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Boxen Wird Schwarz gegen Fury zum WM-Kampf?

Tom Schwarz vom Magdeburger SES-Boxstall kann gegen Tyson Fury deutsche Box-Geschichte schreiben, denn es könnte um einen WM-Titel gehen.

Von René Miller 12.06.2019, 15:22

Las Vegas/Magdeburg l Tom Schwarz kontra Tyson Fury. Gestern standen sich der SES-Schwergewichtler und der Engländer in Las Vegas bei der Pressekonferenz erstmals gegenüber. Wenn beide in der Nacht zum Sonntag in den Ring steigen, könnte es möglicherweise sogar um den WM-Gürtel der WBO gehen.

Noch ist das Duell zwischen Tom Schwarz und Tyson Fury in der Nacht zum Sonntag in Las Vegas (ab 4.30 Uhr live im MDR) ein ganz normaler Boxkampf. Zwar spektakulär – aber ein Titel steht dabei nicht auf dem Spiel. Noch nicht! Denn Fury plauderte am Rande des öffentlichen Trainings aus, dass es möglicherweise um den WBO-Gürtel gehen könnte.

Hintergrund ist ein möglicher Kampf zwischen Andy Ruiz jr. und Anthony Joshua. Ruiz hatte am 1. Juni im New Yorker Madison Square Garden Joshua sensationell durch einen K.o. in Runde sieben bezwungen. Doch beide Lager hatten schon im Vorfeld vertraglich einen Rückkampf vereinbart. Und das ist genau die Chance für Schwarz und Fury: Denn wenn der Sensationsweltmeister dieses Duell annimmt und nicht erst eine Pflichtverteidigung bestreitet, dann will ihm der Weltverband WBO den WM-Titel aberkennen. Und weil Tom Schwarz in der WBO-Rangliste an Nummer zwei und Fury an vier geführt werden, könnte es zwischen beiden dann kurzfristig um den vakanten Titel gehen.

Das wäre aus deutscher Sicht ein absoluter Box-Hammer. Denn Schwarz könnte so der erste deutsche Schwergewichtsweltmeister seit Max Schmeling werden.

Für Fury wiederum würde sich bei einem Sieg dann sogar ein Kreis schließen. Ende November 2015 hatte der 2,06-Meter-Riese die Boxwelt so richtig geschockt, als er Wladimir Klitschko als Champion der IBF, WBA und WBO entthronte. Einen Monat später wurde ihm damals aber der IBF-Titel aberkannt, weil er nicht gegen den Pflichtherausforderer Wjatscheslaw Hlaskow angetreten war, sondern einen Rückkampf gegen Klitschko anstrebte.

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass auch die WBO im aktuellen Fall so entscheidet und der Las-Vegas-Trip für Tom Schwarz und das gesamte SES-Team zum Box-Märchen wird.

Märchenhaft ist eigentlich auch, dass Fury überhaupt wieder im Ring steht. Denn so sehr der Engländer, gebürtig aus Manchester, mit den Fäusten auch austeilen konnte, so sehr nagten immer psychische Probleme an ihm. Nach dem Triumph über Klitschko aß und trank sich Fury auf ein Körpergewicht von 180 Kilo, nahm Drogen und hatte Selbstmordgedanken. Fury: „Ich stand am Abgrund und war kurz davor, mich umzubringen.“ Angeblich saß er sogar schon in seinem Ferrari und wollte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Brückenpfeiler rasen.

 „Ich habe mein ganzes Leben lang unter psychischen Problemen gelitten, seit ich ein kleines Kind war. Ich hatte Depressionen und Angstzustände und wusste nie, was es war“, sagt Fury heute ganz offen. Die Familienverhältnisse waren schwierig. Sein Vater John wurde 2011 zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem er einem Bekannten mit bloßen Händen ein Auge ausgestochen hatte.

Richtig Halt fand Fury, der seinen Vornamen dem ehemaligen Weltmeister Mike Tyson zu verdanken hat, eigentlich nie. Das hat auch den Rückkampf gegen Klitschko verhindert. Gleich zwei Mal sagte Fury mit den abenteuerlichsten Ausreden den Rückkampf ab. Beim ersten Mal gab er eine Knöchelverletzung an, wurde aber kurz darauf bei der Fußball-EM 2016 trinkend und tanzend mit englischen Fans in einer Kneipe in Frankreich fotografiert. Im Oktober 2016 legte er dann seine Titel freiwillig nieder und wollte eigentlich nie wieder boxen.

Im Juni vor einem Jahr meldete er sich mit einem Sieg gegen Sefer Seferi zurück, gewann im August dann auch  gegen Francesco Pianeta. Und im Dezember verteidigte er trotz seiner langen Pause beim Remis gegen Deontay Wilder eindrucksvoll den inoffiziellen Titel des „linearen Weltmeisters“ im Schwergewicht. Was Boxer darunter verstehen? Fury besiegte mit Klitschko einst den unangefochtenen Champion. Doch auch wenn er aktuell keine WM-Gürtel mehr trägt – er blieb seither in allen Kämpfen ungeschlagen und fühlt sich deshalb immer noch als der absolute König im Schwergewicht.

Weil seine Familie den „Irish Travellers“, einer Roma-ähnlichen Volksgruppe, entstammt, nennt sich Fury stolz „Gypsy King“. Und der „Zigeunerkönig“ war in den letzten Wochen ein gern gesehener Gast in US-Talkshows. Der 30-Jährige versteht es ja auch wie kaum ein anderer, seine Kämpfe als große Show zu zelebrieren. Sein Promoter Bob Arum, der schon mit Muhammad Ali und Floyd Mayweather arbeitete, will den Briten zum Superstar in den USA machen. Mit ESPN gibt es für rund 91 Millionen Euro einen TV-Deal über fünf Kämpfe. Fury: „Bob hat die besten Kämpfer der Welt gefördert. Jetzt darf er den gesprächigsten Charakter, den liebenswerten Schurken, den gutaussehenden Briten fördern.“

Und der scheint auch an seinem Image zu arbeiten. Früher ließ sich Fury in Interviews auch mal zu rassistischen, antisemitischen und homophoben Aussagen hinreißen. Vor dem Duell gegen Schwarz lobte er seinen Gegner sogar in den höchsten Tönen. Für den Briten steht der SES-Kämpfer auf gleicher Stufe wie Ruiz und Dominic Breazeale, die letzten Gegner von Joshua und Wilder. Fury: „Tom Schwarz ist als Einziger dieser drei ungeschlagen. Deshalb wird er mehr Stolz und Willen mit in den Ring bringen als die anderen zwei“.