Paralympics-Siegerin Sponsoren-Ärger wegen Schwangerschaft: Hoffnung für Semechin
Ihr Auftritt im ZDF-Sportstudio hatte für viel Wirbel gesorgt. Nun berichtet Weltklasse-Schwimmerin Elena Semechin von guten Nachrichten. Ein grundsätzliches Thema bleibt.

Berlin - Der eine Sponsor ganz weg, der andere pausiert, geplante Einnahmen brechen weg. Das ist die unschöne Seite einer Schwangerschaft im Spitzensport, über die Paralympics-Schwimmerin Elena Semechin aus eigener Erfahrung heraus im April im ZDF-Sportstudio gesprochen hat. „Das sind schon Gedanken und Sorgen, die man sich macht. Wie finanziere ich mich dann, dann kommt ja noch ein Menschlein dazu.“
Die Empörung nach Semechins Einblick war groß, die Reaktionen fielen zahlreich aus, auch im Hause Semechin. „Weit über 100 Nachrichten mit guten Wünschen auf den verschiedenen Kanälen“ hätten sie danach direkt erreicht, teilte die sehbehinderte Weltklasse-Athletin der dpa mit. Das Wichtigste aber: „Einer der Sponsoren hat seine Entscheidung überdacht.“
Zudem hätten sich zahlreiche potenzielle Geldgeber bei der 31 Jahre alten zweimaligen Paralympics-Siegerin gemeldet, die an Morbus Stargardt erkrankt ist. Gespräche würden bereits stattfinden, „das freut mich sehr und ich bin gespannt, ob es zu einer festen und langfristigen Partnerschaft kommt.“
Semechins Forderungen an die Verbände
Schwanger sein und gleichzeitig Leistungssport betreiben, das ist weiter eine große Herausforderung, findet Semechin, die im März ihre Schwangerschaft öffentlich machte. Sie nimmt vor allem die Sportverbände in die Pflicht. „Für werdende Mütter braucht es mehr Sicherheit und Planbarkeit“, fordert sie.
Die Förderung und Kaderzugehörigkeit müssten sich ab dem Zeitpunkt der Schwangerschaft automatisch für die kommende Saison verlängern, findet Semechin. Zudem soll es „Fördermaßnahmen und Budgets für die Betreuung des Kindes bis mindestens zum 3. Lebensjahr während der Wettkämpfe und den Trainingslagern geben, damit die Athletinnen ihren Sport auch weiterhin professionell ausüben können“.
Rennrodlerin Eitberger berichtet von Einbußen
Zwar bemühen sich Sportverbände, bessere Bedingungen zu schaffen - und haben dies teilweise auch schon. Doch die Privatwirtschaft ist daran nicht gebunden. In Sponsorenverträgen seien konkrete Vereinbarungen zugunsten der Sportlerinnen für den Fall einer Schwangerschaft bislang eher unüblich, berichtet etwa Dajana Eitberger. Die Top-Rennrodlerin wurde während ihrer aktiven Karriere schwanger - und ärmer: „Ich hatte in dem Jahr finanzielle Verluste im unteren fünfstelligen Bereich. Und natürlich fehlen einem noch mögliche Prämien.“
Sie habe nach knapp drei Monaten ihre Sponsoren und Partner über die Schwangerschaft informiert, erzählt Eitberger. „Da braucht es dann viel Fingerspitzengefühl.“ Die 34-Jährige betont aber auch, dass ihr alle Sponsoren treu geblieben seien - bis auf eine Ausnahme. „Ein Partner hat dann ausgesetzt, mir aber zugesichert, wieder einzusteigen, wenn ich in den Leistungssport zurückkehre. Der Sponsor ist dann auch wieder eingestiegen.“
Prominenter Fall in den USA
Größer war der Unmut vor einigen Jahren in den USA, als unter anderem die siebenfache Leichtathletik-Olympiasiegerin Allyson Felix nach ihrer Schwangerschaft den Sportartikelhersteller Nike scharf kritisierte. Nach der Geburt ihrer Tochter im November 2018 habe Nike ihren Sponsorenvertrag um 70 Prozent kürzen wollen. „Du wirst bestraft, weil du plötzlich Mutter bist“, klagte Felix. Die US-Firma gelobte in der Folge Besserung.
Statt ein PR-Desaster zu riskieren, wirbt Eitberger dafür, dass Sponsoren die Schwangerschaft ihrer Athletin für Werbezwecke nutzen können. Erst recht, wenn es bei der Rückkehr in den Spitzensport wieder mit einer Medaille klappt. „Wer das Potenzial dieser starken Geschichte nicht erkennt, der verpasst die Chance, einen anderen Mehrwert als Unternehmen zu schaffen.“
Das haben offenbar auch Semechins Sponsoren erkannt. Die von der dpa kontaktierten Unternehmen betonen, die Schwimmerin weiter im bisherigen finanziellen Rahmen unterstützen zu wollen. Auch die Sporthilfe habe sich bei ihr gemeldet und einige Möglichkeiten angeboten, erklärt Semechin, bei der Ende 2021 nach ihrem Gold-Triumph von Tokio ein Hirntumor diagnostiziert worden war.
„Elena hat ganz andere Hürden gemeistert und Mut bewiesen. Sie ist eine absolute Kämpferin. Auch das ist ja eine Geschichte. Und die Werte, mit denen Unternehmen werben wollen, trägt man ja trotzdem weiter“, sagt Eitberger. Für die Olympia-Silbermedaillengewinnerin steht fest: „Nur weil man sich für eine Familie entscheidet, sollten keine finanziellen Nachteile entstehen.“