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Boxen Kabayel trickst seinen Trainer aus

SES-Schwergewichtler siegt auf der Magdeburger Seebühne, verschweigt aber eine Verletzung an der rechten Hand.

Von René Miller 19.07.2020, 03:58

Magdeburg l Mit dem Kampfabend auf der Magdeburger Seebühne setzte der SES-Boxstall ein echtes Achtungszeichen. Dass eine Sportveranstaltung erstmals wieder mit Zuschauern stattfand, sorgte nämlich für weltweite Beachtung und war Werbung für die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Der hochklassigste Boxabend war die SES-Veranstaltung am Sonnabend auf der Magdeburger Seebühne vor rund 600 Zuschauern nicht. Aber die Boxwelt jubelte trotzdem, weil endlich wieder vor Zuschauern geboxt wurde. Noch während der Kämpfe, die auch vom US-Sportsender ESPN übertragen wurden, kamen per WhatsApp Glückwünsche über den Atlantik an die Elbe.

„Dank unseres fleißigen Teams haben wir für ein Signal im Sport gesorgt und auch Werbung für unsere Stadt gemacht. Und darauf bin ich sehr, sehr stolz“, sagte ein zufriedener SES-Promoter Ulf Steinforth, nachdem der letzte Gong geschlagen wurde.

Währenddessen kühlte Agit Kabayel in der Kabine seine rechte Hand, die er aufgrund einer angeschwollenen Kapsel gar nicht mehr richtig ballen konnte. Dass der SES-Schwergewichtler den Hauptkampf des Abends gegen den Griechen Evgenios Lazaridis klar und einstimmig nach Punkten gewann, linderte die Schmerzen allerdings kräftig. Und bewahrte Kabayel auch vor einer kräftigen Ansage seines Trainers Sükrü Aksu. Der Boxer hatte nämlich verheimlicht, dass er sich vor drei Wochen an der rechten Hand verletzt hat. Kabayel: „Die Ringpause von 504 Tagen war lang genug. Da wollte ich nicht schon wieder einen Kampf absagen.“

Zunächst merkte man das dem 27-Jährigen in seinem 20. Profikampf auch gar nicht an. Kabayel brauchte zwar ein, zwei Runden, um nach der langen Pause den Ringstaub abzuschütteln. Doch dann sah vieles danach aus, dass der Grieche trotz seiner Nehmerqualitäten nicht über die Runden kommen wird. Kabayel dominierte klar, war im Vorwärtsgang und hielt den Gegner mit einer guten Führhand auf Distanz.

Doch wenn der Bochumer mal eine Schlagserie setzte, fehlte irgendwie der letzte Punch. Aksu: „Als ich Agit vor der 6. Runde gefragt habe, warum er mit der Rechten nicht mehr richtig zuschlägt, hat er mir erst verraten, dass er Schmerzen hat. Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich den Kampf abgesagt. Das Risiko einer Niederlage wäre mir zu groß gewesen. Aber jetzt ist alles gut. Er hat ja gewonnen.“

Dass sich Kabayel mit seinem 20. Profikampf den eher unbedeutenden Continental-Titel der WBA sichern konnte, war für ihn eher zweitrangig. Kabayel: „Ich habe ein bisschen gebraucht, um richtig reinzukommen. Aber es hat richtig gutgetan, endlich wieder im Ring zu stehen. Unter freiem Himmel hier auf der Seebühne war auch der Rahmen perfekt. Wenn man so lange nicht geboxt hat, sorgt das schon für ein Kopfkino. Doch jetzt kann ich mich ein bisschen zurücklehnen. Und dann will ich irgendwann die großen Kämpfe.“

Auch Steinforth erfuhr von der Verletzung erst nach dem Kampf und musste tief Luft holen. „Menschlich kann ich das verstehen. Aber das ist natürlich schon ein großes Risiko. Denn damit kann man auch seine Karriere aufs Spiel setzen“, sagt der SES-Chef. Allerdings mit einem Lächeln. Denn unterm Strich hat SES mit diesem Boxabend einen Meilenstein gesetzt. Steinforth: „Ein Dankeschön auch an die Zuschauer, die diszipliniert mitgemacht haben. Dieser Abend macht mir Riesenhoffnung für die ganze Branche. Wir haben heute viele Kenntnisse gewonnen und Erfahrungen gesammelt, die wir auch gerne weitergeben.“

Im Kampf zuvor wollte der andere SES-Schwergewichtler Peter Kadiru (Hamburg) gerade richtig loslegen, als sein Gegner vor der 4. Runde nicht mehr aus seiner Ecke kam. Der kurzfristig für den eigentlich vorgesehenen Ruben Wolf eingesprungene Eugen Buchmüller aus Bremen hatte sich an der rechten Schulter verletzt. Kadiru: „Schade, ich wollte ihn erst ein bisschen müde machen und dann Tempo aufnehmen.“

So kam der 23-jährige Hamburger relativ mühelos zum 8. Sieg im 8. Profikampf. Kadiru: „Spaß hat es trotzdem gemacht. Unter freiem Himmel zu boxen, ist durch die frische Luft auch sehr angenehm.“ Sein Trainer nahm den Mini-Kampf ebenfalls gelassen. Christian Morales: „Peter hat das Tempo bestimmt und sehr gut mit seinem Jab gearbeitet. Hinten raus wäre es für den Gegner richtig eng geworden. Aber so ist das nun einmal im Boxen.“

Die Berlinerin Nina Meinke musste im Federgewicht zwar über die acht vorgesehenen Runden gehen, konnte sich am Ende aber über einen einstimmigen Punktsieg gegen Edina Kiss aus Ungarn freuen. Meinke: „Ich hatte über ein Jahr Pause. Da bildet sich schon ein bisschen Ringrost. Aber als ich den abgeschüttelt hatte, war ich ganz zufrieden."

Ein ordentliches Profidebüt feierte SES-Neuzugang Artur Henrik (Bremen) im Mittelgewicht mit einem einstimmigen Punktsieg gegen Miguel Aguilar aus Nicaragua. Punktsiege gab es auch für Edison Zani (Hamburg) gegen Maurice Morio (Worms) im Superweltergewicht und Collins Ojal (Kenia) gegen Georgij Fibich (Tschechien) im Schwergewicht.