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Wohnungsbau-Konferenz Beratergremium lehnt Mietpreisbremse und Sozialwohnungen ab

In einem Monat steigt im Kanzleramt eine Wohnungsbau-Konferenz. Wissenschaftler haben schon einmal ihre Vorschläge präsentiert. Doch Ideen wie eine Abschaffung der Mietpreisbremse stoßen auf Gegenwind.

23.08.2018, 15:19
Ein Beratergremium der Bundesregierung hält die Mietpreisbremse für wirkungslos. Foto: Jens Kalaene
Ein Beratergremium der Bundesregierung hält die Mietpreisbremse für wirkungslos. Foto: Jens Kalaene dpa-Zentralbild

Berlin (dpa) - Zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit empfiehlt ein Beratergremium der Bundesregierung ein grundsätzliches Umdenken. Der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium wirbt für den weitgehenden Verzicht auf den sozialen Wohnungsbau und die ersatzlose Streichung der Mietpreisbremse.

Diese Maßnahmen hätten sich als unwirksam oder sogar kontraproduktiv erwiesen, heißt es in einem Gutachten, das die Wissenschaftler in Berlin vorgestellt haben.

SPD-Vize Thorsten Schäfer Gümbel lehnt die Vorschläge allerdings als "marktradikalen Unfug" ab. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erwägt offenbar keine Abschaffung der Mietpreisbremse. "Aktuell diskutieren wir intensiv, wie die Mietpreisbremse durch gesetzliche Vorgaben zur Miettransparenz verbessert werden kann", erklärte Altmaier in einer ersten Reaktion.

In seinem Gutachten betrachtet der Beirat die Mietpreisbremse als weitgehend wirkungslos - und wäre sie wirksam, würde sie nach Ansicht der Wissenschaftler die Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen noch verschärfen. Wegen der begrenzten Möglichkeit von Mietsteigerungen gebe es nur wenig Anreiz für Neubau und Modernisierung, erklärte der Konstanzer Volkswirtschaftler Friedrich Breyer. Der Vorsitzende des Beirats, Hans Gersbach, ergänzte, bei einer funktionierenden Mietpreisbremse wäre ein Teil der möglichen Neubauprojekte nicht mehr profitabel.

Der soziale Wohnungsbau sollte nach Einschätzung des Gremiums zumindest stark zurückgefahren werden - unter anderem, weil der weitgehende Verzicht auf eine Fehlbelegungsabgabe zu einer Fehlleitung von Subventionen führe.

Stattdessen setzt der Beirat auf den Ausbau eines reformierten Wohngelds. Es helfe allen Bedürftigen, und die Bedürftigkeit werde - anders als bei Sozialwohnungen - regelmäßig überprüft, erklärte Breyer. Darüber hinaus empfehlen die 38 Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler zusätzliche Anreize für den Neubau, etwa durch eine Lockerung von Bauvorschriften und eine Senkung der Grunderwerbsteuer.

Die FDP sieht sich durch das Gutachten bestätigt. "Staatliche Interventionen auf einem überhitzten Markt bringen nichts", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Föst. Stattdessen müsse mehr, schneller und günstiger gebaut werden. Auch die Eigentümerorganisation Haus & Grund unterstützt die Vorschläge der Wissenschaftler: "Die Politik muss endlich wieder die privaten Einzeleigentümer in den Fokus ihrer Wohnungspolitik stellen", forderte Verbandspräsident Kai Warnecke.

Die Linke und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnen die Ratschläge des Beraterkreises hingegen ab. "Eine weitere Spaltung der Gesellschaft wäre damit vorprogrammiert", warnte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Notwendig seien vielmehr ein Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und eine Verschärfung der Mietpreisbremse. Die Linken-Fraktionsvize Caren Lay ergänzte, eine Konzentration auf Wohngeld und privaten Neubau wäre "das reinste Anreizprogramm für höhere Mieten".

Auch der Deutsche Städtetag kann die Empfehlungen der Gutachter nach eigenen Worten nicht nachvollziehen. "Der soziale Wohnungsbau ist das wichtigste Instrument, um Menschen mit geringem Einkommen bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen", erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Im Gegensatz dazu seien die Kräfte des freien Marktes in den vergangenen Jahren maßgeblich am Anstieg der Mieten und der Verknappung des Wohnraums beteiligt gewesen.

Gutachten "Soziale Wohnungspolitik" des Wissenschaftlichen Beirats

Der Wohnraummangel gilt in gefragten Gegenden als Hauptgrund für Preissteigerungen. Foto: Arno Burgi/Archiv
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Hier wollen alle wohnen: Das inzwischen durchsanierte Szeneviertel Prenzlauer Berg in Berlin. Foto: Jens Kalaene
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Kräne auf einer Baustelle für bezahlbare Mietwohnungen. Foto: Christian Charisius
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«Zu vermieten» steht in großen Lettern an einem Balkon eines Mietshauses in Berlin. Foto: Tim Brakemeier
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Zu vermieten - aber zu welchem Preis? Die Koalition hält an der Mietpreisbremse fest. Foto: Ralf Hirschberger
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Neubau im Frankfurter Stadtteil Oberrad. Foto: Frank Rumpenhorst
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