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LSB-Präsidentin "Die Vereine brauchen die Politik"

LSB-Chefin Silke Renke-Lange spricht im Volksstime-Interview über die ersten Lockerungen und die Überlebenshilfe für Vereine.

Von Daniel Hübner 07.05.2020, 09:42

Magdeburg l Silke Renk-Lange steht bereits in ihrem ersten Jahr als Präsidentin des Landessportbundes (LSB) wohl vor der härtesten Herausforderung: Sie muss mit der Landesregierung über Hilfe für die Vereine verhandeln und gleichzeitig für die Umsetzung alle Regeln und Vorgaben zur Eindämmung des Coronavirus sorgen. Über die aktuelle Lage sprach die Volksstimme mit der 52-Jährigen.

Volksstimme: Sportgruppen mit bis zu fünf Personen dürfen im Freien trainieren. Vereine müssen zuvor Anträge auf Nutzung der kommunalen Anlagen stellen. Die 5. Landesverordnung Sachsen-Anhalts, die bis zum 27. Mai gilt, steht für die ersten Lockerungen in der Corona-Krise. Wie groß ist Ihre Erleichterung, Frau Renk-Lange?

Silke Renk-Lange: Die Erleichterung ist natürlich groß. Wir brauchen den Sport, der so viele Vorteile mit sich bringt. Sport ist nicht nur Bewegung. Sport ist gut für das Immunsystem. Und im Sport werden auch die sozialen Kontakte gepflegt. All diese Dinge haben in den vergangenen Wochen so sehr gelitten. Von daher sind die Lockerungen ein positives Signal. Aber: Es gibt weiterhin konkrete Vorgaben und Regeln zur Hygiene und zum Abstandhalten, an die wir uns in der Corona-Krise zu halten haben. Wenn wir das schaffen, dann werden wir auch im Sport stufenweise wieder zur Normalität zurückfinden können.

Viele Leistungssportler haben das Problem, dass es ihnen wegen der Absage der internationalen Höhepunkte und des damit fehlenden Saisonziels sehr schwer fällt, sich zu motivieren. Sie haben selbst 18 Jahre Leistungssport betrieben. Können Sie sich in die Lage der Athleten in dieser außergewöhnlichen Situation hineinversetzen?

Ganz ehrlich: Das habe ich selbst so nicht erlebt, dass Sportstätten geschlossen werden, dass man nicht mehr trainieren darf. Dass plötzlich alles infrage gestellt wird, weil es keine sportlichen Höhepunkte mehr gibt. Trotzdem kann ich das Motivationsproblem verstehen. Denn es macht ja einen Leistungssportler aus, im Wettbewerb zu stehen und sich mit anderen zu messen. Und wenn man einmal auf dem Treppchen oben steht, ist es das beste Gefühl, das man haben kann. Deswegen sollte sich jeder auch in solch schwieriger Zeit immer seine Träume und Ziele vor Augen halten.

Welche Unterstützung kann der LSB bieten, damit Sportler diese schwierige Phase auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2021 überwinden?

Wir haben zum Glück eine Sondergenehmigung für ein Training der Olympia- und die Perspektivkader unter Auflagen erwirken können. Andere Bundesländer haben das nicht. Wir haben gemeinsam mit dem Olympiastützpunkt Videobotschaften an die Vereine versendet und bieten ihnen jegliche Unterstützung an. Und wir zeigen den Athleten, welche Wertschätzung wir ihnen entgegenbringen. Wir sind froh und stolz, sie als die Leuchttürme zu haben.

Die Basis für die künftigen Leuchttürme wird nun im Breitensport gelegt. Doch in zahlreichen Sportarten ist die Saison vorzeitig beendet worden. Können Sie und der LSB Hoffnung geben, dass vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt des Jahres Wettkämpfe wie eine landesoffene Meisterschaft ausgetragen werden?

Ich muss zunächst deutlich sagen: Wir sind froh, dass die Landesregierung überhaupt diesen ersten Schritt genehmigt hat, dass wir wieder in Gruppe mit bis zu vier Athleten und einem Trainer im Freien Sport treiben dürfen. Das bedeutet aber auch, dass derzeit ein Punktspielbetrieb oder andere Wettbewerbe nicht stattfinden können. Wenn wir uns aber weiter an die Regeln halten, werden wir auch schrittweise in den normalen Sportalltag zurückkehren. Und darauf sind viele Fachverbände bereits gut vorbereitet. Wir werden jetzt vor allem die Zeit nutzen, um das Ehrenamt in den Vereinen weiter zu stärken.

Inwiefern?

Zunächst freue ich mich, dass wir die geregelte Vereinspauschale (jährlich 2,72 Millionen Euro für 2826 Vereine/d. Red.) bereits auszahlen können. Um die wirtschaftlichen Ausfälle zu kompensieren, brauchen wir aber wie in vielen anderen Bundesländern einen Rettungsschirm für die gemeinnützige Arbeit in den Vereinen, damit diese die schwierige Phase überleben. Dazu stehen wir als LSB mit unserer Landesregierung in Verhandlung, haben aber bislang nicht den erwünschten Erfolg erzielt.

Der LSB hat in einer Erhebung aufgezeigt, dass der wirtschaftliche Schaden in 720 Vereinen 7,5 Millionen Euro beträgt. Lotto Sachsen-Anhalt hat wiederum einen Hilfsfonds über eine Million Euro eingerichtet. Reichen die derzeitigen öffentlichen Mittel nicht zum Überleben?

Ich bin froh, dass wir Lotto Sachsen-Anhalt als Partner an unserer Seite haben. Aber eine Million Euro, und bei diesem Hilfsfonds geht es in erster Linie um den finanziellen Ersatz für ausgefallene Veranstaltungen, werden nicht reichen. Finanzielle Unterstützung gibt es zudem für Vereine mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb wie zum Beispiel einer Gaststätte, die diese Mittel bei Investitionsbank des Landes beantragen konnten.

Aber für die anderen Vereine gibt es derzeit keine Möglichkeit, die Phase finanziell zu überbrücken und die wirtschaftlichen Ausfälle zu kompensieren. Deshalb brauchen wir die Politik, die hinter ihren Vereinen im Land steht. Keine Gemeinschaft darf wegen Corona in Insolvenz gehen.

Sie sind am 23. November 2019 als Nachfolgerin von Andreas Silbersack zur LSB-Präsidentin gewählt worden und haben danach gesagt: „Der Posten ist für mich persönlich eine Herausforderung.“ Sind Sie in den vergangenen Wochen zuweilen amtsmüde geworden?

(lacht) Solch ein erstes Jahr habe ich auch nicht unbedingt gebraucht. Aber ich bin nicht müde geworden. Im Gegenteil.Es motiviert mich ja, wenn ich sehe, welche Zeichen mir die Vereine senden, wie sie auch in dieser Zeit durchhalten wollen, wie sie die Sportstätten erhalten und das Vereinsleben organisieren. Genau deshalb empfinde ich das Amt nicht als Last oder als Pflicht.

Ich bin selbst Sportlerin genug, um sschnell in die Normalität zurückkehren zu wollen. Trotzdem ist es meine Aufgabe, die Vorgaben des Landes umzusetzen. Das ist mein Job. Und der lässt mich gerade wachsen.