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Zum 100. Geburtstag Hildegard Knef und Klaus Kinski: Herbert Tobias, Fotograf aus Dessau, hatte die Stars vor der Kamera

Vor 100 Jahren wurde in Dessau der Fotograf Herbert Tobias geboren. Seine Karriere war steil. Er arbeitete für die Vogue und andere Modezeitschriften. Sein Leben nahm 1982 ein tragisches Ende. Sein einsames Sterben verhindert die verdiente Anerkennung.

17.12.2024, 17:12
Der Fotograf Herbert Tobias wurde vor 100 Jahren in Dessau geboren. Hier im Selbstporträt.
Der Fotograf Herbert Tobias wurde vor 100 Jahren in Dessau geboren. Hier im Selbstporträt. Fotos: Berlinische Galerie

Dessau/MZ. - Weihnachten an der Ostfront und mondäne Mannequins vor Berliner Ruinen, Stadtstreicher in den Straßen von Paris, Kinderspiele, Kneipenszenen und immer wieder männliche Akte: Das Lebenswerk des Herbert Tobias ist ein Panorama in Schwarz-Weiß, das von einem ebenso umtriebigen wie getriebenen Künstler erzählt.

Geboren am 14. Dezember 1924 in Dessau, aufgewachsen in der westfälischen Stadt Höxter, nach dem Wehrmachts-Dienst und amerikanischer Gefangenschaft erste Gehversuche als Schauspieler – und dann der Durchbruch als Fotograf, dem scheinbar die ganze Welt und eine große Zukunft offensteht.

Herbert Tobias stirbt am 17. August 1982 als eines der ersten prominenten Aids-Opfer

Am anderen Ende der Geschichte wartet am 17. August 1982 der Tod: Tobias stirbt als eines der ersten prominenten Aids-Opfer an jener Immunerkrankung, die vor allem unter schwulen Männern wütet und gegen die es in diesen Jahren noch kein lebensverlängerndes Mittel gibt. Am 14. Dezember 2024 hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert.

Ob und wie ihn die ersten zehn Lebensjahre in Dessau prägten, ist nicht überliefert. Immerhin kann man in den dramatischen Lichtspielen und in der Beiläufigkeit seiner Kompositionen ein Echo jener Bildfindungen erkennen, die auch am Dessauer Bauhaus geübt wurden. Dort hatte sein Vater – ein begeisterter Militarist mit eigener Waffenhandlung – zumindest kurzzeitig als Werkmeister in der Metallwerkstatt gearbeitet, ehe er bei der Reichswehr Karriere machte und kurz nach dem Umzug der Familie tödlich verunglückte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sohn bereits das Fotografieren für sich entdeckt, als Soldat schickte er der Mutter per Feldpost die entwickelten Filme, die bereits den genauen Blick für den Moment und die darin befangenen Menschen zeigen. Später, als er sich nach seiner Gefangenschaft in Heidelberg in einen Zivilangestellten der US-Army verliebt und mit ihm vor den Nachstellungen der Sittenpolizei nach Paris emigriert, findet er zu seinen beherrschenden Themen: Die Clochards an der Seine interessieren ihn ebenso wie die nackten, selbstbewussten Männer in unwirtlichen Räumen. Dem Unbehausten, Verletzlichen gilt seine künstlerische Aufmerksamkeit noch im Idyll.

Herbert Tobias hat 1953 einen hoch dotierten Fotowettbewerb der Frankfurter Illustrierten gewonnen

Das bleibt auch so, als er 1953 einen hoch dotierten Fotowettbewerb der Frankfurter Illustrierten gewinnt und in Deutschland zunehmend Erfolge feiert. Herbert Tobias arbeitet für die Vogue und andere Modezeitschriften, er fotografiert Haute Couture in den Nachkriegs-Trümmern von Berlin und entdeckt kleine Hoffnungszeichen in Ruinen – Blumenstände und unbekümmerte Kinder, Imbiss-Buden und Werbetafeln. Eine junge Frau namens Christa Päffgen, die er erstmals öffentlich in Szene setzt, soll später als Nico mit Velvet Underground in Andy Warhols New Yorker Factory Karriere machen.

„Und neues Leben protzt aus den Ruinen.“ Das Foto entstand 1954 in Berlin.
„Und neues Leben protzt aus den Ruinen.“ Das Foto entstand 1954 in Berlin.
Berlinische Galerie

Tobias porträtiert Hildegard Knef und Zarah Leander, Klaus Kinski und Amanda Lear, er reist mit dem berühmten Living Theatre … und Andreas Baader posiert mit freiem Oberkörper vor seiner Kamera, lange bevor er als Terrorist der RAF die Bundesrepublik erschüttern wird.

Doch das exzessive Leben fordert seinen Preis: Der Fotograf kann in der streng durchgetakteten Welt des schönen Scheins immer schlechter mithalten, seine Grautöne und Schlagschatten sind in den Hochglanz-Gazetten nicht länger gefragt.

Anhaltischer Kunstverein will sich um eine Retrospektive von Herbert Tobias an seinem Geburtsort Dessau bemühen

In Hamburg, wo er seit 1969 lebt, arbeitet er vor allem für Schwulen-Magazine wie „him applause“, erst im Jahr vor seinem Tod setzt eine Wiederentdeckung mit Ausstellungen in Berlin und Amsterdam ein. Doch da ist es schon zu spät … und das einsame Sterben verhindert die verdiente Anerkennung. Um eine Retrospektive am Ort seiner Geburt will sich nun der Anhaltische Kunstverein bemühen. Sie wäre eine längst überfällige Entdeckung.