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Kultur Der letzte Tausendsassa

Weltbürger und Multitalent Peter Ustinov wäre heute 100 Jahre alt geworden

Von Uwe Kreißig 16.04.2021, 09:35

Magdeburg

Geboren 1921 in London entstammte Ustinov einer Weltbürgerfamilie mit adligen Einschlag. Seine Vorfahren kamen aus Russland, Deutschland, Italien, Äthiopien und Frankreich. Eine kleine Karriere in Theater und Film wurde vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen, wo er in der britischen Armee diente. Sein Vorgesetzter im Krieg war zeitweise kein anderer David Niven.

Richtig kam seine Laufbahn mit dem Hollywood-Monumentalfilm „Quo Vadis“ nach dem Roman von Henryk Sienkiewicz in Gang. Ein Hintergrund des Filmes ist die apokryphe Geschichte, das sich Petrus und Christus auf der Via Appia vor den Mauern Roms noch einmal begegnet sind. Ustinov spielte weder Petrus noch Christus, aber sein größenwahnsinniger Nero machte ihn zum internationalen Superstar. 1961 erhielt er für die Rolle des Gladiatorenmeisters in Stanley Kubricks „Spartacus“ seinen ersten Oscar. Mit der Gaunerkomödie „Topkapi“ kam 1965 der zweite hinzu. Der Streifen ist immer noch ansehbar, nicht zuletzt, wenn man einen Eindruck vom alten Istanbul bekommen will, das so nicht mehr existiert.

Für lange Zeit wurde er nun für starbesetzte Filme gebucht, darunter für Klassiker wie „Die Stunde der Komödianten“ nach Graham Greene. Stilbildend bleiben die Agatha-Christie-Verfilmungen „Das Böse unter der Sonne“ und „Tod auf dem Nil“, in denen er den Detektiv Hercule Poirot sprichwörtlich verkörperte. Der polyglotte Ustinov konnte sich dafür selbst synchronisieren. Wenn wir Filme mit seiner Mitwirkung in deutscher Fassung genießen, hören wir meistens Sir Peter.

Sir Peter war vermutlich der letzte Tausendsassa, ein Mann, der auch als Autor, Kritiker, Moderator, Rezitator oder Unicef-Sonderbotschafter glänzte. Manch seiner Auftritte in Film und Fernsehen ging auf Kosten des guten Geschmacks, aber Ustinov brauchte das Geld, denn den Dingen des Lebens war er in jeder Hinsicht immer zugetan. Dazu gehörten für ihn natürlich luxuriöse Karossen. Ustinov fuhr Maserati, Aston Martin oder Rolls-Royce. Als der Käufer eines Youngtimers Jowett Jupiter, der einst Ustinov gehört hatte, ihn in dieser Sache um ein persönliches Gespräch bat, beschied ihm dessen Manager kühl die Konditionen: „Ein Gespräch mit Sir Peter? Das kostet 10 000 Mark.“

Ustinov hatte keine Scheu, auch in der Provinz aufzutreten, wenn der Scheck entsprechend ausgestellt war. Als 1993 das Chemnitzer Opernhaus nach einer umfangreichen Sanierung wieder eröffnet wurde, gestaltete er dort seine Ein-Mann-Show „Ein Abend mit Peter Ustinov“ und inszenierte die Rachmaninow-Oper „Francesca da Rimini“. Man redet in Chemnitz heute noch davon.

Ustinov, der über Jahrzehnte am Genfersee lebte, arbeitete zeitlebens unermüdlich. Dass sein letzter Film ausgerechnet die TV-Schmonzette „Wintersonne“ nach Rosamunde Pilcher war, beweist, dass er sich seine unnachahmliche Selbstironie bewahrt hatte.