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Zinstief bleibt zunächst EZB stellt Strategie auf den Prüfstand

Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde will bei der Notenbank "jeden Stein umdrehen". Nun wird es konkret. Sparer sollten trotzdem nicht auf ein rasches Ende der Minizinsen hoffen.

23.01.2020, 15:28

Frankfurt/Main (dpa) - Nach Jahren im Zinstief justiert die Europäische Zentralbank (EZB) ihre geldpolitische Strategie neu. Erstmals seit 2003 will die Notenbank eine umfassende Überprüfung auf den Weg bringen.

Das beschloss der EZB-Rat nach einem entsprechenden Vorstoß der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde. "Wir können nicht so operieren wie 2003 - was nicht heißt, dass wir dies oder jenes ändern müssen. Aber wir müssen uns umfassend mit der Wirksamkeit unserer Geldpolitik befassen", sagte Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt. Sie bekräftigte: "Wir werden jeden Stein umdrehen."

Ein rasches Ende des ultralockeren Kurses bedeutet dies aber nicht - zum Leidwesen von Sparern und Banken. Die Währungshüter halten den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken müssen weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Zudem will die Notenbank auf unbestimmte Zeit monatlich 20 Milliarden Euro in den Kauf von Anleihen stecken.

Seit Jahren versucht die EZB, mit einer Flut billigen Geldes die Konjunktur im Euroraum anzukurbeln und die Inflation in Richtung der Zielmarke der Notenbank zu treiben. Hauptziel der Währungshüter sind stabile Preise im Euroraum. Die Notenbank strebt für den Währungsraum mit seinen 19 Ländern mittelfristig eine Jahresteuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.

Dauerhaft niedrige oder auf breiter Front sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Wirtschaft bremsen. Nach jüngsten Zahlen des Statistikamtes Eurostat lagen die Verbraucherpreise im Euroraum im Dezember 1,3 Prozent über dem Stand des Vorjahresmonats. Seit Jahren liegt die Inflationsrate teils deutlich unter 2,0 Prozent.

Unter Lagarde, die am 1. November ihr Amt antrat, hat daher eine Diskussion Fahrt aufgenommen, ob es für die Handlungsfähigkeit der Notenbank nicht sinnvoller wäre, einen Korridor als Ziel für die Teuerungsrate festzulegen.

In einem umfassenden Prozess will die EZB nun ihre Formulierung von Preisstabilität ebenso unter die Lupe nehmen wie das geldpolitische Instrumentarium und ihre gesamte Kommunikation. "Wir werden auf die Erwartungen der Menschen hören, um ihre Anliegen besser zu verstehen", versprach Lagarde. Auch externe Experten sollen eingebunden werden. November/Dezember dieses Jahres wäre aus Sicht Lagardes ein guter Zeitpunkt, die Ergebnisse der Strategieüberprüfung vorzustellen.

Schon vor ihrem Amtsantritt in Frankfurt hatte die damalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) zugesichert, die Nebenwirkungen der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik genauer unter die Lupe zu nehmen. Lagarde bekräftigt aber auch am Donnerstag, sie halte eine sehr lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig.

Das Zinstief macht Banken und Sparern zu schaffen. Sparbuch und Tagesgeldkonten werfen im Grunde keine Zinsen mehr ab. Wer viel Geld bei der Bank hortet, dem drohen gar Negativzinsen. Kreditnehmer profitieren dagegen von vergleichsweise günstigen Konditionen.

"EZB-Chefin Christine Lagarde kommt aus dem geldpolitischen Rahmen ihres Vorgängers Mario Draghi nicht so schnell heraus", stellte Otmar Lang, Chefökonom der Targobank, fest. "Der geldpolitische Anker sitzt so tief, dass ihr nichts anderes übrig bleibt, als die lockere monetäre Gangart fortzusetzen."

Kritiker setzen daher große Hoffnungen auf den nun beginnenden Strategieprozess. "Ermutigend ist, dass die vermeintlichen Vorteile der Negativzinsen innerhalb des EZB-Rats mehr und mehr hinterfragt werden", kommentierte der Chefvolkswirt des Bankenverbandes BVR, Andreas Bley. ZEW-Forscher Friedrich Heinemann befand: "Das Ergebnis der Überprüfung wird darüber entscheiden, ob die Negativzinsen in etwa zwei Jahren enden können oder zum dauerhaften Markenzeichen der Euro-Geldpolitik werden."