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Kanu Hergert vom SCM paddelt der "10" entgegen

Vier SCM-Kanutinnen, ein Ticket: Auch Julia Hergert rechnet sich Chancen auf einen Start bei den Sommerspielen aus.

Von Daniel Hübner 21.07.2020, 01:01

Magdeburg l Barby ist ein Hort der Idylle im Salzlandkreis. Ein Ort, an dem es sich formidabel ruhen lässt, während nebenan die Fähre Autos, Fahrräder und Menschen von Ufer zu Ufer transportiert. Ein Ort, an dem sich Elbe und Saale Guten Morgen und Gute Nacht sagen. Ein Ort, der in der vergangenen Woche eine Zuflucht für die fünf Kajak-Damen Jasmin Fritz, Nina Krankemann, Julia Hergert, Josefine Landt und Lotti Behling, den Kajak-Herr Moritz Florstedt und den Kajak-Trainer Mark Zabel vom SC Magdeburg gewesen ist. Raus aus dem seit Monaten coronabedingt obligatorischen Trainingsheim an der Zollelbe, rein in die Abwechslung. Wenngleich nur für wenige Tage. Aber diese wenigen Tage hat Julia Hergert genossen.

Und sie hat sie in aller Zufriedenheit genossen. Jene Zufriedenheit, die sie aus den beiden jüngsten Leistungstests des Deutschen Kanuverbandes (DKV) aus Duisburg mitgebracht hat. Vor allem nach den Tests über die 500 Meter, über die sie einmal Vierte und einmal Dritte wurde. „Das waren gute Trainingsfahrten für mich, in denen ich etwas probieren konnte, in denen ich sehen konnte, wie der Start und wie es für mich im Rennen läuft. Jetzt weiß ich, wo ich stehe“, betont Hergert. Und sie steht ziemlich gut da. Wenn also schon morgen die nationale Rangliste, die vom 6. bis 8. August zugleich als deutsche Meisterschaft wiederum in Duisburg gestartet wird, steigt, „dann wäre ich bereit“.

Auch bereit, um einer Hoffnung Ausdruck zu verleihen. Denn die Verlegung der Olympischen Spiele in den Sommer 2021 war „für mich eher positiv“, sagt die 21-Jährige. „Dieses Jahr bringt mir noch mehr Erfahrung und mehr Reife, womit meine Chancen auf einen Start in Tokio möglicherweise steigen.“ Die Chance auf ein Ticket im Zweier-Kajak über 500 Meter, das der DKV noch holen kann.

Es besteht kein Zweifel daran, dass sie zumindest um diese Chance kämpfen darf. Eigentlich könnte Hergert noch in der U 23 in diesem und im nächsten Jahr starten, doch Bundestrainer Arndt Hanisch hat womöglich mit Bedacht die Schönebeckerin zu allen Lehrgängen im A-Kader mitgenommen. Er hat sie paddeln lassen in verschiedenen Zweierkombinationen. Mal mit Steffi Kriegerstein. Mal mit Jule Hake. Mal mit Sarah Brüßler. Und mal mit Clubgefährtin Jasmin Fritz. In allen Booten hat sie sich wohlgefühlt, ob auf Schlag oder im Bug. „Aber vielleicht“, sagt Hergert, „findet sich noch eine andere Kombination, die schneller ist.“ Schnell genug, um zum Olympia-Qualifikationsrennen im nächsten Jahr zu paddeln.

Diese Chance hat sie im vergangenen Januar, nach ihrer Ausbildung bei der Polizei in Kienbaum, mit Trainer Mark Zabel in Angriff genommen. Sie haben an der Sprintfähigkeit gearbeitet. Sie hat festgestellt, „relativ konstant“ ihre Leistung abrufen zu können. Und sie verfügt „zum Ende eines Rennens über ein gutes Stehvermögen“, sagt Hergert.

Wenn sie sich selbst auf dem Weg zur kompletten Kanutin auf einer Skala von „0“ (am Anfang) bis „10“ (Höhepunkt des Könnens), Hergert würde sich auf Position sechs bis sieben einstufen. Die Abzüge sind schnell aufgezählt: Einmal ist es die Technik, „da habe ich noch das größte Potenzial“, betont sie. Dann muss sie grundsätzlich schneller werden. Und dann fährt ja auch ihr Kopf mit. Über den sie sagt: „Ich mache mir zu viele Gedanken vor einem Rennen. Und dann ist es bei mir tagesformabhängig, ob ich mal gegenhalten kann oder nicht.“ Ihre Rechnung lautet also: Mentale Stärke plus formvollendete Technik macht eine „10“ auf der Entwicklungsskala.

In beidem kann sie sich vor und während der deutschen Meisterschaft üben, es werden für sie vielleicht die letzten Rennen in diesem Jahr sein. Der DKV möchte zum Weltcup nach Szeged (Ungarn) und zur Europameisterschaft nach Pitesti (Rumänien) im Herbst die U 23 schicken. Beide Termine passen nicht unbedingt in die Olympia-Vorbereitung des A-Kaders. „Nach diesem Jahr zähle ich mich prinzipiell zum A-Kader dazu“, sagt Hergert. Als dieser wiederum könnte sie auch im nächsten Ausbildungssemester der Polizei ab September pausieren. „Aber noch ist nichts entschieden.“

Stattdessen würde Julia Hergert dann irgendwo in der Welt und bei DKV-Lehrgängen weiter Erfahrung und Reife sammeln. Vielleicht im obligatorischen Indian Harbour Beach (Florida), wenn es Corona zulässt, vielleicht in Montemor-o-Velho in Portugal. Irgendwo jedenfalls, wo sich auch ein idyllisches Plätzchen finden lässt.