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"Bedarfsgerecht": Hilfe, wenn der Bescheid unverständlich ist...

16.11.2011, 04:24

Von Gudrun Oelze

"Solange Sie weiter SGB-II-Leistungen benötigen, haben Sie trotz einer Arbeitsaufnahme möglicherweise keinen Anspruch auf Einstiegsgeld. Das muss im Einzelfall geprüft werden..." Barbara Höckmann nimmt den Telefonhörer in die andere Hand und schaut noch einmal im "Leitfaden zum Arbeitslosengeld II" nach. Der liegt auf einem Schreibtisch im Magdeburger Gewerkschaftshaus.

Dort sitzt die Sozialrechtsexpertin von der Hochschule Magdeburg-Stendal an jedem Dienstagnachmittag, um gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Peter Schruth und Studenten des Fachbereichs Sozial- und Gesundheitswesen ratsuchenden Hartz-IV-Betroffenen Hilfe und Unterstützung zu bieten.

"Bedarfsgerecht" heißt das Projekt, das Barbara Höckmann 1993 als Sozialhilfe-Beratung startete, und für das es seit Einführung des ALG II wachsenden Bedarf gibt. Denn mit den im Amts-Deutsch formulierten Bescheiden von Jobcenter oder KoBa kommen viele erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht klar und zweifeln oft zu Recht, wie das "Bedarfsgerecht"-Team meint, auch die Höhe der ihnen zugebilligten Leistungen an. Manche brauchen einfach jemanden, der ihnen zuhört, und nicht wenige sind zufrieden, wenn sie nach der Beratung bei "Bedarfsgerecht" wissen, dass ihr Hartz-IV-Bescheid richtig ist. Durch das Projekt "Bedarfsgerecht" der Hochschule Magdeburg-Stendal gibt es in Kooperation mit der DGB-Jugend Sachsen-Anhalt einmal in der Woche in Magdeburg eine kostenlose und vertrauliche Beratung zu Fragen rund um ALG II und Sozialgeld. "Vieles lässt sich telefonisch klären", weiß Barbara Höckmann, doch bei komplizierten Sachverhalten sei es besser, wenn die Leute mit ihren Unterlagen persönlich zur Beratung kommen. Dann können die Bescheide mit Blick auf die gesetzlichen Grundlagen und die Rechtsprechung geprüft, unter Umständen zum Widerspruch oder auch zur Klage geraten werden.

Dass sich Verfahren zum SGB-II-Komplex bei den Sozialgerichten häufen und die dortigen Kapazitäten für eine zügige Bearbeitung nicht reichen, weiß die Hochschullehrerin aus Erfahrung als ehrenamtliche Richterin in Halle. "Wir sind jetzt bei Klagen aus dem Jahr 2009", sagt sie.

Barbara Höckmann hat Jura und Pädagogik studiert, war in der Sozialarbeit tätig, bevor sie 1991 nach Sachsen-Anhalt kam. Seit 1993 ist sie Dozentin an der Hochschule Magdeburg-Stendal, wo sie Studierende unter anderem über das Recht auf Grundsicherung nach SGB II und XII unterrichtet. Da ein freiwillig wählbares Projekt für die Studierenden Bestandteil der Ausbildung ist, hat "Bedarfsgerecht" immer auch studentischen Beistand.

Derartige Beratungsangebote zu Grundsicherungsleistungen gibt es in Sachsen-Anhalt nicht viele. Das zeigen Anfragen aus der Altmark oder dem Salzlandkreis, mit denen das Projekt in Magdeburg zahlreich konfrontiert wird.

Nach wie vor ein Dauerbrenner sind Fragen zu Kosten der Unterkunft und Heizung, in ländlichen Regionen häufig im Zusammenhang mit selbstgenutzten Eigenheimen. "Ein neues Problem, was auf uns zukommt", meint Barbara Höckmann, "ist die ¿Zwangsverrentung\'. Denn die Jobcenter können ohne Zustimmung Betroffener eine vorgezogene Altersrente beantragen".

Beratung im Rahmen des Projektes "Bedarfsgerecht" gibt es dienstags von 12 bis 15 Uhr in Magdeburg, Otto-von-Guericke-Straße 6, Tel: 0391/62503 26.