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1. FC Magdeburg Straßenfußballer in Blau-Weiß

Heute empfängt der FCM den KFC Uerdingen (14 Uhr). Neuzugang Baris Atik könnte bereits für Kreativität sorgen.

Von Mattis Nothacker 08.01.2021, 18:40

Magdeburg l Wenn es um Baris Atik geht, dann fällt immer wieder ein Wort: „Straßenfußballer“. Atik nimmt den Begriff gerne an - er ist stolz, wenn er so bezeichnet wird. Als Junge damals in Frankenthal, rund zehn Kilometer von Mannheim entfernt, stand Atik morgens auf, aß vielleicht noch ein Stück Brot – und dann ging es los. Von morgens bis abends kickte er auf den „Vier Feldern“ – „so hat man bei uns den Bolzplatz genannt“, erzählt er. „Das war einfach ein Betonplatz mit so einem Viereck. Da standen zwei Betonsteine drauf: Das waren unsere Tore.“

Im Straßenfußball zählt einzig der Sieg, das hat Atik auch charakterlich geprägt. Verlorene Spiele kann er nur schwer ertragen. Nach einer 0:5-Klatsche mit dem 1. FC Kaiserslautern gegen Union Berlin vor drei Jahren liefen bei ihm die Tränen. So etwas wolle er nie wieder erleben, sagte er später. Nach einer Niederlage sollte man ihn drei Stunden in Ruhe lassen. Sonst, meint Atik, könne die Bombe platzen.

Am Dienstag hat sich Baris Atik nun dem 1. FC Magdeburg angeschlossen – eine Mannschaft, die in dieser Saison schon einige Niederlagen hinnehmen musste. So viele, dass sie als Tabellenletzter in die Winterpause gegangen ist. FCM-Sportdirektor Otmar Schork hat den 1,69-Mann verpflichtet, um das zu ändern: am besten sofort. Mit seiner Straßenfußballermentalität, seiner Unbekümmertheit, vor allem seiner Kreativität. Denn das ist noch so etwas, das Atik vom Kicken auf der Straße mitbringt – die überraschenden, außergewöhnlichen Szenen.

In Deutschland werden die Talente mittlerweile früh getriezt und geformt. „Man geht heute eher auf das Geradlinige: vor allem schnell und robust. Aber die Kreativität geht dadurch leider etwas verloren“, meint Atik, der sich seine Spielweise nicht hat austreiben lassen – obwohl auch er bereits früh entdeckt wurde. Schon bei einem Kindergartenturnier wurde der Trainer des VT Frankenthal auf ihn aufmerksam und bat Akins Bruder, ihn doch mal zu den Bambinis mitzunehmen. Nur wenige Jahre später erzielte das kleine Geschwisterkind in einem Turnierendspiel gegen Waldhof Mannheim vier Tore – und wechselte anschließend in die Jugend des Traditionsvereins. Als Teenager folgte der Schritt zur TSG 1899 Hoffenheim, wo Atik intensiv von Julian Nagelsmann, dem heutigen Trainer von RB Leipzig, gefördert wurde. „Er ist ein wilder, unberechenbarer Dribbler. Ein Spieler, wie ihn unser Cheftrainer mag“, sagte Marco Wildersinn, damaliger Coach von Hoffenheim II.

Als Leihspieler bei Sturm Graz in der österreichischen Bundesliga schien Atiks Licht endgültig aufzugehen. „Er ist technisch besser als 90 Prozent aller Bundesliga-Spieler“, schrieb „spox.com“. Sky Sports Austria verglich seine Technik mit der eines Balletttänzers, ließ ihn entsprechend im Grazer Opernhaus barfuß mit dem Ball jonglieren. Auf einer Pressekonferenz geriet die anstehende Partie zur Nebensache, als ein wichtigeres Thema aufkam: Ob sich Atik ein Verbleib in Graz vorstellen könne, statt nach Hoffenheim zurückzukehren? Oder doch nur, wenn der Verein international spielen sollte?

Dreieinhalb Jahre später hat seine rasante Entwicklung jedoch einen deutlichen Knacks bekommen. Nach der erfolgreichen Station in Österreich verliefen die weiteren Leihgeschäfte mit Kaiserslautern und Darmstadt 98 erfolglos. Nach Höhen und Tiefen bei Dynamo Dresden trennten sich im vergangenen Sommer auch dort die Wege. Atik unterschätzte anschließend die Corona-Situation, lehnte Angebote ab und kam im Sommer letztendlich bei keinem Verein unter.

Trotz der schwierigen letzten Jahre sind sich die meisten einig, dass Atik mit seiner Qualität eigentlich in die zweite Liga gehört. Otmar Schork gelang es nun, ihn im besten Fußballalter zu verpflichten. Vor der Weihnachtszeit erfolgte die erste Kontaktaufnahme, anschließend trafen sich beide zu einem persönlichen Gespräch in der Mannheimer Umgebung. Die Überzeugungskraft Schorks, die Gespräche mit Thomas Hoßmang und eben auch der Name 1. FC Magdeburg, der „nach wie vor eine große Strahlkraft besitzt“ (Schork), konnten Atik überzeugen, zum Tabellenschlusslicht zu wechseln. „Er ist ein Spieler, der sofort helfen kann – ich denke, dass er uns viel Freude bereiten wird.“ Besonders freuen würde sich Atik sicher über einen Einsatz heute an seinem 26. Geburtstag.

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