Abschied auf großer Turn-Bühne Toba geht mit Dankbarkeit - „Habe Körper genug angetan“
Andreas Toba betritt ein letztes Mal die große Turn-Bühne. Die Heim-EM in Leipzig will er genießen. Der „Hero de Janeiro“ erklärt, warum er aufhört und es genau der richtige Ort für ihn ist.

Leipzig - Andreas Toba geht mit Genießerblick durch die Arena. Bei seinem Abschied von der großen Turn-Bühne will der 34-Jährige noch einmal alles in sich aufsaugen: die Atmosphäre, die Stimmung, das besondere Flair der Heim-Europameisterschaften in Leipzig. „Dass ich jetzt hier nochmal sein darf, ist für mich einfach nur noch genießen, ohne Druck, einfach nur Spaß haben; jeden einzelnen Moment, jedes einzelne Teil, jeden einzelnen Blick in der Halle und mit Mannschaftskollegen genießen“, sagt der Hannoveraner, nachdem er beim Podiumstraining einen ersten Eindruck gewonnen hatte.
Es schwingt auch ein wenig Wehmut mit, wenn der als uneigennütziger Mannschafts-Turner bekannte Toba an das bevorstehende Ende seiner Langzeit-Karriere denkt. Im schlimmsten Fall ist nach der Qualifikation an diesem Dienstag (17.30 Uhr) Schluss, wenn er gemeinsam mit Nils Dunkel (Halle/Saale), Milan Hosseini (Böckingen), Timo Eder (Ludwigsburg) und Dario Sissakis (Berlin) das Team-Finale am Donnerstag verpasst und auch nicht in die Top 8 für ein Geräte-Finale kommt.
„Es ist auf jeden Fall kein einfacher Schritt für mich gewesen, die internationale Karriere an den Nagel zu hängen“, gibt er zu. Fest steht aber schon, dass er ab 1. Juni Landestrainer in Hannover wird. Nur ein bisschen Bundesliga will er dann noch turnen, wenn sein neuer Job es zulässt.
Gedämpfte Erwartungen an die Mannschaft
Bis dahin aber ist er noch wie eh und je mit Leib und Seele dabei. „Profi-Turner“, wie er selbst sagt. Drei vernünftige Übungen an Pauschenpferd, Ringen und seinem Lieblingsgerät Reck will er präsentieren, „um der Mannschaft helfen zu können, so gut wie möglich nach vorne zu kommen“.
Insgesamt aber will Toba die Erwartungen an das neue Team mit dem neuen Bundestrainer Jens Milbradt nicht zu hoch schrauben. Es finde gerade ein Umbruch statt. Die Mannschaft müsse sich erstmal noch ein bisschen finden. „Da müssen wir die Kirche im Dorf lassen“, betont er.
Der Anspruch an sich selbst ist so hoch wie immer. Mit Ehrgeiz mitunter über die Schmerzgrenze hinaus hat sich Toba einen Platz in der deutschen Turn-Geschichte erarbeitet. „Ich habe in meinem Leben viel mehr erreicht, als mir fast alle Menschen in der Jugend zugetraut haben“, resümiert er. Die für Turner große Anzahl von vier Olympia-Teilnahmen nennt er, markiert sie doch einen Zeitraum von mindestens 16 Jahren auf allerhöchstem Niveau.
Dank an Körper und Gott
Unvergessen ist dabei sein Auftritt 2016 in Rio de Janeiro, als er mit einem Kreuzbandriss noch in der Team-Qualifikation am Pauschenpferd turnte. Dadurch wurde er als „Hero de Janeiro“ auch weit über die Turn-Welt hinaus berühmt. „Es gehört halt zu mir, es ist Teil meines Lebens. Ich komme ganz gut klar mit der Geschichte“, sagt er. Den deutschen Mehrkampf-Titel drei Jahre später sowie EM-Silber am Reck 2021 in Basel zählt er als weitere besondere Leistungen auf.
Nun aber ist Schluss. Der geschundene Körper sendet Toba eindeutige Signale. Anfang des Jahres unterzog er sich einer Schulteroperation, zuletzt zwickte der Rücken derart, dass er Zweifel hatte, die Qualifikation für Leipzig zu schaffen. „Ich glaube, ich habe meinem Körper genug angetan. Und ich bin ihm auch wirklich dankbar und Gott dankbar, dass er mir die Kraft gegeben hat in den letzten Jahren, das alles zu überstehen“, sagt er.
„Ein feiner Mensch“
Neun Monate nach Ex-Barren-Weltmeister Lukas Dauser verliert der Deutsche Turner-Bund nun ein weiteres Aushängeschild. „Er ist ein sehr feiner Mensch, ein exzellenter Turner nicht nur am Reck. Er ist mit dem Turnvirus infiziert“, sagt Verbandschef Alfons Hölzl.
Bundestrainer Milbradt, mit dem Toba als damaliger Junioren-Bundestrainer 2004 schon seinen ersten internationalen Wettkampf bestritten hatte, schmerzt der Verlust. „Allein von der Professionalität in jedem Training, von der Vorbereitung auf jedes Training, von der Einsatzbereitschaft, von der Disziplin und von dem Teamspirit, den er mitbringt, wird er eine Riesenlücke hinterlassen“, sagt er.
Leipzig ist Tobas finale Station seiner Farewell-Tour. Es fühlt sich für ihn richtig an, sagt er, weil sein erster richtiger Trainer, Peter Scholz, aus Leipzig kommt und Milbradt auch der Bundestrainer seines letzten Wettkampfes ist. „Irgendwie schließt sich da der Kreis. Es wirkt so, als würde es endlich für mich einen vernünftigen Abschluss geben“, sagt Toba. Er wirkt dankbar und zufrieden.