf Mannschafts-Finale
Neben Dauser gehören der 33 Jahre alte Andreas Toba (Hannover), Nils Dunkel (Halle/Saale), Pascal Brendel (Wetzlar) und Überraschungs-Mann Timo Eder (Ludwigsburg) zur Olympia-Riege, die erneut unter die besten acht Mannschaften kommen und damit in den Endkampf am 29. Juli einziehen soll. „Wenn wir ohne Fehlwertung durchkommen, muss es für das Mannschafts-Finale reichen“, sagte Belenki. Zudem hofft er, dass sich nicht nur Dauser für den Endkampf am Barren qualifiziert, sondern auch Dunkel am Pferd, Toba am Reck sowie zwei der drei Mehrkämpfer Brendel, Dunkel und Eder für das Finale im Sechskampf.