BMX Freestyle Rebecca Berg und der Traum von Olympia
Bei den Sommerspielen 2020 werden die Medaillen in BMX Freestyle Park vergeben. Auch Rebecca Berg träumt von einem Start in Tokio.
Stendal l Noch bevor man den ersten Satz mit Rebecca Berg gewechselt hat, ist klar, dass sie kein Lautsprecher ihrer Szene ist. Als sie von der Stadt Stendal im vergangenen Dezember im Rathaus ins Rampenlicht gesetzt wurde, suchte sie leise und beinahe unscheinbar den Weg zum Sitzungssaal, in dem sie wenig später über ihren bisherigen Weg, über ihre aktuelle Trainingssituation und natürlich über ihren plötzlichen Traum reden durfte. Sie sagte: „BMX Freestyle Park ist ein exotischer Sport, der mir Spaß macht, der mich erfüllt. Es ist ein Adrenalinsport.“ Und ab 2020 in Tokio zudem erstmals olympisch.
An Olympia hatte die 27-Jährige nun nicht gedacht, als sie sich von ihrem Jugendweihe-Geld ihr BMX-Rad kaufte. Andere Fahrräder hatten ja nicht allzu lange gehalten. „Ich bin schon immer gerne mit dem Rad rumgesprungen, bis es kaputt war“, berichtete Berg lächelnd. Ihr Interesse an Freestyle wurde durch einen Fernsehbericht geweckt, da war sie zwölf Jahre jung. Fahrradtouren gehörten ja überhaupt zum Leben ihrer ungemein sportlichen Familie. Die Eltern Gerlinde und Lutz spielten Fußball. Bruder Sebastian besuchte als Rennrad-Spezialist die Sportschule in Cottbus. Mit ihrer Schwester Stephanie trainiert sie regelmäßig im Fitnessstudio. Kraft tanken für einen Sport, der „einen großen autodidaktischen Anspruch“ erfordert, sagte Helmut Kurrat, der Chef des Olympia-Stützpunktes Sachsen-Anhalt.
Kurrat stand ebenso plötzlich vor der neuen Herausforderung BMX Freestyle Park wie der Geschäftsführer des Landes-Radsportverbandes, Stefan Thomé. Kurrat sagte: „Bislang passte der Sport nicht in unsere Förderschiene, aber jetzt hat Rebecca einen Kaderstatus, damit können wir handeln und damit haben wir an allen Schrauben gedreht, die regional möglich sind.“ Wie die physiotherapeutische Betreuung. Thomé erklärte: „BMX lief bei uns ja nur nebenbei, deshalb sind wir von der aktuellen Entwicklung überholt worden.“
Am 9. Juni 2017 hatte das Internationale Olympische Komitee BMX Freestyle Park ins Programm für die Tokio-Spiele aufgenommen. „Jetzt bauen wir eine Vereinsstruktur auf, eine Wettkampfstruktur haben wir noch nicht“, so Thomé. Eine offene Landesmeisterschaft in Halle in diesem Jahr soll den Auftakt ins neue Zeitalter beim Verband bilden.
In Halle ist auch der Verein ansässig, für den Rebecca Berg startet und der da Congrav new sports heißt. „Ich wollte für Sachsen-Anhalt starten“, betonte die freundliche junge Frau, die im Hauptberuf Mechatronikerin bei der Firma Alstom ist – und die auch von ihrem Arbeitgeber jegliche Unterstützung inklusive Freistellung für Lehrgänge und Wettkämpfe erhält. „Ich arbeite bis 14 Uhr“, berichtete Berg, „dann gehe ich zum Training.“ Und trainieren muss sie intensiv.
BMX Freestyle Park ist die Kunst, Sprünge mit technischen Tricks zu verbinden. Und das in einem abgegrenzten Raum, dem Park. Es gibt gefühlt unendlich viele Begriffe für die Übungen, die man im internationalen Wettbewerb über vier Meter hohe Rampen ausführt. Ein Beispiel: Beim Tobbagon dreht Berg in der Luft den Lenker um 90 Grad mit der einen Hand, mit der anderen greift sie zum Sattel. Und je nach Ausführung gibt es entsprechend Wertungspunkte.
Im kleinen Skatepark Stendal lässt sich das alles üben, dort sind die Rampen allerdings nur zwei Meter hoch, „die kleinste Größe im Weltcup“ also, sagte Berg. Und selten gut im Winter. „Manchmal trainiere ich eine halbe Stunde, manchmal vier. Das ist nicht förderlich für eine Olympia-Teilnahme.“
Berg fährt deshalb an den Wochenenden nach Halberstadt in die Harz-Roll Skatehalle oder in den Mellowpark nach Berlin, wo sie vom neuen Bundestrainer Tobias Wicke betreut wird und wo sie mit der zweiten jungen Dame aus dem Kader des Bundes Deutscher Radfahrer trainieren kann: Lara Lessmann (19), die von Flensburg zum künftigen Bundesstützpunkt gewechselt ist.
Mit ihr streitet sich Berg um das eine Ticket für Olympia, denn Deutschland hat bei den Frauen und Männern als Zweiter der Länderwertung nur jeweils einen Startplatz. Und die führende USA (zwei Plätze) ist quasi uneinholbar. „Momentan bin ich die Nummer zwei“, sagte Berg. Was sich auch im Ergebnis der jüngsten Weltmeisterschaft in Chengdu (China) ablesen lässt. Lessmann wurde im vergangenen November Vierte, Berg belegte Platz 15.
Trotzdem war sie zufrieden: „Ich hatte mir bei der WM 2017 im Training den Fuß gebrochen. Ich wollte eigentlich schon aufhören und musste erstmal zu mir finden. Ich bin im vergangenen Jahr oft gefallen, deshalb war es für mich wichtig, bei der WM zwei saubere Läufe durchzubringen.“
Das will Rebecca Berg auch in den nächsten Wettbewerben wie den German Open in Berlin Ende März, den Weltcups in Hiroshima (Japan), Montpellier (Frankreich) und Chengdu (China) und bei der folgenden WM zeigen – und Punkte für die Weltrangliste sammeln. Ohne zu fallen.