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DFB-Team Rüdiger: "Motivation sollte genug vorhanden sein"

Seine erste Fußball-WM endete für Antonio Rüdiger im Debakel. Nach dem Vorrunden-Aus mit Deutschland bedauert er vor allem den Rücktritt von Mesut Özil. Doch sein Blick geht nach vorn. Mit dem DFB-Team und mit seinem Verein Chelsea hat er noch viel vor.

Von Interview: Philip Dethlefs, dpa 24.08.2018, 09:43

Nach der WM-Enttäuschung konnte Nationalspieler Antonio Rüdiger (25) zuletzt mit dem FC Chelsea wieder Erfolge feiern. Unter dem neuen Trainer Maurizio Sarri feierten die Blues zum Auftakt zwei Siege in zwei Spielen.

Im dpa-Interview spricht Rüdiger über den neuen Coach und die Ziele mit den Blues. Er erklärt auch, wie es mit dem DFB-Team weitergehen soll und äußert sich zum Rücktritt von Mesut Özil.

Die Weltmeisterschaft in Russland war aus deutscher Sicht eine Enttäuschung. Und im Nachgang gab es noch viel Unruhe, vor allem um Mesut Özil, der schließlich aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist und das auch mit einem "Gefühl von Rassismus" begründet hat. Wie sehen Sie das?

Rüdiger: Was ich in dieser ganzen Diskussion nicht verstehe, ist, warum teilweise darüber diskutiert wird, ob es innerhalb der Nationalmannschaft Rassismus gebe. Das hat doch auch Mesut selbst nie in einem Satz behauptet! Ich finde das alles extrem traurig, wie sich das entwickelt hat. Mesut war im DFB-Team immer ein Spieler, zu dem ich aufgeschaut habe. Schade, dass er jetzt dann nicht mehr dabei sein wird. Schuld am Ausscheiden waren wir auf jeden Fall alle gemeinsam und keine Einzelpersonen.

Worauf kommt jetzt beim Neuaufbau des Nationalteams an?

Rüdiger: So platt diese Parole nun auch klingen mag, es ist genau das richtige Rezept: Wir müssen jetzt nach vorne schauen, statt uns immer und immer wieder diese extrem enttäuschende WM vor Augen zu halten! Wir können natürlich dieses Erlebnis nicht einfach so wegwischen, aber das darf uns bei den nächsten Spielen nicht blockieren. Motivation sollte nun bei jedem Spieler genug vorhanden sein, um zu beweisen, dass das in Russland alles andere als unsere Normalform war.

Nun ist die Premier League gestartet. Für Sie und den FC Chelsea ist der Neustart unter Sarri geglückt. Wie schätzen Sie die Chancen in dieser Saison ein? Auf welchem Platz landen Sie mit den Blues am Ende?

Rüdiger: Wir haben das Maximum an Punkten geholt und trotzdem gibt es noch sehr viel zu verbessern in allen Bereichen - sowohl defensiv als auch offensiv. Das hat auch jeder gesehen. Somit können wir sehr zufrieden sein mit der Ausbeute und trotzdem weiß jeder, dass wir uns noch steigern müssen. Wir wollen uns dieses Jahr zumindest wieder für die Champions League qualifizieren. Dass wir die Top 4 erreichen, bin ich auch sehr optimistisch. Alles andere wird sich zeigen.

Wie gut kann Chelsea mit Meister Manchester City und dem aufgemotzten FC Liverpool mithalten?

Rüdiger: Im Community Shield war das schon wieder sehr stark gegen uns. Aber in der Premier League muss man erst einmal seinen Titel verteidigen. Das hat sehr lange kein Team mehr geschafft. Sollte City im Gegensatz zur letzten Saison eine Schwächephase haben, wollen wir zur Stelle sein. Liverpool hat sich gut verstärkt, aber das haben wir auch. Wir müssen und werden uns vor keinem Team verstecken!

Welchen Eindruck macht Sarri bisher in der kurzen Zeit? Was zeichnet ihn aus?

Rüdiger: Er hat eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie man Fußball zu spielen hat. Wie er selbst immer betont, wird das in Perfektion nicht innerhalb weniger Wochen funktionieren. Das braucht noch etwas Zeit! Neapel hat vergangene Saison in ganz Europa möglicherweise den attraktivsten Fußball gezeigt nach Man City. Dort wollen wir auch hinkommen. Ich persönlich habe sein Vertrauen vom ersten Tag an gespürt. Ich kann mich zudem auf Italienisch mit ihm unterhalten. (lacht)

Torwart Kepa kam für rund 80 Millionen Euro und ist der teuerste Keeper aller Zeiten. Wie sind solche Summen zu rechtfertigen?

Rüdiger: Natürlich ist das eine enorme Summe. Aber so ist der Markt aktuell eben. Und man darf nicht vergessen: Er ist erst 23 Jahre alt. Wenn er sich so weiterentwickelt, wird er in den nächsten Jahren nicht an Wert verlieren.

Im Sommer sind mehrere deutsche Profis nach England gewechselt (Max Meyer, André Schürrle, Erik Durm). Worauf kommt es an, damit man in der Premier League schnell Fuß fasst?

Rüdiger: Tatsächlich ist das ein großer Schritt. Die Spiele sind schneller, intensiver und das Programm ist extrem herausfordernd, vor allem wenn man dann noch international spielt. Dafür muss man physisch, aber auch mental vorbereitet sein. Ich bin mit meiner Entwicklung in England sehr zufrieden, muss aber klar eingestehen: Wäre ich damals direkt von der Bundesliga zu so einem großen englischen Verein wie Chelsea, wäre der Schritt möglicherweise zu früh gewesen. Der Zwischenschritt nach Italien war für mich im Nachgang betrachtet absolut perfekt. Und mit den Learnings aus Deutschland und Italien war ich dann bereit und habe vom ersten Spieltag an immer meine Einsatzzeiten bekommen.

Wird die Lücke zwischen der englischen Liga und der Bundesliga größer?

Rüdiger: Ja, das ist meiner Meinung nach auf jeden Fall so. Das gibt die UEFA-Fünfjahreswertung auch teilweise gar nicht deutlich genug wieder, weil diese zum Beispiel nicht die Stärke der Vereine im Mittelfeld der Ligen misst. Bei uns reichen am Wochenende keine 90 Prozent, um die Gegner zu besiegen. Auch Clubs im Tabellenkeller haben eine enorme individuelle Klasse und können nach einem 0:2-Rückstand nochmals zurückkommen. Drei oder vier Stammspieler für die internationalen Auftritte zu schonen ist hier kaum möglich. Bayern München in Deutschland oder Real Madrid und Barça in Spanien haben es gerade bei Heimspielen doch häufig sehr leicht. In England investieren inzwischen die Aufsteiger teilweise mehr als die Champions-League-Teilnehmer in der Bundesliga.

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen England, Deutschland und Italien?

Rüdiger: Aus Spielersicht lernt man taktisch enorm in Italien. Mein damaliger Trainer Luciano Spalletti hatte mich beispielsweise nach einer meiner ersten Trainingseinheiten unter ihm gefragt, was ich eigentlich jahrelang in Deutschland trainiert habe. In England geht es körperlich enorm zur Sache, das Tempo ist am höchsten und die Teams haben eine sehr hohe individuelle Klasse, sodass du dich keine Sekunde ausruhen kannst, es kann immer etwas passieren. Die Bundesliga sehe ich im Moment in Bereichen wie Taktik, Tempo oder Physis nicht an der Spitze.

Website der Deutschen Nationalmannschaft

Website des FC Chelsea

Antonio Rüdiger auf Twitter