1. FC MAgdeburg Über Reue und Triumph: Das Exklusiv-Interview mit Ex-FCM-Spieler Philip Türpitz
Der einstige Shooting-Star vom 1. FC Magdeburg Philip Türpitz, erzählt exklusiv der Volksstimme, wie schwer ihm der FCM-Abgang fiel, was er von Ost-Fußball hält und warum er manche Entscheidung bereut.

Volksstimme: Herr Türpitz, wie kommt man aus einem Dorf am Rande der Schwäbischen Alb bis in die Zweite Bundesliga?
Philip Türpitz: Meine Eltern meldeten mich bei meinem Dorfverein TSV Rißtissen an. Dort wurde ich auf einem Turnier gesichtet. Mit elf Jahren bin ich dann zum SSV Ulm gewechselt.
Später wechseln Sie in die zweite Mannschaft von Schalke 04 und kurz darauf zum Chemnitzer FC. Als Süddeutscher, der viel im Westen gekickt hatte: Wo lag der Reiz für einen Ost-Klub zu spielen?
Ich hatte gehofft bei Schalke II in den Profikader zu kommen, hatte dort manchmal auch mittrainiert. Zu einem Bundesligaeinsatz kam es für mich aber leider nicht. Der Osten hatte in dem Alter gar keine Rolle für mich gespielt. Chemnitz machte ein Angebot, ich wollte den nächsten Schritt machen und spielte dort erfolgreich dritte Liga.
"Es gibt in Deutschland wenig Vergleichbares wie die FCM-Fans."
Philip Türpitz
Und obwohl Sie erfolgreich bei den Sachsen waren, wie Sie sagen, kam der Wechsel zum 1. FC Magdeburg. Wie kam es dazu?
Maik Franz und Mario Kallnik (Ex-FCM-Funktionäre, Red.) wollten mich. Wir haben uns mit dem damaligen Trainer Jens Härtel in Magdeburg getroffen und ich hatte mich schnell entschieden in Magdeburg zu spielen, bei einem Traditionsverein mit einer überragenden Fanbase.

Sie haben 65 Spiele für den FCM absolviert. Wie prägend war diese Zeit?
Es war die erfolgreichste und schönste Zeit meiner Karriere. Wir sind in meinem ersten Jahr beim FCM aufgestiegen, in die zweite Liga. Ein Traum ist wahr geworden. Im Moment des Aufstiegs blickt man auf die lange Zeit als Fußballer zurück. Man nimmt all die Entbehrungen wahr, die man in Kauf genommen hat, weit weg von Familie und Freunden und immer unterwegs zu sein. Oft auch allein zu sein. Und dann der Triumph. Das alles kommt in einem Augenblick zusammen. Es war schade, dass wir die Klasse nicht halten konnten, sonst hätte ich Magdeburg wohl so schnell nicht verlassen.
Sie sind dann vom FCM zum Zweitliga-Verein SV Sandhausen gewechselt. Sie sprachen eben von einer überragenden Fanbase beim 1. FC Magdeburg. War Sandhausen mit seinem kleinen Stadion und deutlich weniger Fans bei Spielen für Sie ein Rückschritt?
Rückschritt würde ich zwar nicht sagen, aber vom öffentlichen Faninteress her ist das definitiv was anderes. In Magdeburg wird der Fußball gelebt. Es gibt in Deutschland wenig Vergleichbares wie die FCM-Fans, die Woche für Woche so eine Performance abliefern auf den Rängen. Das gibt es in Sandhausen nicht. Mit Magdeburg kann nicht viel mithalten.
Die wenigsten haben so wie Sie das Glück, die FCM-Fans von unten, also vom Rasen aus, zu erleben.
Ein wunderschönes Gefühl, dass man so nicht beschreiben kann. Gerade wenn man mit dem Geräusch der Domglocken aus den Katakomben auf den Platz kommt und die Fans sieht, das ist pure Gänsehaut.
Haben Sie in der Zeit beim FCM Freundschaften geschlossen?
Ein Aufstieg schweißt zusammen. Auch wenn sich die Wege trennen, bleibt der Kontakt mit manchem. So wie mit Christian Beck. Es tut mir immer noch weh, dass ich bei seinem Abschiedsspiel nicht dabei sein konnte. Ich hatte am selben Tag ein Spiel.

Es gibt einen besonderen Moment zwischen Ihnen und Christian Beck. Beim Spiel vom FCM gegen den Hamburger SV versucht er in der letzten Minute den Ball festzumachen. Mit Beckus’ Hilfe kommt dieser vor Ihre Füße und Sie hämmern das Ding mit links vor ausverkauftem Volksparkstadion ins gegnerische Tor, drehen das Spiel. Ekstase bei Ihnen und auf den Rängen.
Es war ein intensives Spiel, unfassbar. Ausverkauftes Haus, über zehntausend Magdeburger im Stadion. Ich nahm den Ball mit vollem Risiko und treffe ihn perfekt. Da sind alle Dämme gebrochen, selbst unser Torhüter stand plötzlich neben mir an der Eckfahne und hat gefeiert. Für mich das schönste und wichtigste Tor meiner Karriere.
Dieses Spiel, es sollte eines der letzten für Sie im Trikot vom FCM sein. Sie wechselten danach zum SV Sandhausen, wieder zurück nach Süddeutschland. War es eine bewusste Entscheidung, wieder zurück in den Süden zu gehen?
Mit Uwe Koschinat war da ein Trainer beim SVS, der mich unbedingt haben wollte. Außerdem war ich wieder in der Nähe meiner Heimat. In Sandhausen konnte ich einfach spontan zu meiner Familie fahren. Ein großer Zugewinn meiner Lebensqualität.
Würden Sie sich als Familienmensch bezeichnen?
Auf jeden Fall. Ich bin selbst von Magdeburg aus immer sehr viel in die Heimat gefahren, über 600 Kilometer pro Strecke. Manchmal sogar nur für einen Tag. Mir war und ist es immer wichtig, mit meinen Eltern und meinen Freunden Zeit zu verbringen, deswegen habeich diesen Ritt in Kauf genommen. Egal, wie anstrengend das war.
"Das gehört dazu im Leben, Entscheidungen zu treffen, die nicht ganz so gut sind."
Türpitz über seinen Abgang vom FCM
Sie haben als Spieler in vielen Vereinen in West- und Ostdeutschland gespielt. Unter anderem bei drei großen Traditionsvereine des Ostens. Gibt es einen Unterschied zwischen West- und Ostfußball?
Im Osten investieren die Fans oft viel mehr für den Verein und sind leidenschaftlicher. Außerdem schaut man kritischer auf die Spieler. Das habe ich nach meinem Abgang vom FCM besonders deutlich gemerkt. Was da geschrieben wurde über mich, was mir unterstellt wurde ...
Was meinen Sie?
Mir wurde unterstellt, dass ich nur aufs Geld schauen würde und dass ich ein Söldner sei. Das fand ich in dem Moment sehr schade. Denn jeder der mich kennt, weiß, wie schwierig es mir fiel von Magdeburg zu gehen. Ich hatte beim SV Sandhausen die Möglichkeit, weiter in der Zweiten Liga zu spielen. Das Finanzielle war mir nebensächlich. Ich wollte wieder näher an die Heimat. Ich glaube, das konnten viele nicht verstehen oder wollten das nicht akzeptieren. Es wurde vergessen, dass ich alles für Magdeburg gegeben habe.
Der Begriff „Wandervogel“ fiel gelegentlich mit ihrem Namen.
Bis jetzt habe ich alle meine Verträge erfüllt. Ohne Wenn und Aber, auch in Magdeburg. Ich hätte bereits nach dem Aufstieg vom FCM weggehen können, die Möglichkeiten gab es. Aber für mich war klar: Ich bleibe in Magdeburg.
Welche Vereine haben da bei Ihnen damals angeklopft?
Das kann ich so jetzt nicht sagen (lacht).
Haben Sie es jemals bereut, nicht gewechselt zu haben, nach dem Aufstieg mit dem FCM?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe eher bereut, dass ich gewechselt bin. Im Nachhinein, mit etwas Abstand, würde man vielleicht die ein oder andere Entscheidung so nicht mehr treffen. Aber das gehört dazu im Leben, Entscheidungen zu treffen, die nicht ganz so gut sind. Die Zeit in Magdeburg möchte ich auf gar keinen Fall missen, sie war eine der schönsten in meinem Leben.
Ich höre das zwar schon raus, aber trotzdem die Frage: Gibt es eine Verbundenheit zu einem der vielen Vereine, in denen Sie gespielt hatten?
Ganz klar mit Magdeburg. Als ich letzte Saison gegen Magdeburg getroffen hatte (als Spieler von Türkgücü München, Red.), hatte ich mich bei den FCM-Fans dafür entschuldigt. Weil es mir unfassbar wichtig ist den Fans zu zeigen, dass mir der Verein am Herzen liegt. Es ist mein Herzens-Verein. Wird er auch immer sein. Ich werde den FCM weiter verfolgen, werde immer Magdeburg-Fan sein. Einmal immer.

Seit Juli sind Sie vereinslos. Wie ist Ihre aktuelle Situation als Profifußballer?
Aktuell halte ich mich fit. Ich habe in Aue trainiert, wie man aus den Medien lesen konnte, da war ich ja vier Wochen, bin aber krank und deswegen wieder in der Heimat. Grundsätzlich warte ich gerade darauf, dass etwas Passendes für mich dabei ist.
Sie trainieren noch aktuell mit der Mannschaft von Aue mit?
Ich habe mich seit Anfang September bei Erzgebirge Aue fit halten dürfen. Der damalige Trainer Timo Rost und auch sein Nachfolger Carsten Müller, der ja ebenfalls eine FCM Vergangenheit hat, haben mir freundlicherweise dafür die Möglichkeit geben. Ich hätte dies von Vereinsseite aus bis zur Winterpause machen dürfen, habe aber nun letzte Woche aus unterschiedlichen Gründen für mich entschieden, dass ich vorerst an meinen momentanen Wohnort Nürnberg zurückkehren werde. Ich werde nun regional nach einer Lösung suchen, wo ich mich fit halten kann. Es wird sich eine Möglichkeit auftun.

Sie sind mit 31 Jahren im goldenen Herbst eines Fußballers. Wie würden Sie ihre aktuelle körperliche Situation einschätzen.
Ich fühle mich so gut, wie schon lange nicht mehr. Ich kann viel für mich selber trainieren und merke, dass ich hundert Prozent im Saft bin. Mit meinen Qualitäten kann ich jeder Mannschaft sofort weiterhelfen. Es war nur die richtige noch nicht dabei.
Gibt es einen Wunschverein?
Dritte Liga wäre natürlich top. Es gibt Vereine, bei denen ich mir gut und manche bei denen ich mir nicht so gut vorstellen könnte zu spielen. Ich bin immer für alles offen. Ich würde aber sofort auch wieder nach Magdeburg gehen. Da würde ich niemals Nein sagen.
Immerhin bringen Sie die Erfahrung aus fast 60 Zweitliga- und 170 Drittligaspielen mit. Vielleicht klopft ja Otmar Schork bald bei Ihnen an.
Meine Telefonnummer hat er.
Herr Türpitz, vielen Dank für das Gespräch.